Roßwein. Das Gerücht, dass das Schreib- und Spielwarengeschäft am Roßweiner Markt schließen muss, hält sich schon seit einigen Tagen hartnäckig. Auf Nachfrage bestätigt die Inhaberin: Es ist wahr. Ende Mai wird das Geschäft – eines der letzten am Roßweiner Markt – für immer schließen. Und mit ihm die Post-Filiale.
Im August und September vergangenen Jahres schöpft die Händlerin noch Hoffnung, dass trotz der etwa 30 Prozent Einbußen im ersten Lockdown alles wieder gut wird. Kurz vor Beginn des Schuljahres kommen immer besonders viele Kunden in das Geschäft, um sich mit Schulmaterial einzudecken oder die neuen Schulbücher einschlagen zu lassen.
Die Inhaberin richtet das Geschäft so her, dass es den Corona-Regelungen entspricht. Sie achtet darauf, dass die Kunden nur mit Maske in den Laden kommen und diese auch richtig aufsetzen. „Wir haben alle Vorschriften mitgetragen“, sagt sie.
Hoffnungen erfüllen sich nich
Aber es kommt nicht so wie erhofft. Mitte November darf Kathrin Heilfort abermals keine Schreib- und Spielwaren verkaufen. Die Haupteinnahmequelle der Mittfünfzigerin versiegt erneut. Das Weihnachts- und Silvestergeschäft bricht vollkommen weg.
Offenhalten muss sie dagegen die Post-Filiale. „Weil sich die Poststelle am anderen Ende des Geschäftes befindet, sind die Kunden an Spielzeug und den Schreibwaren vorbeigelaufen, aber verkaufen durfte ich diese Ware nicht“, beschreibt Kathrin Heilfort die schwierige Situation.
Ihre beiden Angestellten muss sie in Kurzarbeit schicken. Sie unterstützen sie nur noch bei Bedarf. Kopien für die Kunden anfertigen, was sie als Dienstleistung ebenfalls anbietet, darf sie genauso wenig, wie Lottoscheine verkaufen. Oft hat sie für Kunden, die selbst nicht die Möglichkeit dazu hatten, Faxe verschickt. Auch das fällt während der coronabedingten Schließungen flach.
Mit „Click und Collect“ versucht die Händlerin, sich über Wasser zu halten, liefert Ware aus, die die Kunden im Internet oder telefonisch bestellt haben. „Gerechnet hat sich das nicht“, sagt Kathrin Heilfort, aber sie will es wenigstens versuchen.
Erst vor wenigen Tagen darf sie endlich wieder den Verkauf nach Terminvereinbarung anbieten. Das sei auch gut genutzt worden. Aber seit Dienstag ist wegen der neuen Corona-Verordnungen und steigender Inzidenz-Zahlen auch damit wieder Schluss.
Mit der Schreib- und Spielewelt muss Kathrin Heilfort auch die Post-Filiale schließen. „Die Filiale der Post ist an das Kerngeschäft gebunden“, erklärt sie. Damit fällt für die Roßweiner eine wichtige Anlaufstelle weg.
Zur Insolvenz soll es nicht kommen
Im Jahr 2012 hat Kathrin Heilfort die Filiale am Roßweiner Markt übernommen. „Ich habe mich riesig gefreut, dass sich die Roßweiner nach anfänglicher Skepsis mir gegenüber geöffnet haben“, erzählt die aus Brandenburg stammende Mittfünfziger, die inzwischen in der Region wohnt. Den leichten Berliner Dialekt spricht die sympathische Frau heute noch.
„Gerade deswegen tut es mir in der Seele weh, dass ich das Geschäft schließen muss, aber ich habe keinen anderen Weg mehr gesehen.“ Anspruch auf Überbrückungshilfen habe sie unter anderem aus dem Grund nicht, dass sie diese zurückzahlen müsste, falls es doch noch zu einer Schließung kommt. Das Risiko will sie nicht eingehen. Auch ihr Steuerberater habe davon abgeraten.
„Bis zur Insolvenz wollte ich es wirklich nicht erst kommen lassen“, so Kathrin Heilfort. Auch wenn sie nicht ganz ohne Schulden aus ihrer Selbstständigkeit herauskommen wird, „eine gewerbliche Insolvenz hat immer auch auf die betreffende Privatperson Auswirkungen. Das will ich mir nicht antun.“
Eine lange Tradition endet
Auch psychisch belaste sie die Situation. „Eigentlich habe ich gehofft, dass Geschäft bis zum Renteneintritt betreiben zu können“, sagt sie. Wie ihr beruflicher Werdegang nach der Schließung aussehen wird, steht noch nicht fest.
Das Geschäft am Roßweiner Markt hat eine lange Tradition. Schon zu DDR-Zeiten war es als Spielwaren- und Porzellangeschäft der Familie Thäter eine beliebte Adresse zum Einkaufen. Wenn es etwa Speise- oder Kaffeeservice zu kaufen gab – was zu DDR-Zeiten Mangelware war – bildeten sich vor dem Laden lange Schlangen.
Später übernahm Familie Lindner das Geschäft und verkaufte viele Jahre Schreib- und Spielwaren. Ab 2012 führte Kathrin Heilfort das Geschäft mit dem gleichen Sortiment weiter und übernahm auch die Post-Filiale.
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