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Wie Unternehmer die Inflation nutzen, um ihre Gewinne zu erhöhen

Wirtschaftsforscher von zwei Instituten sind einig: Viele Firmen haben ihre Preise stärker erhöht als nötig und treiben so die Inflation an. Das trifft vor allem ärmere Haushalte.

Von Georg Moeritz
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Die Inflation für ärmere Haushalte hat fast 10 Prozent erreicht, schreibt das gewerkschaftsnahe Institut IMK.
Die Inflation für ärmere Haushalte hat fast 10 Prozent erreicht, schreibt das gewerkschaftsnahe Institut IMK. © dpa/Oliver Berg

Dresden. Die Gewinne vieler Unternehmen sind in den vergangenen Monaten stärker gestiegen als die gesamtwirtschaftliche Teuerung. Damit sind Gewinnsteigerungen zunehmend zum Treiber der Inflation geworden, sagt Professor Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Ähnlich hat sich schon der Dresdner Professor Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung geäußert: Deutschland habe derzeit nicht nur eine Kosteninflation, sondern auch eine "Gewinninflation".

Dullien sprach am Mittwoch von einer "sozialen Schieflage" bei der Inflationsbelastung und gab einen Teil der Schuld dafür den Unternehmern aus verschiedenen Branchen. Auffällig seien die Gewinnsteigerungen in Transport, Handel, Gastgewerbe, Bau und Landwirtschaft. Der Dresdner Ragnitz hatte in einem Aufsatz dieselben Branchen genannt. Nach seinem Eindruck nehmen einige Unternehmen den Kostenschub "als Vorwand, durch eine noch stärkere Erhöhung ihrer Absatzpreise auch ihre Gewinnsituation zu verbessern".

Baufirmen nutzten die Nachfrage in Ballungszentren

Laut Ragnitz haben viele Unternehmen "die Gunst der Stunde genutzt", als Kosten stiegen und private Haushalte nach dem Ende der Corona-Beschränkungen erspartes Geld gerne wieder ausgeben wollten. Landwirtschaftsunternehmen hätten zunächst wohl ihre vorhandenen Vorräte an Dünger und Futter noch aufgebraucht, bei der Kalkulation aber die erwarteten Preissteigerungen für Nachbestellungen eingerechnet. Bei den Baufirmen dürfte es auch die hohe Baunachfrage in einigen Ballungszentren möglich gemacht haben, Preise stark zu erhöhen. Daher gibt es laut Ragnitz auch "Inflationsgewinner".

In der Industrie und den meisten Dienstleistungsbereichen dagegen sei es nicht so leicht gewesen, Preis-Erhöhungen weiterzugeben. Auch die Energieversorger haben es laut Ragnitz zuletzt nicht mehr geschafft, ihre gestiegenen Beschaffungskosten vollständig den Kunden in Rechnung zu stellen.

Arme Haushalte haben fast zehn Prozent Inflation

Laut Dullien belastet die Teuerung ärmere Haushalte am stärksten. Nach seinen Berechnungen bekamen sie im Februar eine Inflationsrate von 9,9 Prozent zu spüren - damit ist die Teuerung für einen typischen Warenkorb innerhalb eines Jahres gemeint. Für Alleinlebende mit sehr hohem Einkommen dagegen lag die Inflation nur bei 7,4 Prozent. Der Grund: Sie geben einen geringeren Anteil ihres Einkommens für Produkte aus, deren Preise stark gestiegen sind - das sind vor allem Nahrungsmittel und Haushaltsenergie. Die "soziale Schere" bei der haushaltsspezifischen Belastung durch die Teuerung sei weit geöffnet, so Dullien.

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hatte die Jahresinflation der Verbraucherpreise für Februar mit 8,7 Prozent angegeben. Für Sachsen errechnete das Landesamt in Kamenz 9,2 Prozent. Nahrungsmittel waren in Sachsen im Februar 22,5 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, bei Energie betrug die Teuerung 22,6 Prozent. Bei Kaltmiete, Kleidung, Möbeln und Freizeit waren die Teuerungsraten dagegen deutlich kleiner.

Weltverbrauchertag: Köpping erinnert an Berater

Mit Blick auf die kommenden Monate erwarten die Fachleute des IMK eine Abschwächung bei den Gewinnspannen und eine Entspannung bei der allgemeinen Preisentwicklung. Ab März dürfte die Inflationsrate niedriger ausfallen, weil dann die Preise mit denen vom März vorigen Jahres verglichen werden - und damals waren die Energiepreise schon stark gestiegen. Außerdem dürfte sich die staatliche Deckelung der Preise für Strom, Gas und Fernwärme auswirken. Die Bundesregierung rechnet im Jahresschnitt 2023 mit einer Teuerungsrate von sechs Prozent.

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) wies anlässlich des Weltverbrauchertags am Mittwoch darauf hin, dass die staatlichen Energiepreisbremsen ein Beitrag zum Verbraucherschutz seien. Der Staat dürfe in den Markt regulierend eingreifen, wenn er nicht mehr genügend funktioniere. Zum Verbraucherschutz trage auch die staatliche Marktüberwachung durch das Mess- und Eichwesen bei.

Köpping sagte, der Freistaat unterstütze auch die Verbraucherberatungen mit Geld und fördere ein enges Netz an Beratungsstellen. Wer rechtliche Fragen zu seinem privaten Energieversorgungsvertrag habe, könne sich an die Verbraucherzentrale Sachsen wenden, bei drohender Überschuldung gebe es Rat bei gemeinnützigen Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen - eine Liste gibt es im Internet.