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Was das Zittauer Gebirge bei der Gästekarte von der Sächsischen Schweiz lernen kann

Rund um Zittau soll es bald eine Digitale Gästekarte geben - mit kostenlosem ÖPNV. Zwischen Pirna und Bad Schandau können Urlauber Bus und Bahn längst nutzen, ohne zu bezahlen. Hat sich das bewährt?

Von Frank-Uwe Michel
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Blick von der Brand-Baude bei Hohnstein auf das Panorama der Sächsischen Schweiz mit dem Lilienstein. Urlauber, die in der Region übernachten, müssen hier eine Gästetaxe bezahlen.
Blick von der Brand-Baude bei Hohnstein auf das Panorama der Sächsischen Schweiz mit dem Lilienstein. Urlauber, die in der Region übernachten, müssen hier eine Gästetaxe bezahlen. © Robert Michael

Im Naturpark Zittauer Gebirge wird nach monatelangen Diskussionen nun die Digitale Gästekarte eingeführt. Termin ist der Januar 2025. Kernpunkt des Vorhabens ist die Einbeziehung des ÖPNV, den Übernachtungsgäste dann kostenlos nutzen können. Dadurch erhöht sich jedoch die Gästetaxe, mit der das Ganze finanziert werden soll. Die Touristiker der Sächsischen Schweiz sind ihren Kollegen im Raum Zittau diesbezüglich einen Schritt voraus - allerdings ist ihre Gästekarte nicht digital. Tino Richter, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz, erklärt in der SZ die Zusammenhänge und sagt, von welchen Erfahrungen das Zittauer Gebirge lernen könnte.

Herr Richter, Ihr Tourismusverband bietet den Urlaubern derzeit zwei Gästekarten an: die normale "Gästekarte" und die "Gästekarte mobil". Das ist ein in Teilen anderes Modell, als es jetzt im Zittauer Gebirge eingeführt werden soll. Was hat es damit auf sich?

Tino Richter: Unser Grundprodukt ist die "Gästekarte". 14 Kommunen aus der Sächsischen Schweiz beteiligen sich daran. Sie bietet den Gästen zahlreiche Vorteile. Derzeit sind über 50 Freizeitbetriebe mit mehr als 60 verschiedenen Rabattleistungen vertreten. Die Weiterführung dazu ist die "Gästekarte mobil". Hier haben wir den ÖPNV integriert. Wer sie benutzt, kann zusätzlich kostenlos mit Bus, Bahn und Fähre fahren. Daran beteiligt sind bis jetzt zehn Städte und Gemeinden. Der Unterschied zu den Plänen im Zittauer Gebirge: Unsere beiden Modelle werden als Papierkarten ausgegeben, in Zittau und Umgebung läuft es ja auf eine Digitale Gästekarte hinaus.

Die Einbeziehung des ÖPNV ist zwar ein zusätzlicher Service für die Urlauber, verursacht aber höhere Kosten und verteuert letztlich die Gästetaxe. Wie lange hat der Prozess gedauert, Gastwirte und Kommunen davon zu überzeugen und welche Argumente wurden ausgetauscht?

Tino Richter: Die Idee hatten wir schon vor zehn Jahren. Eingeführt wurde die "Gästekarte mobil" dann 2020 - zuerst nur in Pirna. 2021 kamen Königstein und Sebnitz dazu, 2022 fünf weitere Orte, 2023 nochmal zwei. Insgesamt machen die teilnehmenden Kommunen rund drei Viertel aller Übernachtungen in der Sächsischen Schweiz aus - also kommen etwa 1,5 von 2 Millionen Gästen in den Genuss des kostenlosen Nahverkehrs. Das sind in der Hauptsache Wanderer, Radler, Erholungssuchende und Naturfreunde. Der Bustourismus ist bei uns weniger verbreitet und nimmt sogar ab. Natürlich ist der Akzeptanz auch bei uns ein langer Diskussionsprozess vorausgegangen. Zu teuer, schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis und geringe Nachfrage bei den Gästen waren einige Gegenargumente. Wir haben aber von Beginn an das Gespräch gesucht und im Vorfeld der Beschlüsse in den Stadt- und Gemeinderäten die Gastwirte befragt. Anfangs stand etwa die Hälfte der Leistungsanbieter hinter dem Projekt, jetzt sind es drei Viertel.

Der Dresdner Tino Richter ist seit Januar 2002 Geschäftsführer des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz.
Der Dresdner Tino Richter ist seit Januar 2002 Geschäftsführer des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz. © Archiv/Daniel Förster

Wie hoch ist denn die Gästetaxe in der Sächsischen Schweiz?

Tino Richter: Bei der "Gästekarte mobil" liegt die Spanne zwischen 2 und 3 Euro, bei der normalen Gästekarte einen Euro darunter. Mit diesem einen Euro wird der ÖPNV abgedeckt. Die Mitgliedsgemeinden entscheiden dann selbst anhand ihrer kommunalen Kalkulation, wie viel sie insgesamt verlangen müssen, um ihre lokalen touristischen Leistungen mit dem Geld bestreiten zu können. Wobei wir versucht haben, möglichst ein gleiches Level zu erreichen, damit der Gast keinen Flickenteppich vorfindet. Das haben die Kommunen selbst vorgeschlagen. Es gibt nur wenige Ausnahmen, die auf lokalen Besonderheiten beruhen. So bietet der Kurort Rathen zusätzlich die Fährüberfahrt im Ort an, die nicht Teil des ÖPNV ist.

In Oybin gibt es den Gebirgsexpress mit Routen zum Berg Oybin, zum Hochwald und zum Töpfer. Es wird kritisiert, dass dieses Angebot mit der Digitalen Gästekarte nicht kostenlos zu haben sein soll. Wie ist das in der Sächsischen Schweiz? Dort bietet der gleiche Betreiber den Festungsexpress an.

Tino Richter: Das ist immer eine Frage des Preises. Der Festungsexpress ist in unserer "Gästekarte mobil" ebenfalls nicht drin. Andererseits müssen Urlauber, die mit dem Zug nach Dresden fahren wollen, ab Heidenau ein Ticket in die Landeshauptstadt lösen, weil das die Grenze unseres Verkehrsverbundgebietes ist.

Eine weitere Befürchtung lautet, Urlauber würden von Orten mit höherer in Orte mit niedrigerer Gästetaxe abwandern. Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht?

Tino Richter: Nein, ganz und gar nicht. Das ist überhaupt nicht relevant. Im Gegenteil: Die Leute suchen eher bewusst nach Orten, wo sie möglichst viele Vorteile geboten bekommen. Der kostenlose ÖPNV hat die Akzeptanz der Gästetaxe noch erhöht. Durch unsere statistischen Erhebungen können wir das auch belegen: Der Anteil an Urlaubern, die mit der Bahn anreisen, ist erheblich gestiegen, weil sie hier dann ja mit Bus, Bahn und Fähre kostenlos unterwegs sein können und das eigene Auto gar nicht brauchen. Unter den Touristen mit der "Gästekarte Mobil" hat knapp 50 Prozent den ÖPNV auch tatsächlich genutzt. Das ist ein sehr guter Wert. Von den Gästen mit der normalen Karte waren nur 20 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.

Trotz des Erfolges, der aus Ihren Worten spricht: Sehen Sie Verbesserungsbedarf bei der "Gästekarte mobil" in der Sächsischen Schweiz?

Tino Richter: Wir suchen natürlich immer nach neuen Partnern und finanzierbaren Möglichkeiten, wie wir den Service für unsere Gäste verbessern können. Seit Sommer 2023 ist zum Beispiel die Kirnitzschtalbahn mit dabei. Durch den hohen Bedarf am ÖPNV konnten wir zudem anregen, neue Buslinien zu schaffen. Ähnliches könnte vielleicht auch im Zittauer Gebirge gelingen, falls es dort noch unterversorgte Gebiete gibt. Natürlich wollen wir irgendwann auf die Digitale Gästekarte umsteigen. Aber das ist eine Frage der Finanzierung - und deshalb noch Zukunftsmusik.