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Posse oder Tierschutz? Behörde verbannt Papagei Jacko von seinem Stammplatz

Graupapagei Jacko war in der Großschönauer Gärtnerei Thielemann Publikumsliebling. Nun ist sein Platz leer. Ein Tierschützer hat Anzeige erstattet, die Behörde wollte ihn sogar "einziehen".

Von Frank-Uwe Michel
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Inmitten von Familie Thielemann fühlt sich Graupapagei Jacko am wohlsten. Nur darf er seine Zuneigung künftig nicht mehr im Verkaufsraum der Großschönauer Gärtnerei zeigen.
Inmitten von Familie Thielemann fühlt sich Graupapagei Jacko am wohlsten. Nur darf er seine Zuneigung künftig nicht mehr im Verkaufsraum der Großschönauer Gärtnerei zeigen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

"Jacko" - der Ruf ist nicht zu überhören. Auch wenn er seit ein paar Tagen etwas leiser ertönt, denn der Graupapagei hat seinen Logenplatz im Verkaufsraum der Großschönauer Gärtnerei Thielemann verloren. Nun grüßt der bisherige Publikumsliebling die Kunden aus einem Nebenraum mit seinem Namen. Dort sitzt er zwar weiterhin im angestammten Käfig, aber fast immer allein - anstatt mit den Menschen direkt ein paar Krächzer, Pfiffe oder Rufe auszutauschen.

Seitdem die Untere Naturschutzbehörde seine "Verbannung" angeordnet hat, ist der Aufschrei unter den Großschönauern groß. Jacko ist zum Dorfgespräch geworden, die Einwohner schütteln über das Verbot der Behörde nur den Kopf. "Einige haben sogar eine Unterschriftensammlung angeregt", erzählt Andreas Thielemann. Aber ob das etwas bringen würde? Der Gärtnereichef zuckt mit den Schultern.

Familie Thielemann hat den 1999 geborenen Graupapagei im Jahr 2000 von einem Cunewalder Züchter als Handaufzucht gekauft. Beringt, registriert, gesundheitlich tipptopp in Ordnung. "Ich bin damals in die Voliere gegangen - und er kam sofort zu mir", erinnert sich Ines Thielemann. Liebe auf den ersten Blick sozusagen. Denn seitdem sind Mensch und Vogel wie ein Herz und eine Seele. Sie und ihr Mann fühlten sich schon immer zu Gefiederten hingezogen, Andreas Thielemann war eine Zeit lang sogar Mitglied in einem Zittauer Exotenverein. "Als ich dann die Gärtnerei übernahm, wurde die Zeit knapp und das Hobby fiel leider flach."

Auf einer Studienreise durch die alten Bundesländer schaute sich das Paar in den 1990ern die Unternehmen mehrerer Berufskollegen an. "Viele hatten Haustiere um sich herum. Bei einigen waren das auch Vögel. Das würde auch gut zu uns passen, fanden wir." Und so bekam Jacko vier Jahre nach dem Bau des neuen Verkaufsgewächshauses dort einen repräsentativen, besucherfreundlichen Platz, auf dem er fortan all seine Kommunikationslust mit den Menschen um ihn herum ausleben konnte.

Bis zu jenem Tag im Februar. Da spazierten drei Mitarbeiter des Landkreises - vom Veterinäramt und der Unteren Naturschutzbehörde - in Andreas Thielemanns Gärtnerei. Sie offenbarten ihm, dass eine anonyme Anzeige wegen Verletzung der Tierschutzbestimmungen eingegangen sei. Nahmen den "Stein des Anstoßes" in Augenschein, die Haltungsbedingungen und ließen sich seinen Status als tierisches Familienmitglied erklären.

Ein paar Tage später erging dann der behördliche Bescheid: "Das Exemplar Graupapagei ... wird eingezogen", mussten die Thielemanns in der Anordnung lesen. Und das aus den verschiedensten Gründen. So sei der Vogel zwar beringt, die Registrierung darauf aber nicht zu lesen. Zudem gebe es weder Kaufvertrag noch Rechnung, um den ordnungsgemäßen Erwerb zu belegen. Denn immerhin zählt "Psittacus erithacus" - so die lateinische Bezeichnung - zu den streng geschützten Arten. Und für die gelten in der EU - bis auf ein paar Ausnahmen - Vermarktungs- und Besitzverbote.

Beanstandet wurde zudem, dass Jacko im Verkaufsraum zu Werbezwecken kommerziell genutzt worden sei. Werde der Vogel wie angeordnet eingezogen, könne man ihn dem "Wirtschaftskreislauf" entziehen, hieß es. Denn: Die "in den letzten Jahrzehnten erfolgte Zurschaustellung des Tieres in Ihrem Blumenladen" werde als eine "verbotene Handlung" betrachtet. Auch die Unterbringung des Graupapageien sei nicht artgerecht, steht in der Begründung, obwohl Thielemanns dafür einen vom Fachhandel angebotenen Käfig nutzen.

Wiederum räumt die Untere Naturschutzbehörde ein, dass - wenn er nicht tagsüber in der Gärtnerei sitzt - die vorgefundenen Haltungsbedingungen darauf schließen lassen, "dass der Graupapagei sich frei in der Wohnung bewegen kann." In der Küche habe sich eine Sitzstange, im Wohnzimmer eine Schlafvoliere befunden, teilt die Behörde in ihrem Bericht mit. Und schätzt ein: "Die Umstände deuten auf eine enge soziale Bindung zwischen dem Besitzer und dem Graupapageien hin."

Nun wäre Jacko vermutlich schon gar nicht mehr in Großschönau - wenn die Behörde eine andere artgerechte Unterbringung gefunden hätte. Die sei "derzeit schwer zu finden", heißt es. Deshalb darf Jacko nun doch bei Thielemanns bleiben - was "eine Lösung im Sinne des Tieres" sei. Allerdings müsse dies im Rahmen einer artgerechten Haltung geschehen. Dazu liefert der Naturschutz gleich die erforderlichen Volierenmindestmaße mit: zwei Meter lang, ein Meter breit und ein Meter hoch. Nicht zu vergessen: Jackos "gute Stube" darf künftig nicht mehr im Verkaufsraum stehen.

Von ihrer generellen Entscheidung, den Vogel eigentlich einziehen zu müssen, rückt die Untere Naturschutzbehörde aber nicht ab. Sie bezieht sich auf EU-Recht. Bedingungen, um hier Ausnahmen durchgehen zu lassen, lägen im Großschönauer Fall nicht vor. Allerdings werde bei den Entscheidungen das Tierwohl berücksichtigt. "Im vorliegenden Fall führte die langjährige Bindung zwischen Graupapagei und Halter zu einer sozialen (Fehl-)Prägung des Tieres", heißt es auf SZ-Anfrage. Ein Abbruch dieser persönlichen Bindung könne zu weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Vogels führen.

Andreas und Ines Thielemann haben inzwischen einen Anwalt eingeschaltet. Zur Anordnung des Landkreises sagen sie: "Natürlich würden wir eine größere Behausung bauen. Im hinteren Teil des Gewächshauses haben wir aber keinen Platz. Diese geräumige Voliere müsste deshalb im Verkaufsraum stehen." Demnächst, wenn ihre Tochter Anja Schmidt die Gärtnerei übernehme, gebe es sowieso entsprechende Pläne. Dann werde nach den Vorstellungen der künftigen Betreiberin umgebaut. "Eine Voliere ist da auf jeden Fall vorgesehen."