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Größte Forschungsmaschine der Welt erfolgreich gestartet

Mit dem Cern-Teilchenbeschleuniger wird die Zeit der Entstehung des Universums vor rund 14 Milliarden Jahren simuliert.

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Ein Techniker arbeitet an dem Teilchenbeschleuniger LHC. Nach gut drei Jahren Wartungs- und Verbesserungsarbeiten wird die größte Forschungsmaschine der Welt wieder angeworfen.
Ein Techniker arbeitet an dem Teilchenbeschleuniger LHC. Nach gut drei Jahren Wartungs- und Verbesserungsarbeiten wird die größte Forschungsmaschine der Welt wieder angeworfen. © keystone

Genf. Die größte Forschungsmaschine der Welt läuft wieder: Physiker haben im Teilchenbeschleuniger in Genf am Freitag nach gut dreijähriger Wartung erstmals wieder zwei Protonenstrahlen in Umlauf gebracht. Sie zirkulierten wie geplant in dem 27 Kilometer langen unterirdischen Ring in entgegengesetzter Richtung, wie der Forschungsdirektor der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern), Joachim Mnich, sagte.

Wegen einer Corona-Infektion konnte er dies nur aus häuslicher Isolation verfolgen. "Deshalb kein Champagner bei mir", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Aber ich bin sicher, dass es im Kontrollraum des Teilchenbeschleunigers anders war."

Es dauert nun sechs bis acht Wochen, bis die Maschine auf Hochtouren läuft. Dann finden wieder Protonenkollisionen statt, die Erkenntnisse über die grundlegenden Gesetze des Universums preisgeben sollen.

Die beiden Protonenstrahlen zirkulierten mit einer Injektionsenergie von 450 Milliarden Elektronenvolt. Für Kollisionen wird die Energie auf 13,6 Billionen Elektronenvolt hochgefahren.

Am Cern wurde auch das Higgs-Boson nachgewiesen

Mit dem Teilchenbeschleuniger wird die Zeit der Entstehung des Universums vor rund 14 Milliarden Jahren simuliert. Forscherinnen und Forscher beobachten bei den Kollisionen die Zerfallsprozesse und gewinnen Erkenntnisse über die kleinsten Bestandteile der Materie, die Elementarteilchen. Unter anderem wurde am Cern 2012 erstmals das 40 Jahre früher theoretisch beschriebene Higgs-Boson nachgewiesen. Es trägt dazu bei, dass Elementarteilchen eine Masse haben.

Während der Abschaltung ist die Leistungsfähigkeit des Beschleunigers und der angeschlossenen Detektoren deutlich erhöht worden. Er soll nun vier Jahre laufen. "Wir hoffen, dass wir die Zahl der Kollisionen seit Inbetriebnahme des Teilchenbeschleunigers bis Ende 2025 verdoppeln", sagt Mnich. Der Beschleuniger hat bereits zwei Betriebsphasen hinter sich: von 2009 bis 2012 und von 2015 bis 2018.

Nach Angaben von Mnich sollten im Jahr rund 1 000 000 000 000 000 - eine Billiarde - Kollisionen möglich sein. Aber nur eine von vielleicht 100 000 Kollisionen bringe Prozesse zum Vorschein, die eine nähere Analyse lohnen. Die Daten über das, was dabei passiert, werden zwar innerhalb von Millisekunden gespeichert, die Auswertung dauere oft aber Jahre.

Ein Hinweis auf eine unbekannte Naturkraft?

So war es am US-Forschungszentrum für Teilchenphysik Fermilab, das Anfang April mit einer Sensation aufwartete: aus mehr als zehn Jahre alten Daten hatten Physiker das W-Boson neu berechnet, das eine der vier Grundkräfte übermittelt, die das Verhalten der Materie im Universum bestimmen. Die Forscher stellten mit hoher Präzision fest, dass es schwerer ist als das Standardmodell der Teilchenphysik mit seinen zwölf Materieteilchen und ihre Wechselwirkung voraussagt.

"Wir können den Kollegen am Fermilab nur gratulieren", sagt Mnich. Das W-Boson war 1983 am Cern entdeckt worden. Er geht davon aus, dass die Messungen der Amerikaner hier in den nächsten vier Jahren bestätigt oder widerlegt werden können. "Wenn das Ergebnis so stimmt, könnte dies ein Hinweis auf eine unbekannte Naturkraft sein, oder ein Hinweis auf zusätzliche Teilchen, die wir bislang nicht kennen."

Auch am Cern war im vergangenen Jahr in ganz anderem Zusammenhang eine Anomalie entdeckt worden, die vom Standardmodell der Teilchenphysik abweicht. Beauty-Quarks waren nicht wie erwartet zu gleichen Teilen in Myonen und Elektronen zerfallen. Mit viel höheren Datenmengen hoffen die Physiker nun auf neue Erkenntnisse, die noch mehr Fragen über die Gültigkeit des Standardmodell aufwerfen könnten.