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Was sich Roßweiner Gerüstbauer für ihre Azubis ausdenken

Monatelang waren die Azubis von Gerüstbau Gemeinhardt auf der Baustelle von Karls Erlebnis Dorf. Das ist nur ein Projekt, um Handwerker-Nachwuchs zu finden.

Von Lea Heilmann
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Auf der Baustelle von Karls Erlebnis Dorf in Döbeln konnten die Azubis vom Gerüstbauunternehmen Gemeinhardt insgesamt zehn Häuser einrüsten.
Auf der Baustelle von Karls Erlebnis Dorf in Döbeln konnten die Azubis vom Gerüstbauunternehmen Gemeinhardt insgesamt zehn Häuser einrüsten. © Gemeinhardt

Döbeln/Roßwein. Aus einer sehr kurzfristigen Anfrage ist eine monatelange Zusammenarbeit und vor allem eine wichtige Erfahrung für die Auszubildenden der Firma Gemeinhardt Gerüstbau geworden.

Markus Muschke ist Ausbildungsleiter bei Gemeinhardt. Wie er erzählte, kam an einem Montag im September die Anfrage von Karls Erlebnis-Dorf in Döbeln. „Wir haben uns das am Dienstag angeschaut, Mittwoch das Angebot gemacht und am Donnerstag stand das Gerüst“, sagte er.

Normalerweise kümmert sich das Unternehmen um Spezialgerüste. Diese werden bei Karls aber nicht gebraucht, sondern die „klassischen“ für Fassaden und Dächer. Aber die Azubis müssen das natürlich auch lernen und so ist das Praxisprojekt Karls bei Gemeinhardt Gerüstbau entstanden.

Azubis haben mehrere Monate auf der Baustelle unterstützt

„Wir hatten sehr viel Glück, dass wir das machen konnten. Das hat uns eine gute Ausbildungsarbeit geliefert. Die Azubis konnten auf einer echten Baustelle arbeiten und nicht nur auf dem Hof“, schwärmte Muschke.

Insgesamt haben die Auszubildenden zehn Häuser eingerüstet. Die Gerüste planten sie selbst und bauten sie auf und wieder ab. Muschke ist Karls sehr dankbar für die Möglichkeit.

Insgesamt sieben Mitarbeiter, fünf Auszubildende und zwei Gesellen, waren seit September auf der Baustelle. „Für die ist Baustelle nichts komplett Neues, aber sie sehen die Schritte, die nötig sind, um so einen Park zu bauen. Ich bin mir auch sicher, dass sie nach der Eröffnung durch den Park, an den Buden vorbei gehen und wissen: Das habe ich eingerüstet, auch wegen mir sieht es so aus“, sagte Muschke.

Vor wenigen Tagen wurden die letzten Gerüste abgebaut. Das spannendste Projekt bei Karls war für Muschke die Riesenerdbeere, denn auch diese musste eingerüstet werden. „Die Erdbeere wurde komplett aus Beton modelliert. Sie wurde eingerüstet mit Dach und Plane, dass der Modellierer störungsfrei an der Erdbeere arbeiten konnte.“

Dass er und die Azubis mal ein Gerüst für eine überdimensionale Frucht erstellen, daran wird er sich wohl noch lange erinnern. „Ich habe zwar schon andere Sachen eingerüstet, aber noch nicht das. Das ist ja auch keine typische Form“, so der Ausbildungsleiter weiter.

Gerüstbauer-Beruf soll sichtbarer werden

Der scheinbare Nachteil am Gerüstbau im Vergleich zu anderen handwerklichen Berufen ist, dass die Arbeit nur temporär da ist. „Ein Maler kann sagen: Das habe ich gemacht, Gerüstbauer nur: Ich habe bei dem Projekt mitgemacht“, erzählte er. Das erschwere auch die Vermittlung des Berufsbildes an Jugendliche. „Auf Ausbildungsmessen sind oft Berufe, die man im Alltag sieht, wie Polizist oder Feuerwehrmann, den Gerüstbauer siehst du nicht.“

Auch die große Erdbeere, durch die die Raupenbahn düst, wurde von Gemeinhardt eingerüstet. Diese Arbeit wird Marcus Muschke noch einige Zeit in Erinnerung bleiben.
Auch die große Erdbeere, durch die die Raupenbahn düst, wurde von Gemeinhardt eingerüstet. Diese Arbeit wird Marcus Muschke noch einige Zeit in Erinnerung bleiben. © SZ/DIetmar Thomas

Um dagegen zu steuern, hat die Firma schon länger eine Idee: ein Gerüstbau-Spielzeugset. „Dass wir in die Köpfe der Kinder reinkommen“, begründete Muschke den Plan. Dabei gehe es ihnen nicht nur um die Firma, sondern um den ganzen Berufszweig. Gemeinhardt bildet aktuell insgesamt fünf junge Menschen im Gerüstbau aus.

Für die Handwerksbranche sei der Schnitt fünf Azubis bei 45 Mitarbeitern gut, für die Firma selbst sei das wenig. „Im Schnitt sind wir bei vier Azubis pro Lehrjahr. Als ich die Position übernommen habe, waren es fünf jedes Jahr“, so Muschke. Das Problem der fehlenden Azubis gebe es im ganzen Handwerk. „Immer mehr zieht es Richtung Studium und wenn in die Ausbildung, dann eher irgendwas mit Computer“, so Muschke.

Er ist sich auch sicher, dass es mit Werbung auf einem Bus oder Plakaten nicht mehr getan ist. Auch nicht mit Besuchen auf Ausbildungsmessen, die laut Muschke eigentlich für jeden Betrieb Standard sein sollten. Gemeinhardt geht einen besonderen Weg: Die Firme veranstalten ein Mal im Jahr eine Schnippeldisco – dort wird Gemüse, das nicht mehr verkauft werden kann, gespendet und gemeinsam wird gekocht inklusive kleinem Konzert.

Mehr auf Jugendliche zugehen

„Wir kriegen mit, dass Jugendlichen das Thema Nachhaltigkeit wichtiger wird und wir wollen zeigen, dass es uns das auch ist“, sagte Muschke. Im Mai veranstalten sie wieder den Sommercontest, bei dem sich junge Menschen mit ihren Talenten bewerben und auftreten können. Der Betrieb schafft aber auch Vorteile, die direkt mit der Ausbildung zu tun haben. Neuerdings bietet Gemeinhardt an, die Kosten für den Pkw-Führerschein zu übernehmen, wenn der Azubi nach der Ausbildung beim Unternehmen bleibt.

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Auch finanzielle Anreize schafft das Unternehmen: Es bezahlt 20 Prozent mehr als die Mindestausbildungsvergütung. „Da geht es auch darum, Wertschätzung zu zeigen“, erklärte Muschke. Gemeinhardt hat auch einen Azubi-Bus ins Leben gerufen. „Roßwein hat nicht die günstigste Lage, weil kein Zug fährt“, so der Ausbildungsleiter.

Um dem entgegenzuwirken, aber auch um die Eltern etwas zu beruhigen gibt es beispielsweise in Döbeln zwei Treffpunkte, an denen die Azubis früh eingesammelt und abends wieder abgeliefert werden. „Man merkt schon, dass das viele sehr gut finden, was wir machen“, sagte er weiter.

Um den Beruf den Kindern näher zu bringen gibt es zudem eine Patenschaft mit drei siebten Klassen der Oberschule Döbeln. Mit denen sind drei Mal im Jahr Aktivitäten geplant, auch in der Hoffnung, dass Interesse für Handwerksberufe allgemein steigern zu können.