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Steinhaus-Chef verlässt Bautzen: "Ich mag die Stadt, die Menschen, ihre Konflikte"

Nach über 20 Jahren hat sich Steinhaus-Geschäftsführer Torsten Wiegel eine neue Herausforderung gesucht. Für seine Wahlheimat Bautzen hat er einen besonderen Wunsch.

Von Miriam Schönbach
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Der langjährige Steinhaus-Chef Torsten Wiegel hat sich aus Bautzen verabschiedet. Seit 1. September ist er Fachbereichsleiter Kunst und Kultur in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg.
Der langjährige Steinhaus-Chef Torsten Wiegel hat sich aus Bautzen verabschiedet. Seit 1. September ist er Fachbereichsleiter Kunst und Kultur in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg. © Steffen Unger

Bautzen. Sein Name war mehr als 20 Jahre mit dem Bautzener Steinhaus verbunden. Nun hat der langjährige Geschäftsführer Torsten Wiegel seinen Schreibtisch geräumt, um sich nochmals einer neuen Herausforderung zu stellen. Als Fachbereichsleiter Kunst und Kultur kümmert er sich nun unter anderem um zehn städtische Kultureinrichtungen in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg. Mit Sächsische.de sprach der 54-Jährige über sein Bautzen, seine Zukunft und eine Stadt, die er mit Wehmut verlässt.

Herr Wiegel, nach über 20 Jahren sagen Sie Bautzen und dem Steinhaus „Tschüss“. Wie fühlt sich der Abschied nach so langer Zeit an?

Es ist schon Wehmut dabei. Vieles von dem, was ich hier über die lange Zeit gemacht habe, hat mir Spaß gemacht, hat mich ausgemacht. Wehmut kommt auch auf aufgrund vieler positiver Rückmeldungen von Menschen. Das gab mir schon das Gefühl - auch wenn es pathetisch klingt -, Spuren hinterlassen zu haben. Und es zeigt, dass vieles von dem, was wir versucht haben aufzubauen, eine Wirksamkeit entfaltet hat. Das ist etwas, das ich im neuen Arbeitsfeld erst schaffen muss.

Dieses neue Arbeitsfeld führt Sie nach Magdeburg...

Ich übernehme die Fachbereichsleitung Kunst und Kultur. Dort bin ich für insgesamt 130 Mitarbeitende verantwortlich. Dazu gehören Kultureinrichtungen der Stadt, aber auch die Themen Personal, Verwaltung, Förderung der freien Szene, Großprojekte.

Was hat Sie gelockt?

Magdeburg ist aus meiner Sicht eine unterschätzte Stadt mit großem Potenzial und einer sehr reichen Kulturgeschichte, ausdifferenzierten Kulturlandschaft und einem modernen Kulturkonzept. Dass der Chip-Gigant Intel jetzt nach Magdeburg kommt, wird die Stadt verändern, wird noch einmal andere Möglichkeiten, aber auch Aufgaben bringen. Da freue ich mich wirklich drauf. Für mich heißt das, dass ich sehr viel mehr kulturpolitische und strategische Gestaltungmöglichkeiten habe.

Trotzdem lassen Sie ja Einiges in Bautzen zurück?

Ich mag die Stadt, die Menschen, ihre Konflikte und Kontroversen und das Ringen um Lösungen im Großen und im Kleinen. Ich verlasse etwas, was ich liebe. Es ist aber eine Vernunft-Entscheidung in zwei Richtungen - in Bezug auf den Trägerverein "Steinhaus", der immer wieder neues Potenzial und neue Ideen tanken muss für das, was ansteht, genauso wie für mich persönlich. Nach über 20 Jahren habe ich das Gefühl, mich noch einmal weiterentwickeln zu können, zu müssen, zu sollen.

Lassen Sie uns zurückblicken. Wie haben Sie Bautzen zu Beginn Ihrer Arbeit erlebt?

Ich wusste zum Teil aus Erzählung, zum Teil durch eigenes Erleben von den ständigen Auseinandersetzungen zwischen rechts und links. Zudem waren es andere politische Verhältnisse als heute. Wir hatten eine sehr dominante CDU mit entsprechenden Vorlieben oder Nicht-Vorlieben, die die Arbeit des Hauses natürlich betrafen.

Das heißt, es war von Anfang an meine Aufgabe, dafür zu werben, dass wir nicht – aus einer subkulturellen oder ideologischen Bewegung heraus – nur ein Schutzraum für Wenige sein wollen. Stattdessen haben wir im Team versucht, die Stadtgesellschaft davon zu überzeugen, dass unsere Arbeit nicht nur für uns selbst relevant und chancenreich ist.

Trotzdem gab und gibt es immer wieder Diskussionen über die Arbeit des Steinhauses...

Wenn sich eine Stadtgesellschaft im Bereich der freiwilligen Leistungen durch die Finanzierung an so einer Einrichtung maßgeblich beteiligt, sind Diskussionen völlig legitim. Es gab immer Stadträte wie andere Multiplikatoren, die unsere Strategie vom soziokulturellen Zentrum mitgetragen haben. Für alle, die die Welt durch Ideologie-Brillen sehen, ist Soziokultur natürlich eine Projektionsfolie für links-grüne Gutmenschen, die staatlich alimentiert nur das tun, was sie selber gut finden und alle anderen ausschließen.

Ich glaube, das kann man diesem Haus nicht vorwerfen. Wir waren immer gesprächsbereit, haben aber immer klare Grenzen bei Demokratiefeindlichkeit, Extremismus und menschenverachtenden Tendenzen gezogen. Über alles andere konnte man immer mit uns reden.

Aber?

Wir haben auch Formate auf den Weg gebracht, für die wir zunächst von allen Seiten Prügel bekommen haben. Wir haben uns trotzdem diesen Aufgaben gestellt, aus verhärteten Fronten lässt sich nichts bewegen. Das halte ich aber für wichtig, wenn man in einer pluralen Welt zu Verabredungen kommen möchte. Das Steinhaus wird weiter an solch breit aufgestellten Konzepten arbeiten, ohne zu vernachlässigen, dass es immer ein Schutzraum für Menschen in schwierigen Situationen bleiben muss. Denn das Steinhaus ist keine One-Man-Show. Das Team – Menschen mit Leidenschaft, Ideen und Kraft – hat in der Stadt viel bewegt.

Wo steht aus Ihrer Sicht das Steinhaus 2023?

Ich glaube, viel weiter in der Mitte als zu Beginn meiner Arbeit. Ich glaube, dass es selbst bei Leuten, die uns nicht immer gewogen sind, eine Akzeptanz für unsere Arbeit und unsere Fachlichkeit gibt. Wir haben uns neben dem Tagesgeschäft um thematische Projekte, Netzwerke und andere Dinge gekümmert. Ich sage die Stichworte „Engagierte Stadt“ und „1000 Jahre Friede von Bautzen“.

Darüber hinaus unterstützen wir die Stadt konzeptionell wie technisch in einigen kulturellen Belangen. Wir sind ein Ort, der überregional, auf Kulturraum- als auch auf Landesebene sehr anerkannt ist. Ganz unterschiedliche Gruppen haben im Steinhaus ihr Zuhause gefunden, die deutsch-polnische Community zum Beispiel genauso wie die Musikerszene.

Und was wird für Sie aus Bautzen bleiben?

Bautzen hat mich entscheidend in meiner beruflichen Entwicklung geprägt, mit den reichen Erfahrungen, die ich sammeln durfte, manchmal auch musste. Mir bleiben viele Freundschaften, sehr spannende, kluge Leute. Aus meiner Sicht haben wir viel mehr Potenzial in dieser Stadt, als es im Moment gelingt, sichtbar zu machen. Ich wünsche der Stadt, dass sie dieses Potenzial heben kann und dass man dem Trend des Wegzugs kluger Köpfe, dem demografischen Wandel wirksam begegnen kann. Ich habe da kein Patentrezept, aber ein ständiges Gegeneinander ist nicht zukunftsfähig.