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Krimi-Debüt mit 86 Jahren: Christian Schneider jagt den "Wassermannräuber"

Ein ehemaliger DDR-Kampfschwimmer überfällt mehr als 20 Banken. Auf diesem wahren Kriminalfall aus den 1990er-Jahren basiert der erste Kriminalroman von Schriftsteller Christian Schneider aus Grubschütz.

Von Miriam Schönbach
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Christian Schneider hat mit 86 Jahren sein Krimi-Debüt vorgelegt. Sein "Wassermannräuber" basiert auf einem wahren Kriminalfall.
Christian Schneider hat mit 86 Jahren sein Krimi-Debüt vorgelegt. Sein "Wassermannräuber" basiert auf einem wahren Kriminalfall. © Steffen Unger

Grubschütz. Deutschlands erfolgreichste Krimiautorin legte ihren Autoren-Einstand mit knapp 60 Jahren hin. Ingrid Nolls Roman „Der Hahn ist tot“ erzählt von einer Hausfrau, die für ihre große Liebe im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. In Christian Schneiders erstem Krimi fehlen jene spektakulären Morde. Der 86-jährige Schriftsteller hat sich mit „Der Wassermannräuber“ mehr als 30 Jahre nach dem Erscheinen seines ersten Romans nochmal auf ein - für ihn - neues literarisches Genre eingelassen. „Für ein Debüt, finde ich, ist das gerade die richtige Zeit“, sagt der Grubschützer.

Christian Schneider - auf Sorbisch Křesćan Krawc - sitzt in seinem Arbeitszimmer. In hohen Bücherregalen umgibt ihn seine Bibliothek. „Lederstrumpf“ von James Fenimore Cooper findet sich dort genauso wie die großen russischen Erzähler, deutsche Literatur zwischen Erwin Strittmatter und Eugen Ruge sowie eigene Veröffentlichungen. „Meine Braut, Deine Braut“ erschien 1990, sein „Ende vom Paradies“ im Domowina-Verlag wurde zum Beststeller, der Band „Was wir in uns tragen. Sorbische Lebenswege“ porträtiert das Sorbische im 21. Jahrhundert.

Enkel gab den Anstoß für das neue Buch

Ganz oben auf dem Schreibtisch aber liegt sein „Wassermannräuber“. „Mein Enkel gab mir den Anstoß zu dem Buch“, sagt Christian Schneider. Er ärgert sich seinerzeit, dass Oskar nur ungern zu Büchern greift. Juniors Begründung: Es gebe nichts, was ihn interessiere, zudem sei alles viel zu lang. Die Ansage spornt den Großvater an. Er setzt sich hin, skizziert einen Banküberfall und gibt dem Lese-Verweigerer die ersten 20 Seiten zum Lesen. Jener legt das Manuskript nicht gleich wieder aus der Hand, sondern sagt: „Das ist spannend, da kannst Du weiterschreiben.“

Diese Episode ist inzwischen gut fünf Jahre her. Inzwischen überragt der Enkel mit 1,80 Metern den Großvater und studiert in Leipzig fernab der Literatur in Richtung Finanzen und Wirtschaft. Seinen Auftrag hat Christian Schneider aber angenommen.

Die Idee für sein Krimi-Debüt schenkt ihm eine wahre Begebenheit: Ende der 1990er-Jahre macht ein Bankräuber die Sparkassen im Osten Deutschlands unsicher. 28 Überfälle in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kommen auf die Kappe des Bischofswerdaers. Rund 650.000 Mark erbeutet er, und weil der Täter bei den Raubzügen stets eine rote Maske trägt, machen ihn Medien und Polizei schnell zum „Rotkäppchen“.

Nordische Krimiautoren als große Vorbilder

Immer wieder gelingt ihm die Flucht, weil er als gelernter NVA-Kampfschwimmer seinen Verfolgern im Wasser quasi aus den Händen entgleitet – bis zu seiner Festnahme in Weißwasser. Vor Gericht wird er aussagen, dass er mit seiner Beute Finanzlöcher stopfen wollte, um die Privatinsolvenz abzuwenden.

Dieses wahre Leben greift Christian Schneider nun auf und erzählt die fiktionale Geschichte von drei Freunden. „Mich interessiert nicht Mord und Totschlag. Ich wollte aufschreiben, wie jemand kriminell wird, welche Umstände dazu führen, spannend und realistisch“, sagt der Autor.

Seine großen Vorbilder in der Kriminalliteratur sieht er bei den nordischen Autoren. Bei ihnen habe er das Gefühl, dass es nicht um die Jagd der Verbrecher, sondern um die Enthüllung der Motive und gesellschaftlicher Zustände gehe. Auch viele klassische Stoffe würden sich bei Verbrechen bedienen. Mit der tragischen Geschichte um die verbotene Liebe zwischen Romeo und Julia schuf William Shakespeare die berühmteste Liebesgeschichte der Welt – und auch einen Kriminalroman.

Fast 30 Veröffentlichungen in Sorbisch und Deutsch

Gereizt haben den Autoren indes immer Lebensgeschichten. Geboren 1938 in Lömischau hört er schon als Kind gern den Erzählungen der Mutter zu. Nach dem Abitur an der Sorbischen Oberschule studiert er Journalistik, baut den Sorbischen Rundfunk mit auf und wechselt zum Domowina-Verlag. Dort ist der dreifache Vater für die sorbische Kinderzeitschrift „Płomjo“ zuständig. Die Texte testet er bei den eigenen Kindern. Es hat also Tradition, dass Familienmitglieder die ersten Kritiker sind.

Schon in dieser Zeit arbeitet Christian Schneider in den Abendstunden an Romanskizzen, studiert am Literaturinstitut Leipzig und veröffentlicht Geschichten in Anthologien und Kinderbücher. Kurz nach der Wende erscheint sein erster großer Roman „Meine Braut, deine Braut“. Auf knapp 30 Veröffentlichungen in sorbischer und deutscher Sprache schaut er inzwischen zurück. Auch zahlreiche Übersetzungen gehen auf ihn zurück.

Zu diesem umfangreichen Werk stellt er nun seinen ersten Krimi mit 250 Seiten. „An der Stelle muss ich meinen Helfern danken: Ein befreundeter Kriminalhauptkommissar ist das Manuskript durchgegangen. Auch meine Lektorin Karin Damaschke hat sich meinem Text wie eine akribisch arbeitende Kriminalistin gewidmet“, sagt der Schriftsteller. Übrigens: Der Enkel hat das Buch inzwischen auch in Gänze gelesen.

Christian Schneider legt sein Debüt auf den Stapel zu den anderen Büchern. Nach seinem ersten Kriminalfall hätte er schon Lust, ein weiteres Exemplar hinzuzufügen – ganz nach dem Vorbild von Ingrid Noll. Die Grande Dame der Kriminalliteratur schreibt auch mit 88 Jahren noch über heimtückische Frauen und die Abgründe der Menschen.

Christian Schneider, „Der Wassermannräuber“, erschienen im Oberlausitz-Verlag.