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"Unkreativ, verantwortungslos, hilflos"

Der Löbauer Zahnarzt Arndt Müller wirft MP Michael Kretschmer schwere Versäumnisse in der Corona-Politik vor - und glaubt, dass dieser auch andere Ziele verfolgt.

Von Markus van Appeldorn
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Der Löbauer Zahnarzt Dr. Arndt Müller kritisiert Ministerpräsident Michael Kretschmer für dessen Corona-Politik.
Der Löbauer Zahnarzt Dr. Arndt Müller kritisiert Ministerpräsident Michael Kretschmer für dessen Corona-Politik. © Markus van Appeldorn

Der Löbauer Zahnarzt Dr. Arndt Müller versteht sich nicht als "Corona-Rebell" oder "Corona-Leugner". Er steht nicht Flagge schwenkend an der B96, besucht keine "Querdenker"-Demos, wo Verschwörungs-Theorien ins Kraut schießen - und als Arzt ist er auch gegen alles Mögliche geimpft. Dennoch, er äußert scharfe Kritik gegen die Corona-Politik. Gegen das Virus getroffene Maßnahmen seien teils schlicht die falschen - gesundheitspolitisch unsinnig und verfassungsrechtlich bedenklich. Deshalb hat er jetzt einen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) geschrieben.

"Die politischen Maßnahmen sind völlig unangemessen gegen das Problem", sagt Arndt Müller. Im Sommer seien zwei wesentliche Dinge verschlafen worden. Das sei zum einen die Sicherung der Alten. "Diese Menschen sind ja nicht im Altenheim, weil sie so fit sind", sagt er. Das Personal hätte frühzeitig geschult werden müssen - besonders auch in Sachen Hygiene. Und da kenne er sich aus. "Ich bin Implantologe, deshalb herrschen in meiner Praxis noch schärfere Hygiene-Bestimmungen als in einer normalen Zahnarztpraxis. "Es ist kein Wunder, dass kein schwerer Corona-Verlauf bei einem Zahnarzt bekannt ist", sagt er und: "Bei gezielten Maßnahmen wäre es nie zu solchen Massenausbrüchen in Altenheimen gekommen", ist sich Dr. Müller sicher. Stattdessen aber habe man aus "Solidarität" allen Menschen einen Lockdown verordnet. "Man muss Hotspots erkennen und dort handeln - und nicht alle wegsperren", sagt er.

Die Kehrtwende bei der Impfpflicht

Schwere Versäumnisse sieht er zweitens in der Bildungspolitik beim Umgang mit den Schulen in der Corona-Krise. "Man hätte ordentliche digitale Lernplattformen schaffen müssen", sagt Müller. Mit der Einrichtung des Systems "Lernsax" dagegen habe die Staatsregierung in diesem Punkt "völlig versagt".

In seinem Brief nun wirft Arndt Müller dem Ministerpräsidenten Inkonsequenz bei seiner Haltung zu Impfungen vor. Noch im Mai 2020 - also bevor überhaupt ein Impfstoff auf dem Markt war - habe sich Michael Kretschmer klar gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. "Sie bezeichneten das Gerede zur Impfpflicht als absurde und bösartige Behauptung", schreibt Müller an den Regierungschef. Der habe damals auch gefordert, Leuten, die solche Behauptungen aufstellen, "gemeinsam entgegenzutreten".

Jüngst aber habe Kretschmer eine Kehrtwende vollzogen und erklärt, die Frage nach einer Impfpflicht neu überdenken zu wollen. Arndt Müller ist kein Impfgegner, bezeichnet sie in seinem Brief auch als "guten Weg aus der Corona-Krise", aber: Nach dem Grundgesetz müsse jeder Mensch selbst frei entscheiden dürfen, ob er geimpft werden wolle oder nicht. "Viel besser wäre es, mit einer klugen Politik zu überzeugen und zu motivieren", schreibt er an den Ministerpräsidenten. In Bezug auf die steigenden Wünsche nach Öffnungen und der Existenznot vieler Menschen nennt Müller das politische Agieren des Ministerpräsidenten "unkreativ, verantwortungslos, von Angst getrieben und fast schon hilflos".

Corona-Politik als Vehikel für andere Ziele?

Dr. Arndt Müller rügt das Vorgehen der gesamten deutschen Corona-Politik als verfassungsrechtlich bedenklich. "Die Gesprächsrunden von Frau Merkel mit den 16 Länderchefs setzen nach dem Infektionsschutz-Gesetz die Parlamente in den Schatten", schreibt er. Von der Regierung ausgewählte Fachwissenschaftler würden das Regieren prägen - ohne irgendein Mandat vom Wähler.

Er ist überzeugt, dass von der Regierung als missliebig empfundene Experten nicht gehört würden. "Es ist politisch ganz gruselig und schlimm. Wenn eine andere Meinung vertreten wird, wird man nicht gehört, ignoriert oder stigmatisiert", sagt Müller im Gespräch mit SZ. Und er ist auch überzeugt, dass die eingeschlagene Corona-Politik als Vehikel für andere politische Entscheidungen dienen könnte, die mit Corona nichts zu tun haben. Als Beispiel nennt Müller in seinem Brief an Kretschmer eine Äußerung des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Der habe jüngst in einem Interview erklärt, dass "Erfahrungen aus der Pandemie für Verbote zum Erreichen definierter Klimaziele auch möglich werden, wenn die Freiwilligkeit nicht ausreichen sollte", schreibt er und schließt daraus: "Die Krise dient als Katalysator, um politische Ziele durchzusetzen, die ohne Corona-Angst nicht durchsetzbar wären.

SZ hat Ministerpräsident Michael Kretschmer um eine Antwort oder Stellungnahme zu dem Brief gebeten. Nach Angaben der Staatskanzlei hat der Ministerpräsident den Brief noch nicht erhalten. SZ wird weiter berichten.

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