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Es geht nicht um Sonderrechte

Jens Spahn verspricht mehr Freiheiten für Geimpfte. Das ist richtig, denn es geht um Grundrechte und Existenzen. Ein Kommentar.

Von Marcus Thielking
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© Marius Becker/dpa/SZ

Man kann es nicht oft genug wiederholen: In einem freien Rechtsstaat muss man nicht begründen, warum etwas erlaubt wird – sondern umgekehrt: Jedes Verbot setzt triftige Gründe voraus. Nach diesem Prinzip ist die Debatte über Freiheiten für Geimpfte zu verstehen, die jetzt durch einen Vorstoß von Gesundheitsminister Spahn wieder laut wird.

Der Begriff „Sonderrechte“, der hier und da zu hören ist, zeigt schon, wie verdreht manche Maßstäbe sind. Es geht nicht um Sonderrechte, sondern um Grundrechte. Ja, es gab und gibt gute Gründe, einige dieser Freiheiten vorübergehend einzuschränken, um die Pandemie zu kontrollieren. Doch sobald diese Gründe entfallen, müssen auch die Freiheiten wieder gelten. Warnungen vor einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ oder vor einer „Impfpflicht durch die Hintertür“ wirken kleinlich. Bedroht sind nicht nur abstrakte Grundrechtsideale, sondern ganz konkret nackte Existenzen.

Deshalb ist es richtig, dass Geimpfte wieder in Restaurants oder Theater gehen dürfen. Und sobald die dritte Welle gebrochen ist und die Impfquote steigt, ist die Politik verpflichtet, so schnell wie möglich auch allgemeine Verbote aufzuheben. Bei aller gebotenen Vorsicht: Der Maßstab kann nicht sein, dass kein Mensch krank wird oder stirbt. Wenn die Impfstoffe halten, was sie versprechen, wenn also keine Überlastung der Krankenhäuser mehr droht und Risikogruppen geschützt sind, dann muss auch der Rechtsstaat halten, was er verspricht.

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