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Jetzt ist Europa unterwegs zum Jupiter, und Sachsen ist dort dabei

Juice am Jupiter: Die Sonde fahndet nach fremden Lebensspuren. Am Freitag startete die Raumsonde zu den Monden dieses Riesenplaneten. Dresdner Forscher haben am wichtigsten Experiment mitgebaut.

Von Stephan Schön
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Die nicht maßstabsgetreue Abbildung zeigt die Sonde Juice, Jupiter (M) und die Monde Ganymed (l-r), Io, Europa und Kallisto. Der Start der Sonde ist für Donnerstag vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guayana geplant.
Die nicht maßstabsgetreue Abbildung zeigt die Sonde Juice, Jupiter (M) und die Monde Ganymed (l-r), Io, Europa und Kallisto. Der Start der Sonde ist für Donnerstag vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guayana geplant. © ESA/ATG medialab/NASA/J. Nichols

Europa fliegt zum Jupiter, und Sachsen ist dabei. Heute 14.14 Uhr gab es ein zweites winziges Startfenster von nur einer Sekunde für die europäische Raumsonde Juice. Nachdem gestern Gewitter den Start verhindert hatten, gelang der Start diesmal perfekt. Vom Kourou-Raumfahrtbahnhof in Französisch Guayana geht es Europas längste Reise ins All.

Mehr als zehn Jahre haben Hunderte Forscher und Ingenieure für Juice gearbeitet, auch an der TU Dresden. Juice soll das Jupitersystem erforschen. Nicht der Start, nicht das Erreichen des All, erst die Auslieferung der Raumsonde Juice auf ihrer korrekten Bahn ließ Forscher wie Techniker jubeln. 28 Minuten nach dem Start gab schließlich der Flugleiter das Okay. Zu diesem Zeitpunkt war die Sonde bereits etwa 1.700 Kilometer hoch und bewegte sich mit etwa 35.000 Kilometern pro Stunde durchs All.

Von da haben die Ingenieure im europäischen Raumfahrtkontrollzentrum Esoc in Darmstadt die Steuerung von Juice übernommen. Die Daten der Sonde kommen über riesige Antennen verteilt auf dem ganzen Erdball letztlich im Kontrollzentrum an.

Wärme und Wasser unter dem Eis

Letztlich geht es mit Juice um eine der ältesten Fragen der Menschheit, um eine der spannendsten überhaupt: Sind wir allein im All? Ausgestattet mit Sensoren und Experimenten soll Juice die Spuren fremden Lebens finden. Gibt es im Jupitersystem Bedingungen für Leben? Also Wasser und Wärme, Strahlenschutz und Stofftransporte. Die gesamte Juice-Mission kostet ungefähr 1,6 Milliarden Euro und ist ein Kernstück vom Wissenschaftsprogramm der Europäischen Raumfahrtagentur Esa. Deutschland ist daran mit 21 Prozent beteiligt.

Juice haben die Forscher ihr sechs Tonnen schweres Raumfahrzeug getauft, die Abkürzung steht für „Jupiter Icy Moons Explorer“ – übersetzt: Erforscher der eisigen Monde des Jupiter. Denn nicht nur der riesige Gasplanet an sich ist für die Wissenschaft interessant, es sind vielmehr die drei großen Monde Ganymed, Kallisto und Europa. Alle drei sind von einem dicken Panzer aus Eis umhüllt. Wie viele Kilometer dieser dick ist, das sind bislang reine Hypothesen. Die spektakulärste und wohl auch plausibelste dabei ist: Unter dem Eisschild befinden sich gigantische Ozeane mit flüssigem Wasser. Genau dort könnte sich Leben entwickeln.

Esa-Raumsonde Juice in einer Visualisierung im Jupitersystem.
Esa-Raumsonde Juice in einer Visualisierung im Jupitersystem. © ESA/ATG medialab/NASA/J. Nichols

Sind wir allein im All?

Außerirdisches Leben ganz direkt soll und kann Juice jedoch nicht finden, sagt Nicolas Altobelli von der Esa. Er leitet die Juice-Mission. Die Sonde wird nicht auf den Monden landen, sondern wenn alles gut geht, an ihnen wieder und wieder vorbeifliegen. Juice soll dabei herausfinden, ob sich in dieser exotischen Umgebung Bedingungen bieten, die Leben überhaupt möglich machen, berichtet Nicolas Altobelli gegenüber der SZ. Der kilometerdicke Eispanzer schützt schon mal vor der tödlichen Weltraumstrahlung. Auch kann er die krassen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht abpuffern.

Dass sich unter der eisigen Schicht überhaupt genügend Energie findet, Wasser flüssig zu halten, hat eine sehr spezielle Ursache. Der Riesenplanet Jupiter walkt die Monde aufgrund seiner enormen Gezeitenkräfte wahrlich durch. Er verformt sie regelrecht. Es entsteht im Inneren Reibung und damit Wärme. Nicht zuletzt dadurch könnte, so eine weitere These, genug Wärme für Leben entstehen. Flüssiges Wasser ebenfalls vorausgesetzt.

Die Sonde Juice, so wie sie zum europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana geliefert wurde.
Die Sonde Juice, so wie sie zum europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana geliefert wurde. © ESA-CNES-Arianespace/Optique vid

Das wohl wichtigste Experiment an Bord ist Rime. Ein Radargerät, das mindestens neun Kilometer tief in das Eis hineinschauen kann. Bestenfalls auch 20 Kilometer und damit bis in den vermuteten Ozean. Entscheidend daran mitgearbeitet haben Hochfrequenztechniker der TU Dresden. Das Team von Dirk Plettemeier hat unter anderem die Antenne entwickelt. Diese Carbonfaserröhre ist 16,6 Meter lang. Allerdings hat dieses Rohr nur vier Zentimeter Durchmesser. Und die Wandstärke beträgt 0,25 Millimeter. Es muss halt groß und dennoch leicht sein.

Derzeit ist alles verpackt für den Start. Die Antenne ist zusammengefaltet und wird erst im All mit Pyrotechnik entspannt. „Um die für uns wichtigen Parameter hinzubekommen, haben wir viel simuliert“, sagt Plettemeier. „Man kann diese Antenne hinterher nicht mehr am Spacecraft ändern. Und es gibt auf der Erde auch keine Messkammer, in der man eine solche Antenne vernünftig vermessen kann.“ Den eigentlichen, richtigen Hardwaretest gibt es für dieses Experiment aber erst im All. „Die Wahrheit sehen wir 2031, wenn wir die ersten Messungen machen.“

Der Jupitermond Europa speit offenbar Wasserfontänen durch seine Eisschicht ins All. Dresdner Forscher wollen unter das Eis schauen.
Der Jupitermond Europa speit offenbar Wasserfontänen durch seine Eisschicht ins All. Dresdner Forscher wollen unter das Eis schauen. © NASA/JPL-Caltech/SETI Institute

Kilometer tief in das Eis blicken

Plettemeier und sein Team wollen anhand der Radardaten sehen, was sich unter der Oberfläche befindet, unter oder in dem Eis verbirgt. Gibt es dort flüssiges Wasser, Gasblasen, einen flüssigen Ozean? Welcher Materialaustausch zwischen Kern und Oberfläche findet statt? Und wie ist dieses Material dort überhaupt beschaffen? Ist es porös wie ein Schwamm oder ein einziger fester Block aus Eis? Selbst Einschlüsse im Eis werden erkannt. Das Dresdner Team hofft dabei auf eine Auflösung von 20 Metern.

In der Summe sollen zehn Sensoren und Kameras an Bord dieser europäischen Raumsonde ein neues Bild von Eismonden erfassen. Sieben dieser Geräte hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in den letzten zehn Jahren dafür mit insgesamt 100 Millionen Euro gefördert. Auch das Radar-Experiment Rime. Wie gut die Daten wirklich werden, das entscheidet nicht zuletzt die Präzision des Starts.

Von Europas Weltraumbahnhof in Französisch Guayana aus geht es mit der Ariane5 auf die längste Reise, die Europas Raumfahrt je gemacht hat. Acht Jahre lang und zig Runden um Planeten herum wird Juice im Slalom durchs Sonnensystem kurven. Mit jedem Swing-by mehr Kraft, mehr Geschwindigkeit bekommen. „Wir stehlen uns Energie von den Planeten“, sagt Esa-Flugbetriebsdirektor Andrea Accomazzo kurz vor dem Start. Dreimal kommt Juice so auch an der Erde vorbei. Man könnte auch direkt zum Jupiter fliegen, bräuchte dafür aber ein Vielfaches an Treibstoff und eine viel größere Rakete, als die Ariane 5. Dann allerdings, wäre diese Strecke auch in 2,5 Jahren zu schaffen.

Juice wird sich auch durch den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter hindurchbewegen müssen. Ein Einschlag sei allerdings unwahrscheinlich, heißt es dazu aus dem Esa-Flugleitzentrum in Darmstadt. Schwieriger wäre es dann schon, mit dem geringen Sonnenlicht im Jupiterumfeld klarzukommen. 25-mal schwächer ist die Sonne dort als hier in Erdnähe. Riesige Solarpaneele sind daher nötig. Ausgeklappt werden sie eine Fläche von 85 Quadratmetern einnehmen. 700 bis 900 Watt an elektrischer Energie bedeutet das. Und damit muss Juice auskommen. „Extrem kritisch ist auch das Bremsmanöver am Jupiter“, sagt Accomazzo. Klappe das nicht, fliege Juice am Jupiter vorbei.

Angela Dietz, Missionsingenieurin bei der Jupiter-Mission der Europäische Weltraumorganisation im im Europäischen Raumflugkontrollzentrum wird ab Donnerstag die Raumsonde Juice betreuen.
Angela Dietz, Missionsingenieurin bei der Jupiter-Mission der Europäische Weltraumorganisation im im Europäischen Raumflugkontrollzentrum wird ab Donnerstag die Raumsonde Juice betreuen. © dpa

Lange Leitung: 50 Minuten bis zur Sonde

Je nach Position der Sonde auf ihrer Reise in unserem Sonnensystem brauchen Kommandos und Daten von und zur Erde zwischen 30 und 50 Minuten. Vieles an Bord wird daher automatisiert laufen müssen.2031 soll die Sonde beim Jupiter ankommen und auf eine Umlaufbahn einschwenken. Auf dieser kann Juice 35-mal an den Monden vorbeifliegen. Zum Schluss wird die Sonde 2034 in eine Umlaufbahn um den Mond Ganymed einlenken. „Unsere Idee dabei ist, in nur 200 Kilometern Höhe über die Oberfläche zu fliegen“, sagt Juice-Missionschef Nicolas Altobelli. Auf Ganymed wird die Sonde dann voraussichtlich im September 2035 abstürzen.

Jupiter und seine Eismonde können uns viel über die Umgebung anderer, ferner Sterne erklären. Bereits Tausende Exoplaneten wurden entdeckt, viele dieser fernen, für unsere Raumsonden unerreichbaren Welten sind Gasriesen wie Jupiter. Durch die Untersuchung des Jupiters lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie diese fernen fremden Welten aussehen könnten.