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Wie ein Bürgerkrieg in Afrika zu Kurzarbeit bei Damino in Großschönau führt

Für Damino ist das Geschäft mit speziellem Damast für Afrika ein wichtiges Standbein. Ein weiterer Großschönauer Traditionsbetrieb ist auch in der Krise. Und zwei andere große Firmen.

Von Markus van Appeldorn
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Bei Damino in Großschönau stehen derzeit viele Webmaschinen still.
Bei Damino in Großschönau stehen derzeit viele Webmaschinen still. © Matthias Weber

Ostsachsen und die Oberlausitz mögen weitab des Weltgeschehens liegen. Wie aber Krisen in anderen entfernten Winkeln der Welt massiv auf die Oberlausitzer Wirtschaft durchschlagen können, diesen unerwünschten Effekt der Globalisierung zeigt aktuell das Beispiel des Traditions-Textilbetriebs Damino in Großschönau. Wegen einer Krise im fernen Afrika herrscht hier Kurzarbeit. Auch drei weitere prominente Betriebe im Raum Zittau mit weltweiter Kundschaft mussten Kurzarbeit anmelden.

Damino-Geschäftsführer Marcus Friedrich macht gegenüber der SZ keinen Hehl aus der aktuellen Krise. "In der Weberei besteht seit November Kurzarbeit" - einer der größten Bereiche des Betriebs. 40 bis 50 Personen seien von der Kurzarbeit betroffen, ein gutes Drittel der insgesamt 140 Beschäftigten. "Kurzarbeit Null" herrscht nicht. "Die Mitarbeiter sind 40 Prozent des Monats anwesend", so Friedrich.

Groß-Auftrag von Premium-Airline

Verursacht wurde die Krise durch einen einzigen Geschäftsbereich. "Damino hat drei Standbeine", erklärt Friedrich. Zum einen sei das Bett- und Tischwäsche für Hotellerie und Gastronomie. Das zweite Standbein sind Textilien für Fluggesellschaften, Kreuzfahrtschiffe oder auch Bahngesellschaften. Diese zwei Geschäftsbereiche waren zur Zeit der Corona-Pandemie in einer Krise. Denn wenn Hotels und Restaurants geschlossen, Flugzeuge am Boden und Schiffe im Hafen bleiben, brauchen deren Betreiber naturgemäß keine neue Damast-Ware.

Nach der Pandemie ging's aber wieder ordentlich bergauf. So hat Damino etwa von einer bedeutenden Fluggesellschaft einen Großauftrag erhalten, der teilweise schon erfüllt ist. Die Fluggesellschaft zählt zu den exklusivsten, luxuriösesten und besten Fluggesellschaften der Welt - also ein echter Prestige-Kunde für die Großschönauer.

Wie das Afrika-Geschäft bei Damino ins Kontor schlägt

Und dann ist da noch das dritte Standbein: der sogenannte Afrika-Damast. Allgemein kaum bekannt werden die Stoffe für traditionelle Luxusgewänder in vielen afrikanischen Staaten nicht auf diesem Kontinent gewebt - sondern seit etlichen Jahren samt und sonders bei einigen wenigen europäischen Textilunternehmen. Eines davon ist Damino. "Wir liefern den Damast für sogenannte Boubous, das sind Ganzkörper-Anzüge aus hochwertigem Damast. Der Stoff hat einen Kühleffekt", erklärt Friedrich.

Diese Anzüge würden - insbesondere auch zu festlichen Anlässen - von weiten Teilen der männlichen Bevölkerung getragen. Während günstige Modelle aus chinesischer Stoffware gefertigt würden, würden Damino und eine Handvoll anderer Unternehmen den Damast liefern, der die Ansprüche der gesellschaftlichen Oberschicht erfüllt. Und jetzt die Krise: Der Afrika-Damast hat bisher jedes Jahr einen erklecklichenTeil zu den rund 18 Millionen Euro Gesamtjahresumsatz beigetragen. "Dieser Afrika-Damast-Umsatz ist jetzt auf quasi Null Euro gesunken", sagt Friedrich.

Der Grund: Der Handelspartner von Damino für den Afrika-Damast sitzt in Nigeria und bedient von dort aus auch die Märkte in Ghana, Mali, dem Senegal und weiteren afrikanischen Staaten. "Durch geopolitische Spannungen in Westafrika sind die Märkte komplett zum Erliegen gekommen. In Nigeria herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände und ein völliger Währungsverfall", sagt Marcus Friedrich. Für Damino bedeutet das: 40 der 100 Webmaschinen stehen still. Und wie das bei kriegerischen Handlungen so ist: Ein Ende ist nicht absehbar. Und von jetzt auf gleich kann Damino das natürlich nicht mit anderen Geschäftsfeldern ausgleichen. Man wolle weitere Premium-Fluggesellschaften als Kunden gewinnen, und: "Wir planen etwa, Stoffe für Cabrio-Verdecke zu liefern - aber bis so eine Produktion umgestellt ist, braucht es viele Test-Serien", so Friedrich.

Weiterer prominenter Textilbetrieb in der Krise

Krisenstimmung herrscht auch in der Nachbarschaft von Damino, nur wenige hundert Meter entfernt. Dort hat die Firma Frottana ihren Sitz, mit ihrer Marke "Möve" einer der deutschen Top-Anbieter für Handtücher oder Bademäntel. Wie der Fabrikverkauf von Damino am Produktionsstandort darf auch der von Frottana durchaus mittlerweile zu den Touristen-Attraktionen des Zittauer Gebirges gezählt werden. Doch nach SZ-Information herrscht auch bei Frottana Kurzarbeit. Demnach ruht seit Anfang März freitags die Produktion.

Zu den Gründen und der Zahl der davon betroffenen Mitarbeiter wollte die in Berlin ansässige Geschäftsführung des Unternehmens keine Angaben machen. Auch nicht dazu, welche weiteren Perspektiven der Produktionsstandort Großschönau vor diesem Hintergrund hat. Frottana ist im Kreissüden einer der größten Arbeitgeber. Nach einer SZ-Erhebung von 2019 waren dort damals 249 Mitarbeiter beschäftigt. Bei der jüngsten SZ-Unternehmens-Umfrage 2023 hatte das Unternehmen keine Zahl genannt.

Auch Digades und Bechstein in Kurzarbeit

Erst im Februar war bekannt geworden, dass der Zittauer Elektronik-Spezialist Digades 150 Mitarbeiter zu 20 Prozent der Arbeitszeit in Kurzarbeit schickt. Als Grund gab das Unternehmen dafür Einschnitte im früheren Hauptgeschäftsfeld an. Digades wurde einst zum Weltmarktführer für Funkfernbedienungen für Auto-Standheizungen - das machte einst über 90 Prozent der Produktion aus, mittlerweile aber nur noch die Hälfte. Ein Grund für den Rückgang ist, dass sich solche Fernbedienungen per Smartphone-App immer stärker durchsetzen. Neu erschlossene Geschäftsfelder konnten diesen Rückgang noch nicht ausgleichen.

Eine Weltmarke, deren Produkte in Seifhennersdorf hergestellt werden, ist Bechstein. Der Klavierbauer schickte einen Teil seiner Mitarbeiter bereits Mitte 2023 in Kurzarbeit - die bis heute andauert. Der Grund: Nach jahrelangem Wachstum kam es zu einem weltweiten Nachfrage-Rückgang für Instrumente der Luxusklasse - so ein Bechstein-Flügel kostet eben fünfstellig

Keine weiteren Fälle von Kurzarbeit bekannt

Unternehmen müssen Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit anmelden. Das Instrument dient dem Zweck, vorübergehende, unverschuldete Schieflagen ohne Entlassungen überbrücken zu können. Zulässig ist Kurzarbeit über einen Zeitraum von 12 Monaten - in Ausnahmefällen auch 24. In dieser Zeit zahlt die Agentur für Arbeit betroffenen Arbeitnehmern 60 Prozent des ausfallenden Nettogehalts, solchen mit Familie 67 Prozent.

Aus Gründen des Datenschutzes konnte die Agentur für Arbeit in Bautzen auf SZ-Anfrage keine Angaben dazu machen, ob und welche Unternehmen im Kreissüden konkret von Kurzarbeit betroffen sind. Die Agentur veröffentlicht eine Statistik, wie viele Personen in welchen Branchen betroffen sind - diese Statistik zeigt aber aktuell nur die Zahlen bis Januar. Der Leutersdorfer Fleischer Sebastian Herzog, Vorstand beim "Allgemeinen Unternehmerverband Zittau und Umgebung", sagt aber auf SZ-Anfrage: "Mir sind derzeit keine weiteren Unternehmen mit Kurzarbeit bekannt."