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Die Meisterlichen

Zwei Teams aus dem Süden des Kreises Görlitz haben bei den Streetsoccer-Meisterschaften auf Rügen überraschend abgeräumt.

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Von Anja Beutler

Wem, wenn nicht diesen vier Damen, stünde die Deutschlandfahne besser? Schließlich sind Sally Starke aus Reichenbach, Maxi Auerbach, Elisa Guschewski und Patricia Hänel, die alle in Zittau leben, gerade Vize-Weltmeisterinnen geworden und haben auch bei der deutschen Meisterschaft die Silbermedaille geholt. Erst einige Tage ist das erst her, dass die Socceroos, wie sie sich als Team nennen, bei den Streetsoccer-Meisterschafen auf Rügen in Prora so erfolgreich waren. Streetsoccer ist einer Spielart des Fußballs, die mit einem kleinen Feld von acht mal 13 oder auch zehn mal 15 Metern auskommt. Es wird mit Bande gespielt, sodass der Ball nie im Aus landet und immer „heiß“ bleibt. Einen Torhüter gibt es nicht. „Das macht es technisch unheimlich anspruchsvoll und sehr schnell“, erklärt Patricia Hänel.

Manuel Hanisch, Justin Born, Maurice Fritsche und Dominic Lutze (v.l.) holten den deutschen Meistertitel bei den Männern.
Manuel Hanisch, Justin Born, Maurice Fritsche und Dominic Lutze (v.l.) holten den deutschen Meistertitel bei den Männern. © SZ
Die Vizeweltmeisterinnen im Finalspiel. Sie haben als einziges Team sowohl an WM als auch DM gespielt.
Die Vizeweltmeisterinnen im Finalspiel. Sie haben als einziges Team sowohl an WM als auch DM gespielt. © SZ
So sieht echte Freude über den Silberpokal aus. Zum ersten Mal ist in Prora eine WM ausgetragen worden.
So sieht echte Freude über den Silberpokal aus. Zum ersten Mal ist in Prora eine WM ausgetragen worden. © SZ

Normalerweise jagen die vier Damen zwischen 19 und 28 Jahren im Verein dem Ball auf herkömmlichen Spielfeldern hinterher – in der Spitzkunnersdorfer Damenmannschaft in der Landesliga beispielsweise. Doch auf kleinem Terrain sind sie nun schon seit drei Jahren enorm erfolgreich, denn für das Bundesfinale und die Europameisterschaften, die schon seit einigen Jahren in Prora vor der Kulisse der einst von den Nazis gebauten, 4,5 Kilometer langen Kraft-durch-Freude-Feriensiedlung ausgetragen werden, haben sie sich mehrfach qualifiziert. 2016 haben sie die deutsche und die Europameisterschaft gewonnen, auch 2017 waren sie im Bundesfinale erfolgreich und wurden Vierter bei der EM.

So ganz von ungefähr ist der Erfolg also nicht gekommen, aber dennoch waren die vier sehr überrascht, dass sie auch bei der Weltmeisterschaft so gut mithalten konnten. „Da sind Profis dabei, die ihren Lebensunterhalt damit bestreiten“, erklärt Patricia Hänel, die ursprünglich aus Schönau-Berzdorf kommt und dort mit dem Fußballspielen begonnen hat. Die professionell spielenden Japanerinnen, die US-Amerikanerinnen, die in der College-League spielen oder auch die Weltmeisterinnen aus dem Kosovo zu treffen, war für die vier Damen aus Deutschland sehr interessant. Denn für sie ist Streetsoccer eher Spaß. Ihre Brötchen verdienen sie beispielsweise als Mitarbeiterinnen in der Görlitzer und der Zittauer Stadtverwaltung.

Wo liegt aber das Geheimnis der vier Socceroos? Maxi Auerbach und Patricia Hänel schmunzeln. „Vielleicht haben wir gewonnen, weil wir als Team stark sind“, betonen sie. Wichtig war auch, dass sie sehr fair gespielt haben, denn bei sehr robustem Körpereinsatz oder mangelndem Respekt gibt es schnell Punktabzug. Interessanterweise ist zudem keine der Frauen sonst als Stürmerin unterwegs, zwei spielen im Mittelfeld und zwei in der Abwehr – aber treffen können sie alle.

Diese Konstellation aus Abwehr- und Mittelfeldspielern hat auch bei den Herren in der Altersklasse über 18 Jahren zum Erfolg geführt: Die Löbauer Mannschaft Vollister United hat sich überraschend zum deutschen Meister gekrönt. Die Jungs sind inzwischen alle zwischen 18 und 19 Jahren. Während der Ebersdorfer Manuel Hanisch für den Sportclub Großschweidnitz Löbau spielt, sind seine Teamkollegen Justin Born aus Ebersdorf, Maurice Fritsche aus Löbau und Dominic Lutze aus Ottenhain bei der TSG Lawalde im Spiel. „Wir sind beste Freunde und kennen uns daher sehr gut“, wagt sich Manuel Hanisch an einer Erklärung des Erfolges, gibt aber ehrlich zu, dass sie sich bis heute nicht recht erklären können, wie sie es geschafft haben, am Ende ganz oben zu stehen. In dieser Konstellation waren sie das zweite Mal in Prora am Start, für Manuel Hanisch war es gar das sechste Jahr, zuvor spielte er mit anderen Mitstreitern. Richtig trainiert haben die vier vorher nicht – zumindest nicht unter fachlicher Anleitung oder im Verein. Da ging es ihnen ähnlich wie den Socceroos-Damen. Denn Streetsoccer-Spielfelder gibt es in der Region nicht. „Wir behelfen uns mit privaten Spieleinheiten in Bernstadt auf dem Kleinfeld neben der Pließnitzhalle“, sagt Hanisch.

Dass die Fußballtrainer der erfolgreichen Streetsoccer das Engagement ihrer Schützlinge immer mit einen lachendem und weinendem Auge sehen, ist allen bewusst: „Klar, das Verletzungsrisiko ist da, daran denken die Trainer natürlich auch“, sagt Hanisch. Aber sowohl die erfolgreichen Vizeweltmeisterinnen als auch die deutschen Meister haben am Ende viel Lob und Glückwünsche geerntet. Einzig Friedhelm Gerlich, der beim TSV Herwigsdorf als Trainer dabei ist, setzt ganz gezielt auf Streetsoccerturniere und war mit seiner Jungenmannschaft schon zum siebten Mal dabei: „Technik und Schnelligkeit lernt man hier so gut wie sonst nirgends“, sagt er. Dieses Jahr hat es nicht ganz gereicht, aber fünf Mal Bundesfinale und einmal deutscher Vizemeister sowie Fairplay-Sieger waren schon drin. Nächstes Jahr – so sagen nicht nur Friedhelm Gerlich, sondern auch die erfolgreichen Teams, wollen sie wieder mit dabei sein. Wenn alles klappt und keiner verletzt ist.