SZ + Pirna
Merken

Die Welt unterm Wasser: bei den Kellerkindern vom Geibeltbad

Fast fünftausend Kubikmeter fasst die Wasserlandschaft im Gottleubatal. Doch ohne den doppelten Boden und seine Spezialisten läuft gar nichts.

Von Jörg Stock
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ein Schwimmmeister, der fast immer im Trocknen ist: Technikchef Thomas Kohlberger kennt jeden Winkel im Rohrkeller des Pirnaer Geibeltbads.
Ein Schwimmmeister, der fast immer im Trocknen ist: Technikchef Thomas Kohlberger kennt jeden Winkel im Rohrkeller des Pirnaer Geibeltbads. © Marko Förster

Alarm in der Herzkammer: Beim Warmbecken Schwimmhalle brennt die rote Lampe. Messwertstörung. Thomas Kohlberger aktiviert den Zentralrechner, schaut aufs Diagramm. Richtig. Gestern Abend gegen halb elf ist irgendwas passiert. Das Chlor sackte ab, der pH-Wert ging rauf. Wo das Problem liegt? Er weiß es noch nicht. Aber dass es gelöst wird, weiß er. "Für uns gibt's keine Probleme, nur Herausforderungen."

Das Geibeltbad in Pirnas Südstadt hat die größte Wasserlandschaft der Region. Addiert man alle Becken von Halle, Sauna und Freibad kommen rund 4.800 Kubikmeter zusammen. Vier- bis fünfhundert Gäste sind im Schnitt pro Tag in der Anlage, etwa eine viertel Million jedes Jahr. Was keiner von ihnen sieht, ist die Welt unter dem Grund. Ohne sie wäre der Badespaß sehr schnell aus.

Das Pirnaer Geibeltbad lockt mit 4.800 Kubikmetern Wasser. Im Keller sind fünfzehn Kilometer Rohrleitungen versteckt.
Das Pirnaer Geibeltbad lockt mit 4.800 Kubikmetern Wasser. Im Keller sind fünfzehn Kilometer Rohrleitungen versteckt. © Marko Förster

Thomas Kohlberger sieht sie jeden Tag. Der stämmige Mittvierziger ist Technischer Leiter des Geibeltbads. Auch heute ist er abgestiegen in den doppelten Boden, hat die Frühlingssonne gegen das schummrige Kunstlicht eingetauscht. Das tut ihm nicht weiter weh. Das Badewasser muss ordentlich aufbereitet sein, sagt er. Er mag die Technik, die das macht, und die ist nun mal unten. "Wir sind Kellerkinder."

Drei Wassereimer für jeden Badegast

In den Keller geht es zwei Treppen hinunter. Dann kommt rechts der Schaltraum, den Thomas Kohlberger "das Herz" nennt. Er liegt fast vier Meter unter dem Fußboden der Badehalle und sieht wenig herzlich aus. Graue Wände hat er, die mit Kolonnen aus Schaltern bedeckt sind. Oberhalb davon zeigen Schaubilder an, wie es um die Organe und den Kreislauf des Geibeltbads bestellt ist.

Hier beginnt das Reich der "Kellerkinder": Nicht einmal Geister haben zutritt zu den Katakomben der Badelandschaft.
Hier beginnt das Reich der "Kellerkinder": Nicht einmal Geister haben zutritt zu den Katakomben der Badelandschaft. © Marko Förster

Der Organismus hat fünf Glieder: erstens Nichtschwimmerbecken und Landebecken Rutsche, zweitens alle Warmbecken, drittens alle Kaltbecken, viertens das Schwimmerbecken und fünftens das Freibad. Sie alle arbeiten unabhängig voneinander, haben aber die gleiche Speisung, eine Pumpe, die im Brunnen 16 Meter unter der Liegewiese steckt. Täglich führt sie pro Badegast etwa dreißig Liter Frischwasser dem System zu.

Jeder Kreislauf hat sein eigenes Schaltpult. Das Schalten übernimmt routinemäßig der Zentralrechner, "das Gehirn", wie Thomas Kohlberger sagt. Entsprechend programmiert, weiß es genau, was wann zu passieren hat, wann wieviel Wasser wohin fließen muss, wann die Massagedüsen losspritzen und wieder versiegen sollen, wann der Strömungskanal im Außenbecken kreiselt und wann die Sprudelsitze blubbern.

Die Herzkammer: In der Steuerzentrale des Bades wird der Status sämtlicher Anlagen angezeigt und der Betrieb geregelt.
Die Herzkammer: In der Steuerzentrale des Bades wird der Status sämtlicher Anlagen angezeigt und der Betrieb geregelt. © Marko Förster

Die Anweisungen des Gehirns werden von Pumpen und Klappen ausgeführt. Das Schaltpult zeigt den Status: gelbes Lämpchen - Klappe ist auf, grünes Lämpchen - Pumpe ist an. Aber es gibt eben auch die roten Lämpchen, die leuchten, wenn das Gehirn nicht mehr weiter weiß. "Dafür sind wir dann da", sagt der Technikchef, "um nachzugucken, warum das so ist."

Das Rätsel der roten Lampe

Warum gibt es die Messwertstörung im Warmbecken der Badehalle? Messwerte werden im Bad ständig und überall erzeugt, die meisten automatisch. Dafür zweigt man kleine Wasserströme ab und leitet sie durch Zellen, die mit Elektroden bestückt sind. In unserem Fall ist die Messwasserpumpe in Ordnung. Wasser zur Analyse kommt also an. Doch der Chlorgehalt wird nicht korrigiert. Dabei ist ein DIN-gerechter Wert entscheidend für die rasche Abtötung von Keimen.

"Keine Probleme, nur Herausforderungen." Hunor Bogdányi vom Technikteam spült im Rohrkeller einen Wärmetauscher.
"Keine Probleme, nur Herausforderungen." Hunor Bogdányi vom Technikteam spült im Rohrkeller einen Wärmetauscher. © Marko Förster

Thomas Kohlberger hat verschiedene Hypothesen: Entweder steckt der Schwimmerschalter der Messzelle fest, oder etwas stimmt mit den Elektroden nicht, oder der Chlorgasregler hängt, oder die Elektronik spinnt, oder, oder... . Da hilft nur, die Sache vor Ort zu betrachten.

Nass wird's im Rohrkeller selten

Ein paar Schritte bloß muss Kohlberger von der Herzkammer aus machen, bis er mitten in den Eingeweiden des Bads steht. Der Rohrkeller ist 66 Meter lang, 24 Meter breit und sieben Meter hoch. Absehbar sind diese Dimensionen nicht im Mindesten. Überall stößt das Auge gegen Leitungen, deren dickste einen halben Meter Durchmesser haben. Aufgedröselt wäre das Rohrknäuel etwa fünfzehn Kilometer lang.

Blick in einen Schwallbehälter. Hier kommt Badewasser aus den Überläufen der Becken an, bevor es weiter zum Filter fließt.
Blick in einen Schwallbehälter. Hier kommt Badewasser aus den Überläufen der Becken an, bevor es weiter zum Filter fließt. © Marko Förster

Nahe bei uns dröhnt ein Kompressor. Er macht Druck für die Steuerung der Klappen. Weiter voraus hantieren Männer an einem Aggregat, das an einen altertümlichen Heizkörper erinnert. Das ist ein Wärmetauscher. Dieser hier heizt das Wasser des Feuerbads in der Sauna auf, mit 40 Grad das wärmste Becken der Anlage. Durch eine Havarie hat er Schmutz abgekriegt und wird nun durchgespült. Ausnahmsweise wird es mal nass im sonst staubtrockenen Unterwasserreich.

Der Schwimmmeister geht lieber angeln

Thomas Kohlberger steigt weiter ab, in den Keller vom Keller, und steht in einer Allee aus grauen Kesseln. Hoch wie eine Geschossdecke und drei Meter breit sind die Kawenzmänner. Ihr Auftrag ist, das Badewasser zu reinigen. Die größten enthalten an die 15 Tonnen Sand und Aktivkohle.

In den Filtern sind mehrere Schichten Sand sowie Aktivkohle enthalten, hier ein Gemisch von beidem, ausgebaut nach einer Havarie.
In den Filtern sind mehrere Schichten Sand sowie Aktivkohle enthalten, hier ein Gemisch von beidem, ausgebaut nach einer Havarie. © Marko Förster

Sollten sich Badegäste fragen, wohin das Wasser fließt, das in den Überläufen am Beckenrand verschwindet, so ist das die Antwort: in die Drucksandfilter. Davon gibt es hier unten mehr als ein Dutzend. Im Verbund mit den Umwälzpumpen schaffen sie es zum Beispiel, binnen vier Stunden den gesamten Inhalt des Schwimmerbeckens, rund 600 Kubikmetern, durch ihre Bäuche laufen zu lassen.

Beim Reinigen hilft eine Chemikalie, die Flocken bildet und sich an den Schmutz anschmiegt. Der verfängt sich so leichter im Filtermaterial. Pro Jahr kommen etwa drei Kubikmeter Schlamm zusammen. Größere Teile sammelt der Saugroboter direkt am Beckenboden ein. Oder man geht selber tauchen, sagt Thomas Kohlberger. So wurde schon mal ein Gebiss geborgen, und auch ein vermisster Ehering. "Der Herr hatte aber schon einen neuen bestellt."

"Problem gelöst." Der Schwimmer an dieser Messzelle ist wieder frei. Nun kann die Badewasserqualität reguliert werden.
"Problem gelöst." Der Schwimmer an dieser Messzelle ist wieder frei. Nun kann die Badewasserqualität reguliert werden. © Marko Förster

Ankunft an der Messzelle. Tatsächlich. Der Schwimmerschalter liegt auf Grund, statt zu schwimmen. Der Technikchef hantiert hier und da, dreht Hähne auf und zu, nichts passiert. Vielleicht, dass irgendein Krümel, ein Fussel das Teil blockiert. Kohlberger hat sich schon fast damit abgefunden, die Zelle zerlegen zu müssen, da schnippst der Schwimmer doch noch in die Höhe. "Problem gelöst."

Thomas Kohlberger steigt wieder auf, dorthin, wo er als Chef die meiste Zeit verbringen muss: zum Schreibtisch. Nach Feierabend noch eine Runde schwimmen? Eher nicht. Er geht lieber angeln. Oder fährt Boot. Das Bad ist und bleibt seine Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die auch mal anstrengend sein kann. "Solange man gern zur Arbeit geht, ist alles in Ordnung."