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Streit um Finanzierung von Bautzener Flüchtlingsfestival

Ab Mittwoch sollen Flüchtlinge aus der Ukraine und anderen Ländern gemeinsam in Bautzen auf der Bühne stehen. Doch der Finanzausschuss hat die Finanzierung kurzfristig abgelehnt.

Von Tim Ruben Weimer
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Ein Höhepunkt des Festivals ist die Tanzvorstellung "Wir sind keine Objekte, wir sind keine Ziffern, wir sind kein Fleisch" der ukrainischen Regisseurin Yana Humenna.
Ein Höhepunkt des Festivals ist die Tanzvorstellung "Wir sind keine Objekte, wir sind keine Ziffern, wir sind kein Fleisch" der ukrainischen Regisseurin Yana Humenna. © Archivfoto: Thespis-Zentrum/Anastasia Tarchanowa

Bautzen. Es soll ein Theaterfest der Kulturen werden, bei dem Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern gemeinsam auf der Bühne stehen, an Vorträgen und Diskussionen teilnehmen oder Musik machen. Ab kommendem Mittwoch gastieren unter anderem das Deutsche Theater Berlin, die Münchner Kammerspiele und viele internationale Gäste auf Einladung des Thespis-Zentrums und des Deutsch-Sorbischen Theaters in Bautzen. Das Thespis-Zentrum bringt im Festival "Willkommen anderswo 5 - Heimatraum" Flüchtlinge verschiedener Länder und Deutsche in Theaterprojekten zusammen.

Doch kurz vor Beginn des Festivals stellt sich der Stadtrat quer. Bereits Ende Juni hat die Stadt 19.900 Euro bei der Kulturstiftung des Freistaats als Fördermittel bewilligt bekommen - zweckgebunden als Zuschuss für das geplante Theaterfestival, das insgesamt 24.900 Euro kosten soll. Der Finanzausschuss der Stadt Bautzen sollte am 4. Oktober der Weiterleitung des Geldes an das Theater zustimmen, verfehlte aber die Mehrheit. Drei der sechs anwesenden Stadträte stimmten dagegen, darunter Sieghard Albert und Udo Pillasch von der AfD sowie der fraktionslose Stadtrat Dirk Lübke.

"Fügt unserer Stadt allergrößten Schaden zu"

"Wir haben mit großem diplomatischen Aufwand Referenten aus der Ukraine geholt und Gäste aus ganz Deutschland zu den 19 Veranstaltungen eingeladen", erklärte Theater-Intendant Lutz Hillmann im Stadtrat am Mittwoch. "Wenn wir das Festival jetzt absagen, fügt das unserer Stadt allergrößten Schaden zu. Ich will mir nicht ausmalen, was dann durch die nationale Presse rauscht."

Weshalb drei der stimmberechtigten Stadträte gegen die Weiterleitung des Geldes an das Theater votierten, könne sich Hillmann nicht erklären. "Mir wurde gesagt, die Abstimmung im Finanzausschuss wäre reine Formsache." Inhaltliche Kritik an dem Festival habe er unter den Stadträten nicht wahrgenommen.

Kritik an Stadtverwaltung: Beschluss nur "durchwinken"

AfD-Fraktionsvorsitzender Sieghard Albert kritisiert, der Finanzausschuss habe den Beschluss nur noch "durchwinken" sollen, und das nicht zum ersten Mal. Das Vorhaben hätte bereits vor der Antragstellung der Fördermittel im Finanzausschuss behandelt werden müssen. Stadtrat Dirk Lübke ergänzt, die Beschlussvorlagen seien dem Stadtrat und seinen Ausschüssen nur eine Woche vorab ausgehändigt worden, sodass eine inhaltliche Beschäftigung mit dem Festival schwierig gewesen sei.

Außerdem habe Finanzbürgermeister Robert Böhmer (parteilos) wichtige Fragen nicht beantworten können. "Es gab zum Beispiel keine Erklärung von der Verwaltung, warum die Stadt die Fördermittel beantragt hat und nicht der Landkreis", obwohl das Theater ein Eigenbetrieb des Landkreises ist.

Kritik am Festival steht nicht im Mittelpunkt

FDP-Stadtrat Mike Hauschild - selber Mitglied im Finanzausschuss aber am Abstimmungstag nicht anwesend - bezeichnet das Votum als "Stellvertretergefecht": "Man wollte der Verwaltung eins auswischen. Im Bautzener Stadtrat hat es sich eingeschlichen, dass man von der Sachpolitik weggekommen und nur noch bockig ist."

Die Kritik an der Stadt teile er aber: "Die Verwaltung hat es versäumt, die Vorlage rechtzeitig einzureichen. Es gab aus meiner Sicht keinen Grund, warum wir das nicht schon beschließen konnten, als der Fördermittelbescheid kam." Das wäre Ende Juni gewesen. Die Stadt erklärt dazu, eine frühere Beschäftigung mit dem Thema sei durch "verwaltungsinterne Abläufe" nicht möglich gewesen.

Szene aus dem Stück "Heilung".
Szene aus dem Stück "Heilung". © Thespis-Zentrum/Anastasia Tarcharowa

Die Ablehnung durch den Finanzausschuss trifft aber auch bei den Stadträten auf Kritik. "Es kostet uns doch nichts, die Fördermittel einfach an das Theater durchzuwinken", kritisiert CDU-Stadtrat Bodo Thiemann. Die Linken-Stadträtin Andrea Kubank erklärte, es sei wichtig, sich gerade in diesen Zeiten damit auseinander zu setzen, wie man zusammen mit den Geflüchteten in der Stadt leben könne. "Deshalb ist es ganz wichtig, dass dieses Festival stattfindet."

Festival findet statt - Theater geht in Vorleistung

Das Festival abzublasen, ist für Theaterintendant Lutz Hillmann keine Option. Mit seinem Theater geht er nun finanziell in Vorleistung. Am 30. November debattiert der Stadtrat auf Antrag der FDP erneut über die Finanzierung, das Festival ist da bereits vorbei. Hillmann gibt sich optimistisch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Stadtrat das dann noch ablehnen wird."

Eine Garantie will Oberbürgermeister Karsten Vogt (CDU) dem Intendanten dafür nicht geben. "Sie können aber das Vertrauen haben, dass das Thema im Stadtrat behandelt wird. Auch ich hoffe, das wir unserer Stadt keinen Schaden zufügen." Auch der Leiter des Thespis-Zentrums Georg Genoux geht nicht davon aus, auf dem Geld sitzen zu bleiben: "Ich bin mir sicher, dass bei den Stadträten genug Verantwortungsgefühl vorhanden ist, um das Geld noch zu bewilligen."

Am Mittwoch führen geflüchtete Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren das Theaterstück "Dreimärchenraum" auf.
Am Mittwoch führen geflüchtete Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren das Theaterstück "Dreimärchenraum" auf. © Thespis-Zentrum/Alina Kobernik

Kritik an dem Festival gibt es dennoch. Statt das Geld für ein Theaterfestival auszugeben, sollte es besser für die Ukrainer vor Ort oder in angrenzenden Ländern ausgegeben werden, sagt AfD-Stadtrat Sieghard Albert. "Diese finanzielle Hilfe ist zurzeit sicherlich wert- und sinnvoller." Auch Stadtrat Dirk Lübke zeigt sich unzufrieden: "Wenn man schon so etwas Völkerverständigendes macht, hätte man auch die Russen einbeziehen müssen." So hätte man zum Beispiel den Bautzener Majak-Verein in die Planung einbeziehen können, der russische Spätaussiedler unterstützt. Der Hauptgrund für sein Votum gegen die Fördermittel sei das aber nicht gewesen.

Intendant Lutz Hillmann hält die Kritik für "Unsinn". "Wir haben in der Ukraine einen Krieg, während in Russland noch alle Städte stehen." Bei dem Festival ginge es um den Austausch zwischen Flüchtlingen untereinander und mit den Einheimischen. "Wir versuchen der Enklaven-Bildung entgegenzuwirken", sagt Hillmann. "Solch ein Projekt gibt es in Deutschland noch nicht. Es wird Bautzen sehr guttun."