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Woher der Weihrauch kommt - Spurensuche im Oman

Früher wurde das wohlriechende Baumharz mit Gold aufgewogen. Diese Zeiten sind vorbei – nicht aber der Zauber der Göttergabe.

Von Steffen Klameth
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Der Weihrauchbaum kann mehrere Hundert Jahre alt werden – wie dieses stattliche Exemplar.
Der Weihrauchbaum kann mehrere Hundert Jahre alt werden – wie dieses stattliche Exemplar. © Steffen Klameth

Wie riecht eigentlich Weihrauch? Ahmed Amer al Awaid muss eine Weile überlegen, bis ihm eine Antwort einfällt: „So wie in den europäischen Kirchen.“ Nun, aus dem Munde eines ausgewiesenen Weihrauch-Experten hätten wir uns schon eine etwas subtilere Erklärung gewünscht. Andererseits: Der Duft des legendären Baumharzes ist wohl gar nicht so einfach in Worte zu fassen.

Ahmed empfängt die Besucher im Wadi Dawkah, rund 50 Kilometer nördlich der Hafenstadt Salalah. Die karge Gegend in der Region Dhofar wird auch Tal der Weihrauchbäume genannt; etwa 5.000 Exemplare soll es hier geben. Ein paar Hundert von ihnen wurden vor rund 20 Jahren eingezäunt und zum Nationalpark erklärt. Sie wachsen und gedeihen nun unter der Obhut der Regierung. Die Unesco hat diesen und einige andere Orte zum Weltkulturerbe erklärt. Denn hier nahm sie ihren Anfang: die legendäre Weihrauchstraße.

Frisch ausgetretenes Harz.
Frisch ausgetretenes Harz. © Steffen Klameth

Weihrauch war bereits in der Antike bekannt und begehrt. Die Ägypter salbten mit dem Öl ihre verstorbenen Pharaonen ein, die Griechen besänftigten mit dem Rauch ihre Götter, die heiligen drei Könige schenkten es zu Jesus‘ Geburt. Und irgendwann zog der Duft des Weihrauchs auch durch christliche Kirchen.

Wer den Weihrauchbaum zum ersten Mal erblickt, ist enttäuscht: schuppiger Stamm, knorrige Äste, kleine Blätter. Aber wie so oft im Leben kommt es auch hier vor allem auf die inneren Werte an. Ahmed zeigt auf helle Stellen in der Rinde, die wie Narben aussehen: „Hier wurde das Harz gewonnen“, erklärt er. Und erzählt, wie die Ernte abläuft. Im März, mit Beginn der großen Hitze, wird die Rinde zunächst nur angeritzt. Der Saft, der nun austritt, sei aber wertlos, betont der Guide. Erst 15 bis 20 Tage später folgt ein tieferer Schnitt ins Holz. Dieses Harz lässt man dann am Baum trocknen, ehe es nach weiteren zwei bis drei Wochen abgeschabt wird. Diesen Vorgang kann man drei bis vier Mal wiederholen – bis der Monsun einsetzt.

Was sich recht simpel anhört, ist in Wahrheit ein Knochenjob. Vor allem dort, wo die Bäume das beste Harz hergeben. „Da gibt es keine Straßen und keine Siedlungen“, erzählt unser Begleiter Khalid Salim Ahmed Qaitoon. Das heißt, dass erst einmal Wasser und Lebensmittel für die Erntehelfer rangeschleppt werden müssen. Die schuften dann wochenlang in der Einöde. Von oben knallt die Sonne, unten lauern Schlangen.

Das gesammelte Harz ist zunächst noch weich und klebt an den Fingern. Unter der heißen Sonne Arabiens härtet es aber rasch und sieht dann aus wie kleine Kieselsteine. Um die vier Kilo pro Baum kommen so im Laufe der Zeit zusammen. „Manche Bäume bringen auch sechs oder sieben Kilo“, sagt Ahmed.

Das besondere Gebirgsklima und der kalkhaltige Boden im Süden des Omans bieten den Weihrauchbäumen ideale Bedingungen. Botaniker unterscheiden mehr als zwei Dutzend verschiedene Arten; im Dhofar ist vor allem die Sorte Boswellia sacra verbreitet – nach Meinung von Ahmed die beste überhaupt.

Gewusst wie: Mahad zeigt, wie der Ast des Weihrauchbaumes angeritzt wird.
Gewusst wie: Mahad zeigt, wie der Ast des Weihrauchbaumes angeritzt wird. © Steffen Klameth

Und das hat die Region reich gemacht. Kamele schleppten die wertvolle Ware nach Mekka, Jerusalem und Alexandria. Auch exotische Gewürze, Edelhölzer und Seide aus dem fernen Osten gelangten auf der legendären Weihrauchstraße ins Abendland. Unterwegs machten sie Rast in Oasen wie Wubar, dessen Untergang sogar im Koran erwähnt wird. Archäologen entdeckten die Siedlung Anfang der 1990er-Jahre mithilfe von Satellitenbildern im heutigen Shisr unweit des „Leeren Viertels“, der größten Sandwüste der Erde. Nun können die freigelegten Reste des Forts besichtigt werden. Ob es sich dabei tatsächlich um das antike Wubar handelt, ist zwar nicht bewiesen. „Auf jeden Fall war es eine wichtige Karawanserei“, sagt Khalid. Weit und breit gebe es nirgends so viel Wasser unter der Erde wie hier.

Ursprung und Gewinnung des Weihrauchs waren Jahrtausende ein streng gehütetes Geheimnis – was ihn nur noch wertvoller machte. Heute spielt der Oman auf dem Weltmarkt nur noch eine Nebenrolle. Mit Erdöl und Erdgas verdient das Sultanat ungleich mehr Geld. Mehr als vier Fünftel der jährlichen Weihrauch-Produktion kommen nun aus Somalia.

Das Baumharz wird nicht nur für religiöse Zwecke verwendet. Auch in der Medizin hat es sich bewährt, und es werden immer mehr Anwendungsgebiete erforscht. „Ich nehme es gegen Magenbeschwerden“, sagt Hanadi Jawhari, die im Luxushotel Alila Hinu Bay fürs Marketing zuständig ist. Im Spa werden Öle mit Weihrauch angereichert, um die Haut geschmeidiger zu machen. Und auch die Küche nutzt Weihrauch-Essenzen, etwa bei Eis und Desserts. Nur bei Fleisch und Fisch eigne es sich nicht, meint Hanadi: „Der Geschmack ist zu intensiv.“

Alles Handarbeit: Fawzia formt und verziert Tongefäße, in denen der Weihrauch verbrannt wird.
Alles Handarbeit: Fawzia formt und verziert Tongefäße, in denen der Weihrauch verbrannt wird. © Steffen Klameth

Für Omaner hat Weihrauch übrigens nichts Heiliges. „Wir lieben einfach den Geruch, außerdem vertreibt er die Insekten“, sagt Fawzia Bint Ragab Albadr. Sie lebt in Mirbat, einem Fischerort am Indischen Ozean. Die 44-Jährige ist Witwe und deshalb mit ihren fünf Kindern zurück in ihr Elternhaus gezogen – so gebietet es der Brauch. 22 Familienmitglieder leben nun unter einem Dach, was im Oman durchaus normal ist. Um etwas Geld zu verdienen, fertigt sie kleine kunstvolle Tongefäße, in denen der Weihrauch angezündet wird. 15 bis 20 Stück schaffe sie am Tag, sagt Fawzia. Händler vertreiben die Ware auf Märkten in Salalah und in der Hauptstadt Muscat.

Auf dem Weihrauch-Souq von Salalah reiht sich ein Händler an den anderen. Sie bieten das Baumharz in prall gefüllten Säcken feil, die bessere Ware ist in kleinen Plastikdosen abgefüllt. „Die Qualität hängt von Sorte, Standort und Erntezeit ab“, sagt Khalid. Absolute Spitzenqualität sei grün und komme aus der Region Hojari. Kenner zahlen dafür 200 Euro und mehr pro Kilo. Je dunkler, desto minderwertiger sei die Ware. Die gibt es schon ab 2,50 Euro.

Touristen greifen gern zu abgepackten Tüten, die praktischerweise alle notwendigen Utensilien enthalten: Weihrauch, Kohleplättchen und ein Brenngefäß – Letzteres könnte glatt aus der Werkstatt von Fawzia stammen. Als wir den Preis hören, wollen wir erst gar nicht handeln. „One Rial“, sagt der Verkäufer. Das sind umgerechnet nicht mal drei Euro – für einen ganz besonderen Duft. Der übrigens sehr viel angenehmer riecht als in einer Kirche. Aber eben so schwer zu beschreiben ist.

Handeln erwünscht: Auf dem Weihrauchmarkt in Salalah kaufen auch die Omaner ein.
Handeln erwünscht: Auf dem Weihrauchmarkt in Salalah kaufen auch die Omaner ein. © Steffen Klameth
  • Anreise: Oman Air fliegt täglich ab Frankfurt und fünfmal pro Woche ab München nach Muscat und weiter nach Salalah.
  • Einreise: Bis 14 Tage genügt der Reisepass. Krankenversicherung mit Covid-Schutz nötig.
  • Sicherheit: Der Oman gehört zu den sichersten Reiseländern überhaupt.
  • Beste Reisezeit: September bis April.
  • Übernachtung: In und um Salalah gibt es einige sehr gute, aber nicht ganz billige Hotels, darunter das Alila Hinu Bay und das Al Baleed Resort by Anantara (DZ/F ab 300 €).
  • Hinweis: Die Recherche wurde unterstützt vom Omanischen Tourismusministerium und den erwähnten Hotels.