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Etikettenschwindel beim Glühwein von Lausitzer?

Ein Bautzener kauft vermeintlich überlagerten Glühwein und schaltet die Lebensmittelüberwachung ein. Was dabei herausgekommen ist.

Von Bettina Spiekert
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Olaf Mierwaldt mit Glühwein von Lausitzer, bei dem das Mindesthaltbarkeitsdatum überklebt wurde.
Olaf Mierwaldt mit Glühwein von Lausitzer, bei dem das Mindesthaltbarkeitsdatum überklebt wurde. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Die meisten Flaschen mit Glühwein, die in der vergangenen Vorweihnachtszeit verkauft wurden, dürften mittlerweile ausgetrunken sein. Dem Bautzener Olaf Mierwaldt allerdings ist schon kurz nach dem Kauf einer solchen Flasche die Lust auf den Genuss des aromatischen Getränks vergangen. Davon erzählt er, als er Sächsische.de zwei Flaschen Glühwein vom Sohlander Hersteller Lausitzer präsentiert.

Wenige Stunden zuvor hatte er die bei einem großen Bautzener Getränkehändler gekauft. Vier Flaschen à einem Liter für zusammen keine zehn Euro, wie er sagt. Den Kassenzettel hat er aufgrund der geringen Summe gar nicht erst mitgenommen. Doch schon am Auto sei ihm auf dem Flaschenetikett ein zweites aufgefallen. Als er dieses, das Logo des Herstellers, ablöst, kommt darunter ein Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) zum Vorschein. Und das lautet auf 6/2018.

Unterm Lausitzer-Aufkleber steht das Mindesthaltbarkeitsdatum Juni 2018.
Unterm Lausitzer-Aufkleber steht das Mindesthaltbarkeitsdatum Juni 2018. © SZ/Uwe Soeder

Olaf Mierwaldt wittert Etikettenschwindel. Zwar glaubt er, dass der Glühwein trotz seines Alters nicht schlecht geworden ist, aber Zweifel hat er trotzdem. So informiert er das Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt des Landkreises Bautzen. Das, so schreibt man ihm umgehend, bedankt sich für den Hinweis und will sich der Sache annehmen.

Und auch Sächsische.de begibt sich auf Recherche und fragt zuerst beim Hersteller an. Die Firma Lausitzer in Sohland/Spree ist ein deutschlandweit agierendes Unternehmen mit Produkten von Fruchtsaft über Konfitüre bis zu Sportdrinks. „Ich hätte nicht gedacht, dass sechs Jahre nach der Produktion noch irgendwo Flaschen dieses Glühweins auftauchen“, sagt Juniorchef Maximilian Deharde, als er am Telefon von den Restbeständen erfährt.

Keine Kennzeichnungspflicht bei Glühwein

Doch wie kommt er auf sechs Jahre? Auf dem Etikett ist doch Juni 2018 vermerkt. „Wir haben vor vielen Jahren auf unsere Glühweine ein Mindesthaltbarkeitsdatum gedruckt. Dass dies bis heute Konsequenzen haben könnte, war uns nicht klar“, sagt Deharde. Das MHD habe man auf zwei Jahre deklariert. Der Glühwein von 2016 sei demnach laut Etikett bis 2018 haltbar gewesen.

Dazu war die Firma aber gar nicht verpflichtet. Denn laut deutschem Lebensmittelrecht müssen Wein und weinhaltige Getränke, und dazu zählt eben auch Glühwein, gar nicht zwingend mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen werden. „Eine Ausnahme bildet dagegen alkoholfreier Glühwein“, sagt Birgit Brendel von der Verbraucherzentrale Sachsen.

Bei Lausitzer habe man das MHD nun je nach Produkt auf fünf oder sechs Jahre verlängert, sagt der Juniorchef. Nachdem dies firmenintern beschlossen wurde, habe man damals die Etiketten aller noch vorrätigen Produkte abgelöst und durch neue ersetzt.

Allerdings gab es ja noch jene Flaschen, die schon an den Einzelhandel geliefert waren und in den Regalen standen. „Da haben wir unsere Außendienstler hingeschickt, um das Datum mit unserem Logo zu überkleben“, erklärt Deharde. Er schätzt, dass dies maximal 400 Flaschen betroffen habe. Und wohl auch jene, die Olaf Mierwaldt kurz vor Weihnachten gekauft hat. „Wir hätten natürlich auch alle noch übrigen Flaschen entsorgen können, aber das wäre weder nachhaltig noch wirtschaftlich sinnvoll gewesen“, sagt der Lausitzer-Chef.

Verkauf nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums zulässig

Wegen der Nachfrage von Olaf Mierwaldt fuhr auch das Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt nach Sohland. „Im vorliegenden Fall wurden nach Eingang der Verbraucherbeschwerde unverzüglich Ermittlungen aufgenommen und eine amtliche Kontrolle im beschuldigten Betrieb durchgeführt“, sagt Sabine Rötschke, Sprecherin des Landratsamtes. Das Fazit nach der Kontrolle: Nach derzeitigem Ermittlungsstand seien betrügerische Absichten nicht erkennbar.

Maximilian Deharde bot Olaf Mierwaldt an, die fraglichen Flaschen gegen neue zu tauschen. Doch der Glühwein ist inzwischen fast ausgetrunken. „Er hat wie immer geschmeckt“, sagt Mierwaldt. „Ob Glühwein noch genießbar ist, lässt sich mit den eigenen Sinnen überprüfen: sehen, riechen und schmecken – am besten im Glas“, erklärt Verbraucherschützerin Birgit Brendel. Sollte man Schimmel erkennen, sehe es trüb aus, rieche es unangenehm oder schmecke es säuerlich, dann sollte man das Lebensmittel wegwerfen.

Brendel weist darauf hin, dass Lebensmittel nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sehr wohl noch verkauft werden dürfen. „Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Ware einwandfrei und ein eindeutig erkennbarer Hinweis vorhanden ist, dass das MHD abgelaufen ist“, erklärt sie. Selbst wer ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum erst zu Hause entdeckt, kann, so Brendel, das Produkt reklamieren. Übrigens: Salz, Zucker, Kaugummi und sogar einige Backwaren sind wie Wein von der Kennzeichnungspflicht mit einem MHD ausgenommen.