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Wer profitiert im Kreis Bautzen vom neuen Mindestlohn?

Ab 1. Oktober steigt der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde. Was Gewerkschaften, Verbände und Arbeitgeber dazu sagen.

Von David Berndt
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Laut dem DGB profitieren in Ostsachsen Mitarbeiter von Lieferdiensten, im Gastgewerbe und Einzelhandel vom neuen gesetzlichen Mindestlohn. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten nennt unter anderem auch Beschäftigte in Fleischereien.
Laut dem DGB profitieren in Ostsachsen Mitarbeiter von Lieferdiensten, im Gastgewerbe und Einzelhandel vom neuen gesetzlichen Mindestlohn. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten nennt unter anderem auch Beschäftigte in Fleischereien. © Symbolfotos:  dpa (3), Christian Juppe

Bautzen. Zwölf Euro pro Stunde. Das ist der neue gesetzliche Mindestlohn, der ab dem 1. Oktober gelten wird. Noch liegt er bei 10,45 Euro. Aber wie viele Menschen im Kreis Bautzen profitieren von dem neuen Mindestlohn? Und was sagen Gewerkschaften und Arbeitgeber dazu? Sächsische.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie viele Menschen im Kreis Bautzen profitieren vom neuen Mindestlohn?

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht davon aus, dass der neue Mindestlohn 41.731 Beschäftigten im Kreis Bautzen zugutekommt. Der DGB Ostsachsen stützt sich dabei auf die Daten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung. Demnach bekommen 33,6 Prozent der Beschäftigten im Kreis Bautzen Mindestlohn und somit ab Oktober mehr als bisher.

Zu anderen Zahlen kommt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Thomas Lißner, Geschäftsführer der NGG-Region Dresden-Chemnitz, bezieht sich auf die Zahlen des Pestel Instituts aus Hannover, die vor einem halben Jahr erhoben wurden. So „profitieren von dem neuen Mindestlohn im Landkreis Bautzen 30.640 Menschen. Das sind 23 Prozent aller Beschäftigten.“

Für welche Branchen spielt der neue Mindestlohn eine Rolle?

Der DGB Ostsachsen erklärt, dass der neue Mindestlohn vor allem Frauen und geringfügig Beschäftigten helfe, etwa im Gastgewerbe, bei Lieferdiensten und im Einzelhandel.

Thomas Lißner von der NGG nennt Beschäftigte im Bäckerhandwerk oder in den Fleischereien sowie in Hotels und Gaststätten, die nicht tarifgebunden sind. Genau das gilt für viele weitere Branchen. Denn in den meisten Fällen gibt es jeweils Branchenmindestlöhne, die teils deutlich über zwölf Euro liegen. Das betrifft etwa die meisten Handwerke, die Pflege oder die Leiharbeit.

Einzig die Fleischwirtschaft liegt hier mit elf Euro pro Stunde aktuell unter dem neuen gesetzlichen Mindestlohn. Im Baugewerbe gab es bis Ende 2021 Branchenmindestlöhne, die über zwölf Euro lagen.

Daran habe sich auch nichts geändert, sagt Klaus Bertram, Hauptgeschäftsführer des sächsischen Baugewerbeverbandes. „Alle Beschäftigten verdienen nach wie vor deutlich mehr als zwölf Euro. Ich rechne auch damit, dass es bei uns neue Branchenmindestlöhne geben wird.“

Wie bewerten die Gewerkschaften den neuen Mindestlohn?

Dana Dubil, Regionsgeschäftsführerin des DGB Ostsachsen, sieht den Mindestlohn als Erfolg der Gewerkschaften, die sich lange dafür eingesetzt hätten. „Der gesetzliche Mindestlohn ist auch ein Mittel gegen Lohndumping-Konkurrenz durch Unternehmen, die sich Tarifverträgen verweigern.“ Doch trotz des neuen Mindestlohns gebe es gute Löhne nur mit Tarifverträgen. Das müsse gestärkt werden. Und ob zwölf Euro pro Stunde für die Beschäftigten reichen, um die gestiegenen Energiekosten zu zahlen, sei sehr fraglich.

Das sieht auch Thomas Lißner so, daher fordert er deutlich höhere Löhne. Die Erhöhung sei überfällig gewesen, aber: „Zwölf Euro Mindestlohn sind nicht armutsfest, weder für ein gutes Leben heute noch für die Rente später.“ Zumal es je nach Familiensituation oder der Steuerklasse Unterschiede gibt, wie viel vom neuen Bruttomindestlohn übrig bleibt. „Zum Teil kam es bei Mindestlohnerhöhungen auch vor, dass Arbeitszeiten geändert oder verringert wurden. Dann hat der oder die Betroffene auch nichts davon“, so Lißner.

Die Verdi-Forderung für den neuen Mindestlohn lag gar bei 13 Euro, sagt Jörg Förster, Sprecher des Verdi-Landesbezirks Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Doch selbst dies sei „vor dem Hintergrund der aktuellen Preisentwicklungen nicht mehr zeitgemäß“.

Was sagen Arbeitgeber und Verbände zum neuen Mindestlohn?

Egal ob Handwerk, Handel oder Mittelstand - fast alle der von Sächsische.de befragten Arbeitgeber und Verbände sagen: Die meisten Mitarbeiter bekämen jetzt schon mehr als zwölf Euro.

So widerspricht David Tobias, Geschäftsführer des Handelsverbandes Sachsen, den Gewerkschaften. „Der Einzelhandel ist keine Niedriglohnbranche.“ Etwa zwei Drittel der Beschäftigten würden unter den Tarifvertrag fallen beziehungsweise sich deren Arbeitgeber am Flächentarifvertrag orientieren.

Axel Klein, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Sachsen, erklärt, dass es im Gastgewerbe in diesem Jahr zwei Tarifsteigerungen gab, um insgesamt 18 bis 20 Prozent. Der Mindestlohn im Gastgewerbe soll demnach auf 12,99 Euro steigen.

Axel Klein macht aber auch klar, dass die Wirte die gestiegenen Personalkosten erstmal verdienen müssen. Hinzu kommen Preissteigerungen beim Wareneinkauf oder den Energiekosten. Der Mindestlohn sei zwar eine gute Maßnahme, doch der Staat sollte hier besser nicht eingreifen. „Das müssen die Tarifpartner miteinander klären.“

Wilfried Rosenberg sieht es ähnlich. „Für Unternehmen ist es in vielen Fällen leichter, gemeinsam Lösungen mit den Betriebsräten zu finden“, sagt der Leiter des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft Oberlausitz. Hier in der Region bräuchten die Firmen ohnehin keine ungelernten Hilfskräfte, die jetzt zwölf Euro verdienen, sondern Fachkräfte. Aber die würden fehlen.

Uwe Uhlmann, Geschäftsführer des Sächsischen Fleischer-Innungsverbandes, macht auf ein anderes Problem aufmerksam: „Wenn der Abstand zwischen Hilfs- und Fachkraft bislang zum Beispiel fünf Euro pro Stunde betrug, wollen die Fachkräfte natürlich, dass es so bleibt.“ Durch den Mindestlohn könne sich also das gesamte Lohngefüge verändern.

Der Bautzener Bäckermeister Christian Bäns, Vorstandsmitglied in der Bäckerinnung, verweist auf die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise. Wenn dazu auch noch höhere Personalkosten kommen, werde es für die Bäcker noch schwieriger, als es schon ist. „Wir können auch nicht alle Erhöhungen auf unsere Preise umlegen. Dann kaufen die Leute nichts mehr.“