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Ein zerstörter Ort im Ahrtal dankt Mittelherwigsdorf

90 Prozent der Dorfbewohner Dernaus sind von der Flutkatastrophe im Juli betroffen. Viele haben alles verloren. 20 sogar ihr Leben.

Von Holger Gutte
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Dernau in Rheinland-Pfalz vor wenigen Tagen - drei Monate nach der Flutkatastrophe im Juli: Im Bild ein zerstörter Gasthof am Ufer der Ahr in Dernau. Zahlreiche Häuser waren im Ort so stark zerstört worden, dass sie abgerissen werden mussten.
Dernau in Rheinland-Pfalz vor wenigen Tagen - drei Monate nach der Flutkatastrophe im Juli: Im Bild ein zerstörter Gasthof am Ufer der Ahr in Dernau. Zahlreiche Häuser waren im Ort so stark zerstört worden, dass sie abgerissen werden mussten. © dpa/Boris Roessler

"Seit über einer Woche ist unsere Heimat, das wunderschöne Ahrtal, nicht mehr wie sie mal war", steht auf der Internetseite von Dernau. Der Eintrag wurde kurz nach der Flutkatastrophe im WeinKulturDorf Dernau im Juli 2021 gemacht und daran wird sich lange Zeit nichts ändern. Der kleine Ort in der Verbandsgemeinde Altenahr im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz ist immer noch nur eingeschränkt erreichbar.

Genau so einen Ort hat Mittelherwigsdorf gesucht. Die Bürger der Gemeinde wissen aus eigener Erfahrung, was eine Hochwasserkatastrophe bedeutet. 2010 und 2013 hat sie es selbst schlimm erwischt. Aber sie haben auch nicht übersehen, dass es in diesem Jahr andere noch härter traf.

Angeregt von mehreren Mittelherwigsdorfern und aus gemeinsamer Überzeugung hatte der Gemeinderat deshalb schon wenige Tage nach der Katastrophe beschlossen, eine Spendenaktion zugunsten der Betroffenen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen unter dem Motto "Mittelherwigsdorf hilft!" zu starten.

Viele Orte sind in diesen zwei Bundesländern schwer zerstört worden. Aus bestimmten Städten und Gemeinden wurde immer wieder in den Medien von den Flutschäden und dem Leid der Menschen dort berichtet. Aber mit Sicherheit gibt es noch zig andere Gemeinden, deren Einwohner ebenfalls sehr schlimm von der Katastrophe betroffen sind. So einen Ort will Mittelherwigsdorf finden und ihm dann die Spenden seiner Einwohner, Gewerbetreibenden, Unternehmen und Vereine geben, kündigte Bürgermeister Markus Hallmann (Freier Wählerverein) bei der Gemeinderatssitzung im Juli an.

Und mit Dernau haben sie so eine Gemeinde gefunden. Etwa 90 Prozent der Bürger dort sind von der Flutkatastrophe betroffen. Fast alle haben alles verloren. Ihr Zuhause, ihre gesamte Existenz ist zerstört.

In dem Ort mit seinen etwa 1.800 Einwohnern erreichte die Ahr im Juli einen Pegelstand von acht Metern, normal ist ein Meter. Die Kraft der Wassermassen war verheerend, riss Häuser, Autos, Straßen, Bahngleise und vieles mehr mit sich fort. 20 Menschen verloren dabei ihr Leben.

Noch immer beherrschen Schlamm, Berge von Müll und Trümmern, Bergungs- und Räumungsfahrzeuge den Alltag des Dorfes. Doch die Einwohner halten zusammen. "Bitte helft uns, ein Stück unserer Heimat wieder aufzubauen – auch wenn es sicher noch lange dauern wird", steht auf Dernaus Internetseite.

Wie ein Tropfen auf den heißen Stein mutet es da an, was Mittelherwigsdorf jetzt gemacht hat. 14.770 Euro hat die Gemeinde an den kleinen Ort überwiesen. Das Geld stammt von über 160 Einzelüberweisungen.

"Für uns ist das kein Tropfen auf den heißen Stein. Das sind 1.000 Euro für 15 Familien, die alles verloren haben", sagt Dernaus Ortsbürgermeister Alfred Sebastian im Gespräch mit der SZ. Und er dankt den Mittelherwigsdorfern von ganzem Herzen dafür.

"Zwei ehemalige Ortsbürgermeister von uns haben ehrenamtlich eine Punkte-Tabelle erstellt, die die Bedürftigkeit unserer Einwohner darstellen soll", berichtet Alfred Sebastian. Dazu gehört Arbeitslosigkeit, das Fehlen von lebensnotwendigen Dingen und vieles mehr. Nach einem Schlüsselsystem wird, so gut es geht, den Menschen geholfen.

"Wir geben alle Spenden 1:1 an die Menschen im Ort weiter. Die brauchen es. Da bleibt nichts im Topf für Organisationen oder Bearbeitungsaufwand liegen", sagt er. Das wird auch bei den 14.770 Euro aus Mittelherwigsdorf so sein. "Für den Wiederaufbau von Einrichtungen, Infrastruktur und dergleichen ist Vater Staat zuständig", fügt er hinzu.

"Genauso wollten wir es - dass die Spenden direkt an die betroffenen Leute gehen. Möge unsere gemeinsame Spende helfen, den Wiederaufbau zu unterstützen und das Leid der Einwohner mildern", sagt Bürgermeister Markus Hallmann.

Dernau blickt auf eine mehrere tausend Jahre alte Siedlungsgeschichte zurück. "Wer weiß, wie viele Einwohner wir künftig noch haben. Aber wir werden, soweit wir es können, so viel wie möglich wieder aufbauen", berichtet Alfred Sebastian.