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„Ich muss unpopuläre Entscheidungen treffen“

Ministerpräsident Michael Kretschmer rutscht in der Gunst der Bürger ab. Er sieht dafür vor allem einen Grund.

Von Gunnar Saft
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Erstmals seit seinem Amtsantritt sind die enttäuschten Bürger jetzt in der Mehrheit: Nur noch 38,1 Prozent äußern sich zufrieden über den Ministerpräsidenten, 46 Prozent sind dagegen unzufrieden.
Erstmals seit seinem Amtsantritt sind die enttäuschten Bürger jetzt in der Mehrheit: Nur noch 38,1 Prozent äußern sich zufrieden über den Ministerpräsidenten, 46 Prozent sind dagegen unzufrieden. © dpa/Robert Michael

Seit seinem Amtsantritt im Dezember 2017 machte er in einem Punkt sogar die eigene Partei neidisch: Als sächsischer Ministerpräsident lag der CDU-Politiker Michael Kretschmer in Meinungsumfragen immer ganz weit vorn. Ein Großteil der Sachsen honorierte den neuen Stil des heute 45-Jährigen: Locker, nicht auf den Mund gefallen und immer bürgernah. Dinge, die man von seinen beiden Amtsvorgängern so nicht gewohnt war.

Diese öffentliche Zustimmung war bei der Landtagswahl 2019 womöglich sogar wahlentscheidend. Während sich CDU und AfD in Sachsen monatelang ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, kam Christdemokrat Kretschmer als Spitzenkandidat auf fast doppelt so hohe Werte wie seine Partei. Am Ende gewann die CDU die Wahl.

Doch das war einmal. Bei den von der Sächsischen Zeitung und den Meinungsforschern von Civey seit einem knappen Jahr regelmäßig erhobenen Beliebtheitswerten des sächsischen Ministerpräsidenten kam es Ende 2020 zum deutlichen Meinungsumschwung. Die Zufriedenheit mit der Arbeit des Politikers sinkt. Kurz nach Weihnachten waren die Gruppen, die einerseits Kretschmers Arbeit loben und jene, die mit ihr unzufrieden sind, erstmals gleich groß. Nach dem Jahreswechsel kam es für den Regierungschef noch härter: Erstmals seit seinem Amtsantritt sind die enttäuschten Bürger jetzt in der Mehrheit: Nur noch rund 38 Prozent äußern sich zufrieden über den Ministerpräsidenten, rund 47 Prozent sind dagegen unzufrieden. Etwa jeder Sechste ist bei dieser Frage unentschieden (siehe Grafik).

Konfrontiert mit diesen Umfrageergebnissen reagiert Michael Kretschmer diese Woche im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung nachdenklich. Vor allem verweist er dabei auf die Corona-Krise. „Warum die Zustimmung sinkt? Das hat bestimmt auch etwas damit zu tun, dass die Entscheidungen, die ich jetzt treffen muss und für die ich auch stehe, unpopulär sind.“ Und er fährt fort. „Wer möchte schon gerne erleben, wenn er ein Geschäft hat, dass der Laden geschlossen wird. Wer möchte erleben, dass er mit seiner Familie nicht gemeinsam unterwegs sein kann, sondern dass es Einschränkungen gibt, dass die Schule geschlossen wird. Ich sehe das auch bei mir zu Hause. Bei allem Verständnis, dass wir uns vor Corona schützen müssen: Es ist unglaublich nervig, anstrengend und kostet sehr, sehr viele Kräfte. Zum Beispiel Homeschooling zu Hause zu machen. Daher verstehe ich das.“

Doch in der Sache selbst will der Politiker trotzdem Kurs halten. „Die Situation ist viel dramatischer, als wir es in der Bevölkerung spüren. Ich war erst heute in der Marktkaufhalle, kurz etwas einkaufen. Da stand ein Pulk an Menschen mit Kaffee da und hat sich unterhalten. Ich sehe, wenn ich aus dem Fenster schaue, Handwerker, die zu viert ohne Masken aus einem Kleinbus steigen. Das ist absolut fahrlässig und zeigt, dass die Dramatik, die ich spüre und die ich anhand der Gespräche mit Wissenschaftlern empfinde, in weiten Teilen der Bevölkerung noch nicht vorhanden ist.“

Doch gibt es nicht auch noch andere Gründe für den schwindenden Rückhalt? Nach drei Jahren Amtszeit droht immerhin ein Gewöhnungseffekt, bei dem die Vorzüge eines Politikers nicht mehr so stark ins Gewicht fallen, Fehler dagegen umso mehr. Und was ist mit dem Vorwurf, gerade in der neuen sächsischen Dreier-Koalition aus CDU, Grünen und SPD könne sich auch ein Michael Kretschmer immer weniger als souverän agierender Kabinettschef durchsetzen? Nagt wirklich nur Corona am Stimmungsbild?

„Natürlich muss man mehr Kompromisse machen, die dann nicht die einhellige Zustimmung finden“, verweist er zunächst auf die Koalition. „Auf der anderen Seite denke ich schon, dass das dominierende Thema der letzten Monate und gerade der letzten zwölf Wochen vor allem Corona und die damit verbundenen Verschärfungen ist. Wir haben das Glück gehabt, im Sommer die Menschen in Ruhe lassen zu können. Jetzt hat sich das Blatt gedreht, jetzt müssen wir sehr restriktiv vorgehen und das sorgt nicht für Jubelstürme.“

Corona-Maßnahmen wirken

Bedenken hat Sachsens Regierungschef deshalb offenbar nicht, zumal er mittlerweile auch erste Erfolge durch die Corona-Maßnahmen sieht. Deshalb: „Man sollte sich nicht von einzelnen Umfragewerten beeindrucken lassen. Es muss insgesamt stimmen. Wir haben eine Demokratie, die Macht und Mandat auf Zeit vergibt. In der Zeit muss man unabhängig von Wahlen die Dinge so entscheiden, wie sie sein müssen. Und dann wird am Ende abgerechnet.“

Vor weiterer Kritik schützt ihn das freilich nicht. So sorgt seine Ankündigung, am kommenden Donnerstag per Videokonferenz mit Corona-Leugnern zu diskutieren, von denen einige kürzlich sogar vor seinem Privathaus standen, für Empörung. Die Linke hält Kretschmer vor, nur um zu gefallen, würde er sogar noch den Kakao trinken, durch den ihn diese Menschen ziehen. Als Ministerpräsident müsse er seine Zeit aber sinnvoller nutzen und endlich mal diejenigen an einen Runden Tisch holen, die von den Corona-Eindämmungsmaßnahmen am härtesten betroffen sind.