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Glückwunsch zum 102.! Gödas älteste Einwohnerin feiert Geburtstag

Edith Quaas wurde 1921 geboren. Wie sie auf ihr langes Leben zurückblickt und worüber sie sich heute am meisten freut.

Von Miriam Schönbach
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Hundert Jahre liegen zwischen Edith Quaas und ihrem zweijährigen Ur-Ur-Enkel Theo. Die älteste Gödaerin feierte am 30. Mai 2023 ihren 102. Geburtstag.
Hundert Jahre liegen zwischen Edith Quaas und ihrem zweijährigen Ur-Ur-Enkel Theo. Die älteste Gödaerin feierte am 30. Mai 2023 ihren 102. Geburtstag. © Steffen Unger

Göda. Hundert Jahre liegen zwischen Theo und seiner Ur-Ur-Großmutter. Mit großen Augen strahlt der Kleine Edith Quaas an. Der Zweijährige ist für die Jubilarin ein besonderer Geburtstagsgast. Die älteste Gödaerin feiert an diesem 30. Mai ihren 102. Geburtstag. Familie, Freunde, Wegbegleiter, der Bürgermeister und eben Ur-Ur-Enkel Theo sind zum Gratulieren an die Kaffeetafel in Fehrmanns Backstuben-Café gekommen. Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Schließlich liebt das Geburtstagskind besonders die Milchrosinenbrötchen aus dem Backofen des Handwerksbetriebs.

Edith Quaas sitzt inmitten ihrer Lieben. Die grauen Löckchen sind frisch frisiert, die Garderobe in Marineblau wurde extra für den Ehrentag gekauft. Die Augen sind hellwach. Das Lächeln der Über-Hundertjährigen kommt von tief drinnen. Ihr Geheimrezept für dieses Leben? „Eine erfüllende Arbeit, Bewegung und über nichts ärgern“, sagt die Seniorin – und holt ein paar Erinnerungen aus ihrem Jahrhundert-Leben hervor. Da kann es schon passieren, dass der Kaffee kalt wird.

Ausbildung bei Christoph & Unmack in Niesky

Die Gedankenreise führt zurück ins Jahr 1921. Von den „Goldenen Zwanzigern“ ist noch nichts zu spüren. Die Folgen des Ersten Weltkriegs sind im Land allgegenwärtig: Arbeitslosigkeit, Hunger und Inflation prägen das Leben der Menschen. Edith Quaas' Vater Herrmann arbeitet als Schmied in Niesky, die Mutter verdient Geld mit Näharbeiten für die Ausstattung der Töchter aus den besseren Häusern. Als Kind Nr. 6 kommt Edith auf die Welt.

Nach der Schule geht es für sie mit 14 Jahren nach Niesky in die "Lehre zum Waggonbau". Das Unternehmen Christoph & Unmack stellt neben Land- und Familienhäusern aus Holzfertigteilen auch Schienenfahrzeuge, Motoren, Dampfmaschinen, Kessel und Stahlkonstruktionen her. „Ich war dort Kontoristin, im Büro. Zuerst bin mit dem Rad von Dauban nach Niesky gefahren, dann hatte ich ein kleines Zimmer“, sagt die 102-Jährige.

Mit dem Motorrad zur Arbeit im Konsum gefahren

Die Zeiten sind in Bewegung – in der Welt wie auch unter dem eigenen Dach. Von Dauban zieht die Familie Ende der 1930er-Jahre nach Canitz-Christina. „Mein Bruder brauchte uns. Seine Frau war im Kindbett gestorben“, erinnert sich Edith Quaas.

Zum Tanzen geht’s nach Bautzen mit dem Fahrrad, eine gute halbe Stunde vom Dorf in die Stadt. Im Palast-Café auf der Kaiser-Straße (heute Karl-Marx-Straße) verliebt sich das junge Mädchen in ihren Fritz in Uniform. Der gebürtige Riesaer ist kaserniert in Bautzen - und bald im Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg. Es ist Liebe auf den ersten Blick, zum Standesamt radeln die Zwei nach Purschwitz, 1942 wird Sohn Peter geboren.

Der mittlerweile 80-Jährige rückt an diesem Geburtstagsvormittag neben seine Mutter. Zusammen lassen sich Erinnerungen besser zusammenpuzzeln. Schwester Veronika – sie ist 2012 verstorben – wird 1948 geboren, Michael ist 1954 die Nr. 3. Die Mutter übernimmt in den 1950er-Jahren den Konsum in Kubschütz, auf einer Awo aus dem späteren Simson-Werk in Suhl geht’s in den Laden. „Ich bin gern Motorrad gefahren“, sagt Edith Quaas schmunzelnd. Ihr Mann wird zum Bürgermeister ernannt. Dann erhält er den Parteiauftrag, die LPG in Göda aufzubauen.

Seniorin wohnt noch allein und freut sich über Neues

Die Kollektivierung soll die Landwirtschaft modernisieren. Nebenbei drückt Fritz die Schulbank und studiert Landwirtschaft in Meißen. Edith Quaas wechselt vom Konsum-Ladentisch ins Büro der Einzelhandelsorganisation, erst in Göda, später in Bautzen. Mit über 70 Jahren verabschiedet sie sich aus dem Lohnbuchhalter-Berufsleben. Da ist die DDR schon Vergangenheit. Ihr Mann stirbt schon 1972. Die Familie hält zusammen. Sie zählt inzwischen vier Enkel, sieben Ur-Enkel und zwei Ur-Ur-Enkel.

Und was treibt nun eine 102-Jährige tagein, tagaus? Edith Quaas wohnt allein in ihrer Zwei-Raum-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Göda. Morgens und abends kommt ein Pflegedienst. „Leider wird das Hören und Sehen immer schlechter“, sagt die Seniorin und freut sich trotzdem über jeden Besuch und vor allem Neuigkeiten aus der Familie und dem Dorf. Zweimal in der Woche schauen Nachbarinnen vorbei. Sonntags gibt es zum Plausch immer ein Gläschen Sekt. Und bleibt da noch ein Wunsch? „Ich will wieder ein bisschen mehr laufen“, sagt die Jubilarin. In der Geburtstagsrunde findet sich bestimmt jemand, mit dem sich eine Runde drehen lässt.