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Zittauer Textilveredler Ploucquet: Viele Entlassungen - aber keine Krise

Eine afrikanische Textilunternehmer-Familie hat den Traditionsbetrieb gekauft. Das bedingt Einschnitte - aber Erfolg in einem Geschäftsfeld, wegen dem andere in der Krise sind.

Von Markus van Appeldorn
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Matthias Maier, Geschäftsführer von Ploucquet, an einer Bahn mit Afrika-Damast.
Matthias Maier, Geschäftsführer von Ploucquet, an einer Bahn mit Afrika-Damast. © Markus van Appeldorn

Was beim Textilveredler Ploucquet jährlich millionenmeterweise von der Rolle läuft, tragen weltweit Millionen von gut gekleideten Menschen - überwiegend Männer - täglich am Leib. Futterstoffe für Sakkos von Edelmarken wie Baldessarini, Bogner, Escada, Hugo Boss, Joop, Strenesse, Windsor und vielen mehr. Doch so schön diese Stoffe sind, so problematisch sind sie für das Unternehmen auch - denn die Produktion ist seit Jahren unrentabel. Deshalb zieht Ploucquet jetzt die Reißleine. Nachdem das Unternehmen verkauft wurde, wird die Produktion dieser Sparte eingestellt. 31 Mitarbeiter mussten entlassen werden. Mit einem anderen Produkt und großen Investitionen darin, ist Ploucquet aber bereits in die Zukunft gestartet - Afrika-Damast.

"Das Futterstoffgeschäft war immer schon schwierig und stand unter einem massiven Preisdruck", sagt Geschäftsführer Matthias Maier. Anbieter in Fernost würden wesentlich günstiger produzieren. Deshalb war Ploucquet auch in Deutschland der letzte Produzent solcher Stoffe in Größenordnungen. Deshalb habe man schon vor Jahren angefangen, immer stärker den Bereich technischer Spezialtextilien aufzubauen - für Feuerschutzanzüge, Innenverkleidung von Rohren oder sogar Keilriemen für Mähdrescher. "In diesem Bereich haben wir jährlich ein prozentual bis zu zweistelliges Wachstum", sagt Maier - und es war der größte Ertragsbringer des Unternehmens.

Die Futterstoffe haben zwar 50 Prozent zum Umsatz beigetragen - aber quasi nichts zum Ertrag, waren teilweise sogar defizitär. "Wir mussten die Produktion jahrelang aufrechterhalten, um den Bereich der technischen Textilien aufbauen zu können", sagt Maier. Und dann war da immer noch ein dritter Bereich: Für ein Unternehmen in Tschechien veredelte Ploucquet in großem Maßstab Damast-Stoffe für hochwertige Bekleidung in Afrika. Dieses Unternehmen wuchs mit den Jahren zum größten Einzelkunden - und hat Ploucquet jetzt aufgekauft. Das ändert alles in der Weinau.

Warum Afrikaner auf Damast aus Deutschland stehen

Das Unternehmen Caledon aus Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße) nahe Liberec wurde von einer in Bamako, der Hauptstadt von Mali, ansässigen Textilunternehmer-Familie gegründet. Bamako ist eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt. Vor der französischen Kolonialisierung lebten in der Stadt am Niger gerade mal 600 Menschen. 1950 war es mit fast 90.000 Einwohnern etwa so groß wie seinerzeit Görlitz - heute sind es über 4,2 Millionen Einwohner. Und Bamako gilt als ein Zentrum der Textilindustrie und des Textilhandels. Männer tragen in Mali und anderen westafrikanischen Staaten sogenannte Boubous, Ganzkörper-Anzüge aus Damast. Und besonders die wohlhabenden Schichten legen Wert darauf, dass dieser Damast aus Deutschland kommen muss.

"Die Afrikaner sagen: Die Deutschen sind die besten", erklärt Maier. Von Caledon wurde Ploucquet in den letzten Jahren mit fertig mustergewebtem deutschen Damast beliefert, der in Zittau dann gefärbt und weiter oberflächenveredelt wurde. "Da geht's um Farbe, Glanz, Haptik und auch Geräusch. Da steckt sehr viel innovative Entwicklung drin", sagt Maier. Dann aber kam bedrohliche Kunde vom Top-Kunden aus Tschechien. "Die afrikanischen Eigentümer wollten den Standort in Jablonec zur Vollproduktion ausbauen und dort eine neue Fabrik errichten", sagt Maier - damit wäre der Hauptkunde weggebrochen.

Sich selbst zum Kauf angeboten

"Wir haben uns dann selbst Caledon zum Kauf angeboten, weil wir ja bereits ganz in der Nähe die Produktion und das gesamte Knowhow haben", sagt Maier. Die Afrikaner willigten schließlich ein - seit Juli 2023 gehört Ploucquet zu Caledon und ist in Besitz der afrikanischen Familie. Zuvor gehörte Ploucquet der in Unterhaching bei München ansässigen Kufner-Gruppe. Der neue Eigentümer war auch bereit, in der Weinau kräftig in einen neuen Maschinenpark zu investieren. "Wir investieren allein 2024 vier Millionen Euro", so Maier. Das bringt harte personelle Einschnitte mit sich. "Es gibt Mitarbeiter in allen Bereichen von der Produktion, in der Verwaltung bis zum Vertrieb, die eben nur mit Futterstoffen beschäftigt waren", erklärt Maier. Diese Produktion werde aber im September endgültig eingestellt. "Wir haben zu Jahresbeginn damit angefangen, befristete Verträge nicht zu verlängern und betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen", sagt Maier. 31 Mitarbeiter habe man entlassen müssen. (Früh-)Verrentungen eingerechnet, würde etwa ein Drittel der 120 Beschäftigten den Betrieb verlassen.

Doch für Ploucquet ist dieser schmerzhafte Schritt der einzig gangbare in eine wirtschaftlich sichere Zukunft. Wie aber kann es sein, dass die Zittauer ausgerechnet mit Afrika-Damast auf der Erfolgsschiene unterwegs sind, während genau dieser Geschäftszweig gerade bei Damino in Großschönau für eine Krise mit Kurzarbeit sorgt? "Unsere Marktsituation mit den afrikanischen Eigentümern ist eine komplett andere", erklärt Matthias Maier. Man liefere eben nicht an einen Zwischenhändler im krisengeschüttelten Nigeria, sondern gehöre direkt zu einem Familienunternehmen, das seit Generationen im heimischen Markt unterwegs und dort natürlich verwurzelt ist. "Die betreiben da eigene Läden und der Name ist dort als Marke so bekannt wie hier vielleicht Apple", sagt Maier.