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Wie Zittaus OB die Theater-Sparpläne sieht

Die heftig diskutierten Vorschläge einer externen Studie haben Thomas Zenker nicht wirklich überrascht. Warum nicht, erklärt er im Gespräch mit der SZ.

Von Jana Ulbrich
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Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker unterstützt eine breite Diskussion um Einsparmöglichkeiten am Gerhart-Hauptmann-Theater.
Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker unterstützt eine breite Diskussion um Einsparmöglichkeiten am Gerhart-Hauptmann-Theater. ©  Matthias Weber (Archiv)

Das Görlitzer Musiktheater sollte abgewickelt werden, die Lausitzer Philharmonie mit dem Sorbischen Nationalensemble fusionieren und das Zittauer Schauspiel mit dem Bautzener zusammengehen: Die Aufregung ist groß, seit der brisante Inhalt eines vom Kulturraum-Gremium in Auftrag gegebenen Spar-Gutachtens zur Theaterlandschaft öffentlich bekannt geworden ist. Auch in der Region Löbau-Zittau wird - unter anderem vom Verein der Zittauer Theaterfreunde - heftig protestiert. Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm) sieht das etwas anders - und erklärt auch, warum.

Herr Zenker, Sie sind nicht überrascht von den Vorschlägen der Gutachter?

Nein. Die Studie soll ja erst einmal eine Diskussionsbasis für die Frage sein, wie überhaupt eine sichere Zukunft der Theater im Kulturraum erreicht werden kann. Diesen Zweck erfüllt sie – wenn auch provokante Ansätze enthalten sind. Entgegen anderslautender Äußerungen wurden wir als Gesellschafter auch mit einbezogen: Es gab Befragungen, das Zahlenmaterial stammt aus Unterlagen, die im Gesellschafterkreis und im Aufsichtsrat vorliegen. Angesichts der bisherigen Sparmaßnahmen - die vor allem am Zittauer Standort deutliche Folgen hatten - sind die Vorschläge für mich nicht überraschend. Im Kreistag und im Zittauer Stadtrat gibt es zudem Beschlüsse, die uns beauftragen, strukturelle Untersuchungen anzustrengen, um die Theaterlandschaft finanzierbar zu halten.

Was ist das Problem an der Theater-Finanzierung?

Das Theater ist ein wichtiger Standortfaktor, den wir unbedingt brauchen, von dem wir jedoch immer weniger wissen, wie wir ihn bezahlen sollen. Das bringt uns im Wettbewerb mit vielen anderen Aufgaben, die wir finanzieren wollen oder müssen, in schweres Fahrwasser. Die Theater-GmbH ist wie fast alle großen Kulturbetriebe in Deutschland eine Gesellschaft, die auf Gesellschafterzuschüsse und Fördermittel angewiesen ist. Anders ist Theater hierzulande kaum möglich. Der Zuschussbedarf steigt jetzt aber jedes Jahr und führt in der kommunalen Finanzlage, die sich durch die Pandemieauswirkungen zwar verschärft, aber nicht grundlegend verändert hat, zu erheblichen Risiken für das Theater.

Weil?

Seit 2019 zahlen wir endlich wieder Tarife. Das war nur mithilfe des „Kulturpakts“ des Freistaats möglich und gibt uns als Gesellschafter erstmals wieder etwas Flexibilität im Personalbereich. Ob und wie wir die nutzen, darüber besteht keine Einigkeit. Und gleichzeitig geht mit den Tarifen die übliche Kostensteigerung von circa zwei Prozent pro Jahr einher. Der "Kulturpakt" ist aber bisher nur bis 2022 ausgehandelt und deckt keine Steigerungen ab.

Aber wo und wie könnte denn gespart werden?

Jedenfalls nicht mehr am Zittauer Standort. Das Potenzial ist hier meiner Ansicht nach ausgereizt, das Zusammenwirken mit dem Bautzener Schauspiel könnte neue Möglichkeiten bieten. Bei den Einnahmen - über die Zahl verkaufter Tickets weniger die Preise - ist im Schauspiel nur noch wenig Luft nach oben, im Musiktheater und Tanz deutlich mehr. Dass das Actori-Gutachten den Fokus auf die Görlitzer Sparten richtet, ist aufgrund der Größenordnungen an Personal und Finanzbedarf nachvollziehbar.

Lässt sich Theater ohne eine Beteiligung des Freistaats überhaupt finanzieren?

Nein, jetzt und auch zukünftig nicht. Genau deshalb ist das Kulturraumgesetz geschaffen worden. Aber der hohe Anteil von 6,83 Millionen Euro aus dem Kulturraum für das GHT steht wegen seiner anteiligen Höhe aus dem Gesamtetat bei anderen Sparten wie auch beim Landkreis Bautzen, der sein Theater hart konsolidiert hat, in der Kritik. Unsere Sitzgemeinde- und Gesellschafteranteile von Landkreis, Zittau und Görlitz, die aktuell knapp sechs Millionen Euro ausmachen, können aber auch nicht beliebig erhöht werden. Wenn der Kulturpakt allerdings nach jetzigem Stand Ende 2022 ausläuft - was hoffentlich nicht passiert - müssten die Gesellschafter dann nicht nur die fehlende Grundsumme von rund 1,4 Millionen Euro zusätzlich, sondern auch die Erhöhungen stemmen.

Wo gäbe es denn Ihrer Meinung nach Einsparungspotenzial?

Sogenannte Potentiale hat das Gutachten ja aufgezeigt. Die sind vorläufig benannt, aber noch nicht von der Geschäftsführung auf echte Realisierbarkeit und samt Folgekosten geprüft. Das ist natürlich besonders in Görlitz unpopulär und der Druck wird jetzt medial und politisch erhöht. Bislang gab es aber auch keinerlei anderslautende Vorschläge. Fest steht: Alle drei Gesellschafter haben bei weitem nicht die Leistungsfähigkeit, mit einem einfachen „Weiter so!“ sämtliche Herausforderungen abzutun.

Sie stehen dieser Diskussion offen gegenüber?

Grundsätzlich ja, es ist aber auch zu diskutieren, was im Marketing, im Programm, in der Wirkung nach außen bis hin zum ÖPNV passieren muss, damit die Einwohner der Städte und Gemeinden ohne eigenen Standort häufiger den Weg ins Theater - besonders eben auch nach Görlitz - finden. Die Bespielung vieler kleinerer Standorte ist nur im eingeschränkten Rahmen möglich und verursacht vor allem zusätzliche Kosten.

Welche Rolle spielt eigentlich die künftige Nutzung der Görlitzer Stadthalle in den Diskussionen?

Die aktuelle Situation wird sich in meinen Augen nochmals verschärfen, wenn die Stadthalle zukünftig bespielt werden soll. Wenn alles, was die Lausitzer Philharmonie in Görlitz derzeit im Theater leistet, zukünftig - und zu Recht – in einer Stadthalle mit hochkarätigen Gaststars und wahrscheinlich dann weit über 1.500 zahlenden Zuschauern stattfindet, dann bleiben noch rund 50 Veranstaltungen pro Jahr im Görlitzer Haus. Wie soll das gehen? Das ist eine Frage an den Gesellschafter Görlitz, die ich nunmehr regelmäßig seit Bekanntwerden des Lausitz-Festivals stelle. Schließlich soll dieses offensichtlich in der Stadthalle ein Zuhause finden und laut dem, was mir bekannt ist, plant unser Mitgesellschafter auch dort einen hohen Zuschuss ein.

Es heißt, dass das Schauspiel in Zittau die Sparte ist, die am besten wirtschaftet.

Zunächst einmal: Es ist bekannt, dass Musiktheater und Philharmonie höhere Kosten verursachen als Schauspiel. Das stellt niemand in Frage. Klar ist auch, dass Stadt und Landkreis Görlitz uns in Zittau auch jahrelang ein Theater erhalten haben, ohne dass Zittau selbst Gesellschafter war. Jetzt haben wir jedoch in Zittau ein sehr deutlich reduziertes Ensemble, der Großteil der Konsolidierung der vergangenen Jahre wurde hier absolviert, weniger geht gar nicht mehr sinnvoll. Dagegen ist zu betonen, dass das Zittauer Haus saniert ist, und dass das Team wirklich hervorragende Qualität und Zahlen geliefert hat. Ich bin also froh, dass wir Zittauer als Gesellschafter eingestiegen sind, was uns politisch auch schwer beschäftigt hat. Aber nur so haben wir das Mitspracherecht erhalten, um unseren Standort nicht zum Spielball werden zu lassen. Das erscheint bei der Kostenaufteilung von rund vier Millionen Euro für das Schauspiel und rund 13 Millionen für die anderen Sparten gegenüber den erzielten Umsätzen auch wichtig.

Wäre unter heutigen Bedingungen ein eigenständiges Zittauer Theater möglich?

Das ist schwer zu beantworten und fraglich, ob es die Lösung für uns wäre. Die heutigen Bedingungen bilden in Zittau das ab, was die Gesellschaft insgesamt leistet. Ein eigenständiges Zittauer Haus würde sich Musiktheater, Tanz und Konzerte einkaufen müssen, so wie das die Lausitzhalle in Hoyerswerda oder das Bautzener Theater tun. Dies setzt schwerwiegende Entscheidungen und Verhandlungen durch die Gesellschafter und ihre Gremien voraus, und dass der Landkreis und der Kulturraum - also auch der Freistaat - ein solches Modell, also den Schritt zurück, ebenfalls unterstützen würden. Rechnerisch erscheint das vielleicht noch möglich, der politische Weg dahin eher nicht.

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