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Ostsachsen: Darum fehlen Lokführer

Kein Personal - in jüngster Zeit fielen deshalb zwischen Dresden, Görlitz und Zittau immer wieder Züge aus. So will die Länderbahn gegensteuern.

Von Tilo Berger
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Im März 2019 schaute Sächsische.de Triebwagenführer Steffen Ettrich über die Schulter, der er einen Trilex zwischen Bautzen und Dresden steuerte. Zurzeit kämpft die Länderbahn mit Personalproblemen, was immer wieder zu Zugausfällen führt.
Im März 2019 schaute Sächsische.de Triebwagenführer Steffen Ettrich über die Schulter, der er einen Trilex zwischen Bautzen und Dresden steuerte. Zurzeit kämpft die Länderbahn mit Personalproblemen, was immer wieder zu Zugausfällen führt. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Am Montagnachmittag war es wieder soweit: Auf ihrer Internetseite meldete die Länderbahn plötzlich den Ausfall dreier Züge. Einer hätte in Bautzen 14.40 Uhr starten und bis Dresden Hauptbahnhof durchfahren müssen, der andere stand für 15 Uhr im Plan und sollte in Bischofswerda enden. Der dritte sollte planmäßig 16.55 Uhr in Bautzen Zwischenstopp auf der Fahrt nach Görlitz machen.

Der Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon) kam gar nicht mehr dazu, die Ausfälle in seine aktuelle Auskunft einzuarbeiten. Auf der Seite www.bahn.de hingegen waren die Zugausfälle vermerkt.

Seit August häuften sich überraschende Ausfälle oder auch mal verkürzte Fahrten von Zügen bei der Länderbahn. Meist waren Krankmeldungen von Mitarbeitern der Grund. So stehen Fahrgäste immer wieder vergeblich auf den Bahnsteigen - wer schaut schon vor jedem Weg zum Bahnhof ins Internet, ob denn der Zug auch wirklich kommt?

Genau das aber riet die Länderbahn schon im August und seitdem immer wieder: Reisende sollten sich rechtzeitig informieren.

100 Lokführer sind im Ostsachsen-Netz unterwegs

Das Unternehmen mit Sitz im bayerischen Viechtach bedient in Sachsen die Strecken Dresden-Görlitz-Zgorzelec, Dresden-Zittau-Liberec, Liberec-Zittau-Seifhennersdorf sowie die Vogtlandbahn. In Ostsachsen ist die Länderbahn unter dem Namen Trilex unterwegs. Einem Firmensprecher zufolge sind für die Trilex-Züge insgesamt etwa 100 Triebfahrzeugführer und 85 Zugbegleiter in Deutschland und Tschechien angestellt.

Von den Triebfahrzeugführern seien täglich 35 bis 45 im Einsatz - je nach Dienstplan. Damit sei der "Personalbedarf grundsätzlich abgedeckt". Sprecher Robert Aschenbrenner zufolge sind Urlaub, Fortbildungen und eine gewisse Zahl von Krankheitsfällen eingeplant.

Aber wenn sich dann plötzlich mehrere Mitarbeiter krank melden oder in Corona-Quarantäne müssen, gerate die gesamte Personalplanung aus den Fugen. Eine feste Personalreserve sei nicht vorgesehen, so der Sprecher.

Lokführer ist nicht mehr der Traumberuf wie früher

Theoretisch kann die Länderbahn auch Mitarbeiter aus anderen Netzen - zum Beispiel in Bayern - zeitweilig nach Sachsen abordnen. Praktisch passiert das nur sehr selten. "Das erfordert einen Abstimmungsvorlauf und Freigaben durch den Betriebsrat", erklärt der Unternehmenssprecher. Zudem: Wenn etwa ein bayerischer Zugführer am Steuer eines Trilex in Sachsen sitzt, fehlt er wiederum dort, wo er eigentlich arbeitet.

Mit dem Problem der knappen Personaldecke steht die Länderbahn nicht allein da. "Lokführer ist nicht mehr der Traumberuf, der er mal war", weiß Robert Aschenbrenner. Vor allem die unregelmäßigen Arbeitszeiten schrecken viele junge Leute ab. Das hat Folgen: Bei der Nord-West-Bahn im Raum Bremen zum Beispiel waren zeitweilig bis zu 17 Prozent aller Lokführer-Stellen unbesetzt, die Folge waren auch dort Ausfälle und verkürzte Fahrten. Inzwischen rollt der Verkehr jedoch "so zuverlässig wie nie zuvor", sagt ein Sprecher.

Gewerkschaft: Problem zu spät erkannt

Deutschlandweit gibt es etwa 18.500 Lokführer. Mehr als 1.000 von ihnen gehen jährlich in Rente und müssen ersetzt werden. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) wirft den Unternehmen vor, die ständig weiter klaffende Personallücke zu spät erkannt zu haben. "Wir erleben derzeit die Auswirkungen jahrelanger personeller Fehlplanungen", so ein GDL-Vertreter.

Die Gewerkschaften konnten in den vergangenen Jahren für die Mitarbeiter der Eisenbahnunternehmen einige Verbesserungen aushandeln. Viele bekommen jetzt nicht nur mehr Geld, sondern auch ein Plus an Urlaubstagen, außerdem gibt es mehr Teilzeit-Verträge. Auch dies müssen die Personalplaner jetzt berücksichtigen.

Um ihre Personalsorgen zu lindern, gehen deshalb mehrere Verkehrsunternehmen in die Initiative - genauer gesagt: in die Ausbildungsinitiative. Die Deutsche Bahn AG (DB) zum Beispiel bietet Seiteneinsteigern an, sich binnen neun Monaten zum Lokführer umschulen zu lassen. In Baden-Württemberg gibt es ein Pilotprojekt zusammen mit der Arbeitsagentur, um Geflüchtete in die Loks zu bringen.

Erstmals serbische Lokführer im Einsatz

Die Länderbahn bietet ebenfalls neunmonatige, tariflich bezahlte Lehrgänge für Interessenten an. Außerdem bildet das Unternehmen gemeinsam mit einer Schule in Belgrad junge Serben zum Lokführer aus. Ein serbischer Triebfahrzeugführer steuert seit vergangenem Monat Trilex-Züge durch Ostsachsen, 2022 soll der nächste folgen.

Auch die Ostdeutsche Eisenbahn (Odeg) wirbt auf ihrer Internetseite für die Lokführer-Ausbildung. Das Unternehmen bedient unter anderem die Strecken Hoyerswerda-Görlitz und Cottbus-Zittau. Allerdings, so Sprecherin Dietmute Graf, sei die Odeg hier "bestens personell aufgestellt".

Ohne personelle Nöte will auch die DB ihren Neustart auf den Strecken hinbekommen, die sie einst an die inzwischen vom Markt verschwundene Städtebahn Sachsen abtreten musste. Zurzeit fahren zwischen Dresden und Königsbrück sowie Dresden und Kamenz Züge der Mitteldeutschen Regiobahn, ebenso auf Nebenstrecken im Erzgebirge und in der Sächsischen Schweiz. Mit dem bevorstehenden Fahrplanwechsel im Dezember fallen diese Strecken wieder an die Deutsche Bahn. Ihrem Sprecher Jörg Bönisch zufolge stellt die DB dafür mehr als 100 neue Mitarbeiter ein - die meisten direkt von der Mitteldeutschen Regiobahn.

Dieser Text wurde am 9. November 2021 um 12.25 Uhr aktualisiert. Die Zugausfälle bei der erwähnten Nord-West-Bahn sind inzwischen Geschichte.