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Kann ich meinen geplanten Griechenland-Urlaub jetzt kostenfrei stornieren?

Die verheerenden Waldbrände auf der griechischen Insel Rhodos wüten weiter. Was Reisende und Gestrandete jetzt wissen müssen.

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Gestrandet: Urlauber auf Rhodos warten darauf, in Sicherheit gebracht zu werden.
Gestrandet: Urlauber auf Rhodos warten darauf, in Sicherheit gebracht zu werden. © Argiris Mantikos/XinHua/dpa

Griechenland-Urlauber, die eine Pauschalreise gebucht haben, können nach den katastrophalen Waldbränden den geplanten Trip nicht automatisch kostenfrei stornieren. Sie sollten sich nun vielmehr bei ihrem Veranstalter informieren, wie die Region, in die sie fliegen möchten, betroffen ist und ob ihre Reise in Gefahr ist.

Herrschen am Urlaubsort „außerordentliche Umstände, die es nach eigener Prognose unmöglich machen, die Reise so durchzuführen, wie ich sie gebucht und bezahlt habe“, darf storniert werden, ohne dass der Veranstalter etwaige Stornogebühren verlangt, sagt Reiserechtler Paul Degott.

Bei einem solchen „Reiserücktritt vor Reiseantritt“ könnten Betroffene vom Reiseveranstalter den vollen Preis zurückverlangen. Dies sei im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben. Im Falle von Rhodos und Griechenland allgemein arbeitet die Branche laut dem Deutschen Reiseverband (DRV) an Lösungen.

„Sollten in den kommenden Tagen geplante Reisen aufgrund der aktuellen Situation nicht möglich sein, werden die Veranstalter diese absagen. Die Urlaubsgäste werden dann so schnell und so frühzeitig wie möglich informiert“, teilt der DRV mit.

Individualtouristen haben schlechte Karten

Schlechtere Karten haben Individualreisende, die sich einzelne Bausteine wie Mietwagen, Flug oder Hotel einzeln gebucht haben. Diese müssen laut Verbraucherzentrale NRW mit den verschiedenen Anbietern Kontakt aufnehmen. Zudem gelte das Recht des Landes, in dem die Unterkunft liegt.

„Im Zweifel muss ich mich mit dem Vermieter, zum Beispiel nach griechischem Mietrecht, auseinandersetzen“, sagt Degott. Mehr Aussicht auf Erfolg könne es haben, gleich auf Kulanz zu setzen und dem Vermieter vorzuschlagen, die Reise zu verlegen und zum Beispiel im Herbst die Unterkunft zu beziehen. Schließlich habe der Vermieter kein Interesse daran, seine Kunden zu "vergraulen".

Touristen sonnen sich außerhalb eines Stadions, wohin sie wegen katastrophaler Waldbrände in Sicherheit gebracht worden sind.
Touristen sonnen sich außerhalb eines Stadions, wohin sie wegen katastrophaler Waldbrände in Sicherheit gebracht worden sind. © Lefteris Damianidis/InTime News/AP/dpa

Wer derzeit im Rahmen einer Pauschalreise von den Auswirkungen der Waldbrände betroffen ist, kann vom Vertrag mit dem Reiseveranstalter zurücktreten und die Reise vorzeitig abbrechen. Laut Paul Degott liegen außergewöhnliche Umstände vor, die dazu berechtigen. Daneben gelten auch Vulkanausbrüche, Lawinenabgänge, Erdbeben und Seebeben sowie andere Naturkatastrophen im Reisegebiet oder in dessen unmittelbarer Nähe zu solchen außergewöhnlichen Umständen – früher „höhere Gewalt“ genannt. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbands halten sich allein auf Rhodos derzeit rund 20.000 Menschen aus Deutschland auf, die über einen Reiseveranstalter gebucht haben.

"Rhodos ist eine Katastrophensituation"

„Zur Beurteilung, ob unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen, durch die Sie in der Folge kostenfrei von einer Pauschalreise zurücktreten können, helfen die Äußerungen des Auswärtigen Amtes“, teilt die Verbraucherzentrale NRW mit. Formelle Warnungen seien ein wichtiges Indiz, aber keine Voraussetzung für das Rücktrittsrecht.

„Bezogen auf Rhodos kann man das sagen: Die Situation ist eine Katastrophensituation geworden“, erklärt Degott. Reiseverträge könnten nicht mehr erfüllt werden, wenn Hotels unter Asche lägen, geräumt würden und Reisende in Hallen warteten, um ausgeflogen zu werden.

Touristen warten vor ihrem Hotel, dass ein Bus sie wegbringt.
Touristen warten vor ihrem Hotel, dass ein Bus sie wegbringt. © Argyris Mantikos/Eurokinissi/AP/dpa

„Wenn eine Reise also objektiv zu Ende ist, muss der Veranstalter den Reisepreis zurückzahlen.“ Das habe zuletzt der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung unterstrichen. Rückzahlungen müsse der Veranstalter „für nicht erbrachte Leistungen“, nicht aber für die Urlaubstage leisten, die Reisende noch vor Eintritt der außergewöhnlichen Umstände verbracht haben.

Ist eine Reise unvermeidbar durch außergewöhnliche Umstände erheblich beeinträchtigt, wenden sich Pauschaltouristen am besten an die Reiseleitung vor Ort oder schriftlich per E-Mail an den Vertragspartner. Oder Urlauber rufen die Hotline des jeweiligen Veranstalters an, rät Nicole Bahn von der Verbraucherzentrale Bremen.

Veranstalter müssen Beistand leisten

Bei Katastrophen wie in Griechenland werden Veranstalter aber ohnehin tätig. Degott: "Der Veranstalter ist verpflichtet, Beistand zu leisten." Seitens des Deutschen Reiseverbands heißt es: "Die Reiseveranstalter sind in engem Kontakt mit den Behörden vor Ort, beobachten die Entwicklung sehr genau und arbeiten mit Hochdruck an Lösungen für die von den Evakuierungen betroffenen Gäste."

Laut Reiserechtler Degott müssen Veranstalter nicht nur bei der Organisation von Ersatzunterkünften und beim Umbuchen der Rückflüge helfen, sondern auch für die Kosten aufkommen. Im Falle einer notwendigen Beherbergung sind sie für einen Zeitraum von höchstens drei Nächten dazu verpflichtet. Es gebe aber auch einen "worst case" - wenn etwa kleinere Veranstalter nicht in der Lage sind, in angemessener Zeit Beistand zu leisten. "Wenn in einem halben Tag keine Lösung vorliegt, muss ich selbst handeln."

Quittungen gut aufheben

Gehen Betroffene mit den anfallenden Kosten in Vorleistung, sind jedoch zwei Dinge wichtig:

Dem Veranstalter muss mitgeteilt werden, dass Betroffene ihm die Kosten später in Rechnung stellen werden. Das kann in Form einer E-Mail oder Whats-App-Nachricht geschehen, sollte aber mit einem Screenshot dokumentiert werden.

Zweitens muss "der andere Teil die Möglichkeit gehabt haben, selbst Abhilfe zu schaffen." Man muss ihm die Notwendigkeit also mitgeteilt haben. Sonst könnte das Geld dauerhaft weg sein. Um später etwaige Ansprüche anzumelden, genüge es dann, dem Reiseveranstalter eine E-Mail mit den notwendigen Quittungen zu senden, sagt Nicole Bahn.

Weniger Rechte als Pauschalreisende haben Individualurlauber. Aber auch sie müssen schnell handeln und könnten schlecht warten "bis das Gepäck verbrannt ist", so Degott. Um sich ein Stück weit abzusichern, könne grundsätzlich eine Reiseabbruchversicherung in Betracht kommen. "Werfen Sie einen Blick in die Versicherungsbedingungen, ob diese außerordentliche Umstände inkludieren."

Sind Individualreisende klamm und können die Kosten weder für eine Ersatzunterkunft noch die Umbuchung des Rückfluges aufbringen, könnten sie sich grundsätzlich an eine Deutsche Botschaft oder Deutsche Vertretung wenden, um im Rahmen einer Spontanhilfe die "Reisekasse aufzufüllen." Wichtig: "Der Staat schenkt Ihnen aber kein Geld, das muss später zurückgezahlt werden."

Auswärtiges Amt schaltet Notfall-Nummer

Das griechische Außenministerium hat am Flughafen der Insel Rhodos (Terminal 1) einen sogenannten Help Desk eingerichtet. Dort können Touristen, die ihre Reisedokumente verloren haben, unbürokratisch eine Ausreisegenehmigung erhalten. Auf der Website des Außenministeriums sind zudem wichtige Telefonnummern für ausländische Besucher aufgelistet, die Angehörige vermissen. Die Notfall-Nummern lauten +30 210 368 1350, +30 210 368 1259 und +30 210368 1730. (dpa/rnw/kno)