Zittau
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Erster Gastronom in Zittau reagiert auf Mehrweg-Pflicht

Was Restaurants, Bistros und Cafés ab 2023 umsetzen müssen, bietet die "Essbar" schon jetzt an: Essen zum Mitnehmen - ohne Müll zu produzieren. Das Ziel: ein System für alle.

Von Thomas Christmann
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Kellnerin Cornelia Noack von der Zittauer Essbar gibt Henry Förster das Mittagessen in Mehrwegbehältern mit. Er ist einer der Kunden, der sich für das neue System interessiert.
Kellnerin Cornelia Noack von der Zittauer Essbar gibt Henry Förster das Mittagessen in Mehrwegbehältern mit. Er ist einer der Kunden, der sich für das neue System interessiert. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Zum Mittagessen ist Henry Förster oft in der Zittauer Essbar anzutreffen. Der Vermögensberater hat sein Büro auf der gegenüberliegenden Seite der Neustadt und damit einen kurzen Weg. Meist nutzt der Jonsdorfer das Angebot, vor Ort zu speisen. Doch als zu Corona-Zeiten die Gaststätten nicht öffnen durften, nahm er sich das Essen mit und kaufte dafür extra Plastegeschirr. "Damit nicht so viel Müll anfällt", sagt Henry Förster mit Blick auf die Boxen aus Styropor oder Schalen aus Alu, die sonst dafür genutzt werden.

Deren Zahl will Ronny Überschär von der Essbar künftig reduzieren, sie am besten gänzlich vermeiden. Auch ihn beschäftigt das Thema seit Corona, als viel Essen außer Haus ging. Abgesehen vom anfallenden Müll waren auch die Wegwerf-Boxen zwischenzeitlich Mangelware. Und sie seien letztlich totes Kapital, sagt der Essbar-Inhaber, der beim Kauf in Vorkasse gehen muss. Seit wenigen Tagen bietet Ronny Überschär nun auch Behälter an, die Gäste immer wieder verwenden können und sollen. Anlass ist die Mehrweg-Pflicht ab 2023. Dann sind Restaurants, Bistros, Cafés, Caterer und Lieferdienste verpflichtet, neben Einweg- auch Mehrwegbehälter für Essen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten.

Auf der Suche nach einer passenden Lösung ist Ronny Überschär auf das Unternehmen Vytal gestoßen. Das bietet ein Mehrweg-System an, wofür Gastronomen keine monatlichen Gebühren zahlen oder Mindestvertragslaufzeiten einhalten müssen. "Und es ist transparent", sagt er. So zahlen Gastronomen eine einmalige Startgebühr von 150 Euro, erhalten danach so viele Behälter wie benötigt. Auch der Austausch defekter ist inbegriffen. Die Behälter sind auslaufsicher, frei von schädlichen Weichmachern, geeignet für Mikrowellen und Spülmaschinen und mit einem QR-Code versehen. Der wird nach der Ausgabe des Essens gescannt. So ist nachvollziehbar, wer das Gefäß hat. Pro Befüllung muss der Gastronom zwischen 10 und 30 Cent an Vytal zahlen, im Fall der Essbar sind maximal 20 Cent fällig.

Wer als Gast die Mehrweg-Variante nutzen will, registriert sich in der kostenlosen App des Anbieters. Er hat zwei Wochen Zeit, die ausgeliehenen Behälter zurückzubringen. Sonst sind zehn Euro über Kreditkarte, Google Pay oder Paypal fällig. So will Vytal erreichen, dass nicht unnötig neue Behälter produziert werden müssen. Alternativ erhält der Gast für zehn Euro eine Karte, die nach dem Bibliotheks-Ausweis-Prinzip funktioniert. Darüber darf er zwei Behälter gleichzeitig ausleihen und ist an keine Rückgabefrist gebunden - muss allerdings erst die genutzten abgeben, um neue zu bekommen. "Somit kann man an unserem Mehrwegsystem auch analog und anonym teilnehmen", so Julia Hülder von Vytal.

Die Vorteile des Systems: Gastronomen sparen neben dem Verpackungsmüll auch Kosten. Und die Gäste können die Schüsseln in jedem beliebigen Partner-Restaurant abgeben, wo sie gereinigt werden und wieder in den Kreislauf gehen.

Die Essbar ist Zittaus erstes Restaurant, das auf Vytal setzt. Die ersten Gäste konnte Ronny Überschär schon überzeugen. Nun will er das Mehrweg-Angebot weiteren Gastronomen schmackhaft machen, es als Vorsitzender des Gewerbe- und Tourismusvereins "Zittau - lebendige Stadt" in der nächsten Sitzung vorstellen. "Es wäre wünschenswert, wenn noch mehr einsteigen", sagt er.

Bereits dabei ist Kathrin Scholz, die den Senfladen auf der Neustadt betreibt. Sie führt das Vytal-System diesen Dienstag ein, für die Mitnahme von Suppen. Rund 40 werden täglich verkauft, davon geht die Hälfte außer Haus. Die Wegwerf-Becher sind ihr wegen des Mülls ein "Dorn im Auge", wie sie sagt. Und mit der Mehrweg-Variante kommt Kathrin Scholz nach eigener Berechnung preislich über die Hälfte günstiger. "Meine Stammkunden müssen umsteigen und werden das auch", meint die Inhaberin, die aber für Notfälle weiter Einweg-Behälter da haben wird. Wie Ronny Überschär.

Auch für Henryk Haußer-Knabe vom Restaurant "Cavallino" ist das Angebot interessant. Er bietet einen Lieferservice an. Es wäre blöd, wenn jeder sein eigenes Süppchen koche, sagt der Inhaber mit Blick auf ein einheitliches System.

Vytal selbst hat gerade ein Pilotprojekt mit dem Franchise-Unternehmen "Domino's Pizza" gestartet, das mit einer Filiale auch in Zittau vertreten ist. Der Test mit den Mehrweg-Behältern läuft derzeit in Paderborn. Und das laut Julia Hülder von Vytal sehr gut. "Unsere Kunden sind sehr dankbar, dass man uns auch bei größeren Unternehmen angeboten bekommt, um Verpackungsmüll zu sparen." Das Ziel: Mit den Erfahrungen ein flächendeckendes Angebot zu ermöglichen.

Auch Essbar-Kunde Henry Förster findet das Vytal-System "eine tolle Sache". Und hofft, dass die Mehrweg-Variante die Runde unter Gastronomen und Gästen macht. So etwas könne auch in anderen Bereichen zum Nachahmen anregen, wo viel Verpackungsmüll anfalle, meint er.

Zur Mehrweg-Pflicht 2023

Regelungen für große Betriebe

Gastro-Betriebe mit mehr als fünf Mitarbeitern und über 80 Quadratmeter Verkaufsfläche müssen künftig eine Mehrwegverpackung als Alternative anbieten. Ob sie sich an einem Pool-Mehrwegsystem eines Anbieters beteiligen oder auf selbst eingekaufte Verpackungen setzen, bleibt ihnen selbst überlassen.

  • Möglichkeit 1: Der Betrieb schafft eigene Mehrwegverpackungen an, zum Beispiel aus Kunststoff oder Glas
  • Möglichkeit 2: Der Betrieb kann mit einem Unternehmen zusammenarbeiten, das Mehrwegverpackungen anbietet (Pool-Mehrwegsystem).
  • Essen und Getränke in Mehrwegverpackungen dürfen nicht teurer sein.
  • Auf Mehrwegverpackungen darf ein Pfand erhoben werden.
  • Zur Information für die Kundschaft müssen die Betriebe gut sichtbare und lesbare Informationen zu den Mehrwegverpackungen anbringen
  • Rücknahme der Mehrwegverpackungen und Hygiene:
    • Betriebe müssen Mehrwegverpackungen, die sie ausgeben, wieder zurücknehmen, nicht aber andere Mehrwegverpackungen
    • Beachtung der Anforderungen an Hygiene (siehe „Weitere Informationen“)

    Regelungen für kleine Betriebe

    Betriebe, die maximal fünf Beschäftigte und eine Verkaufsfläche von weniger als 80 Quadratmetern haben, müssen künftig Mehrwegbehälter befüllen, die von Kunden mitgebracht werden.

    • Die Betriebe müssen auf gut sichtbaren und lesbaren Informationstafeln darauf hinweisen, dass sie Essen oder Getränke in mitgebrachte Gefäße abfüllen.
    • Die Betriebe haben keine Verantwortung dafür, dass die mitgebrachten Gefäße zum Transport von Lebensmitteln geeignet sind.
    • Beim Befüllen der Gefäße müssen die geltenden Hygienebestimmungen und Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit beachtet werden.

    Quelle: IHK