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"Liebe Eltern, bitte bewahren Sie Ruhe"

Dresdens Sozialbürgermeisterin wendet sich in einem Brief an die Familien. Sie erklärt, was bei Corona-Infektionen an Kitas und Schulen passiert. Der Plan.

Von Sandro Pohl-Rahrisch & Christoph Springer & Tim Ruben Weimer
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Am Montag beginnt in Dresden wieder die Schule. Wie sollen sich Familien von Schul- und Kita-Kindern verhalten, wenn ein Corona-Fall in der Einrichtung bekannt wird?
Am Montag beginnt in Dresden wieder die Schule. Wie sollen sich Familien von Schul- und Kita-Kindern verhalten, wenn ein Corona-Fall in der Einrichtung bekannt wird? © Frank Rumpenhorst/dpa (Symbolfoto)

Dresden. Gaststätten und Hotels machen ab Montag dicht, Kitas und Schulen bleiben offen. Darauf haben sich Bund und Länder verständigt. Zwar gelten Kitas und Schulen nicht als Hotspots bei der Übertragung des Coronavirus. Die letzten Wochen haben allerdings gezeigt, dass der Erreger vor diesen Einrichtungen nicht halt macht. Wie also soll der Alltag in den nächsten Wochen aussehen? Was passiert, wenn Corona-Fälle auftauchen sollten? Dresden Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) hat sich in einem Schreiben an Eltern, Kinder und Erzieher gerichtet. So soll es nach den Herbstferien weitergehen.

Was passiert, wenn sich Kinder, Erzieher oder Lehrer anstecken?

Dann ist die Verunsicherung auf allen Seiten groß, verständlicherweise, so Kaufmann. Aber es gebe konkrete Abläufe, die dann starten: Jeder Verdachtsfall muss in Quarantäne, und zwar solange, bis geklärt ist, ob eine Infektion mit dem Coronavirus vorliegt. Wer positiv getestet wird, muss mindestens zehn Tage zu Hause bleiben. Danach gilt: Hatte man zwei Tage lang keine typischen Symptome, wird man zum Unterricht oder zur Betreuung wieder zugelassen, so Kaufmann. Obwohl das Gesundheitsamt am Limit arbeitet, werde jeder Fall individuell nachverfolgt. "Es ist es sehr verständlich, dass die Information, dass man selbst, das eigene oder das Umfeld des eigenen Kindes positiv auf das Coronavirus getestet wurde, teils zu Verunsicherung und Ängsten sowie einem erhöhten Informationsbedürfnis führt", schreibt Kaufmann. Bekannt sei aber, dass Kinder und jüngere Jugendliche seltener von einer Sars-CoV-2-Infektion betroffen sind als Erwachsene. Kinder und Jugendliche zeigten häufig keine oder nur milde Symptome.

Wer gilt als Kontaktperson, die isoliert werden muss?

Ein hohes Ansteckungsrisiko besteht laut Kaufmann, wenn die Kinder, Schüler oder Lehrer mindestens 15 Minuten ununterbrochen engen Kontakt zu einem Infizierten hatten, zum Beispiel während eines Gesprächs. Wer genug Anstand hält, ist allerdings nicht automatisch außer Gefahr. So werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Kontaktpersonen in Quarantäne geschickt, die sich im selben Raum befanden, wenn dort verstärkt ausgeatmet wurde, etwa beim Singen oder Sporttreiben. Als kritisch gilt auch, wenn man länger als 30 Minuten in einem engen Raum Kontakt zu einem Infizierten hatte. Hierzu zählt Kaufmann explizit Schulklassen auf. Die Sozialbürgermeisterin betont, dass Kinder beziehungsweise Mitarbeiter bereits zwei Tage vor den ersten Symptomen und dann für etwa zwölf weitere Tage ansteckend sein können. 

Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann rät Dresdens Eltern, Ruhe zu bewahren. Vor Schulstart am Montag hat sie sich mit einem Brief an die Familien gewandt.
Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann rät Dresdens Eltern, Ruhe zu bewahren. Vor Schulstart am Montag hat sie sich mit einem Brief an die Familien gewandt. © Rene Meinig (Archiv)

Nicht als Kontaktperson gilt, wer Kontakt zu ein anderen Kontaktperson hatte, die nicht infiziert ist. Oder anders gesagt: Das eigene Kind hat in der Kita mit einem infizierten Kind gespielt. Dann gilt der eigene Sohn oder die eigene Tochter zwar als Kontaktperson, man selbst als Eltern aber nicht. Das Kind muss also zu Hause bleiben, Mutter und Vater dürfen dagegen ganz normal arbeiten und einkaufen gehen. Zumindest solange, wie das Kind nicht auch positiv getestet wird.

Wie oft kam es bisher zu Infektionen an Kitas und Schulen?

Nicht selten. Allein am Donnerstag galten Quarantänebescheide für mehr als 450 Kinder, Erzieher und Lehrer in vier Schulen und neun Kitas. Neu dazugekommen ist die Kita "Kleiner Hecht". Informationen von Eltern zufolge müssen dort alle Kinder und Erzieher bis auf acht beziehungsweise zwei zu Hause bleiben. Darüber hinaus gab es seit Beginn des neuen Schuljahres Ende August Corona-Fälle an 20 weiteren Schulen sowie fünf Kitas und Horten. Dennoch: Hotspots sind die Einrichtungen damit nicht, so Kaufmann. "Nach aktuellen Erkenntnissen findet eine Übertragung in Dresden zumeist außerhalb von Bildungseinrichtungen in privaten Umfeldern statt, sie wird also in Einrichtungen eingetragen und selten innerhalb der Einrichtung weitergegeben." Die Hygienekonzepte würden wirken.

Was spielt außerdem eine Rolle?

Ausschlaggebend sind auch die Kita- oder Schulkonzepte. Lernen die Schüler in festen Klassen oder Kursen, die sich nach jeder Doppelstunde neu zusammensetzen? Dürfen die Kinder mit allen anderen Kita-Kindern spielen oder gibt es Gruppen, die sich meistens im separaten Räumen aufhalten? Auch davon hänge ab, wie viele Personen vom Gesundheitsamt aufgefordert werden, daheim zu bleiben. "In Abhängigkeit der Situation können somit eine komplette Jahrgangsstufe, eine komplette Gruppe, Schulklasse oder auch nur einzelne Personen einer oder mehrerer Klassen oder Gruppen von Isolationsmaßnahmen betroffen sein", so Kaufmann weiter.

Wie schnell werden Eltern informiert?

Kaufmann ruft alle Eltern, Lehrer und Erzieher dazu auf, Ruhe zu bewahren, sollte es einen Corona-Fall oder einen Verdacht darauf geben. Zwar informiere das Gesundheitsamt relativ schnell über die allgemeine Lage. "Bis zum Abschluss der teils sehr aufwendigen Recherchearbeit können aber auch mehrere Tage vergehen." Das betrifft auch die Zustellung des Quarantänebescheids, der im Übrigen auch als Nachweis für den Arbeitgeber gilt. Tatsächlich ist es laut SZ-Informationen in den vergangenen Tagen vorgekommen, dass Dresdner Schüler erst zwei Tage vor Ablauf der angeordneten Quarantäne ihren Bescheid erhalten haben, in dem stand, dass sie in den vergangenen Tagen eigentlich hätten zu Hause bleiben müssen.

Werde ich als Kontaktperson getestet?

Sollten Kinder oder Eltern als enge Kontaktperson eingestuft werden, kann ein Test erfolgen, so Kaufmann. Was heißt kann? Er wird durchgeführt, sofern man Symptome wie Husten, Fieber oder Atemnot hat. Ist dies nicht der Fall, entscheidet das Gesundheitsamt.

Dürfen Kinder mit Husten in die Kita kommen?

Wer nicht als Kontaktperson gilt, aber Schnupfen, Husten oder leichtes Fieber hat, sollte für mindestens fünf Tage zu Hause bleiben, so Kaufmann. Sind die Symptome verschwunden, kann man nach zwei Tagen wieder in die Kita oder die Schule gehen.

Wie schätzen die Lehrer und Erzieher die Lage ein?

In Kitas gilt nur für Eltern eine Maskenpflicht, nicht für Kinder und Erzieher. Bei den Schulen ist das etwas anders: Mit dem Schulbeginn am Montag müssen auf Schulhöfen und im Schulhaus Masken getragen werden. Im Unterricht gibt es nach wie keine Pflicht, einen Mundschutz zu tragen. Auch Dresden hat diese Regelung nicht verschärft. Gerd Apelt unterrichtet an einer Grundschullehrer und ist Kreisvorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW. Er selbst sei gespaltener Meinung, sagt er. 

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Allgemein höre er immer wieder, dass Schulen keine großen Infektionsherde wären. „Dem muss man Glauben schenken, aber ganz sicher kann man sich trotzdem nicht sein.“ Kritisch sei die Situation eher auf den Schulwegen als in den Schulen selbst, findet Apelt. Denn dort seien die Schüler „massenweise“ gemeinsam unterwegs, in Dresden betreffe das vor allem Schüler aus Oberschulen und Gymnasien, die zum Beispiel zusammen mit der Straßenbahn fahren. „In der Grundschule geht das noch, da sind die Wege kürzer."

Sind Dresdens Eltern mit der Regelung zufrieden?

Der Dresdner Kreiselternrat begrüßt, dass die Schulen offen bleiben dürfen. Allerdings, sagt der Vorsitzende Martin Raschke, dürften die Schulen nicht zu einer Aufbewahrungsstation werden. "Es geht darum, dass die Bildungsinhalte auch während der Corona-Pandemie adäquat vermittelt werden. Die Schulen haben mehr als eine Aufsichtspflicht für die Schüler." 

Außerdem dürfe es kein "Abi Lite" mit niedrigeren Anforderungen für den Jahrgang geben, der während der Pandemie seinen Abschluss macht. Den Blick in die Zukunft sieht Raschke eher pessimistisch. Er rechnet damit, dass die Schulen wie im Frühjahr erneut geschlossen werden könnten.

Den Brief an die Eltern können Sie hier lesen. Weitere Informationen mit Kontaktdaten für Eltern gibt es auf www.dresden.de/corona

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