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Wochenend-Kita? Gibt's schon

Der Gastro-Verband fordert Kinderbetreuung am Wochenende. Die gibt es bereits. Aber wird sie eigentlich genutzt? Eine Kita-Chefin berichtet.

Von Nora Domschke
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In der Kita Lillabo bei Grit Klimke-Neumann können Eltern ihre Kinder auch samstags betreuen lassen. Die Öffnungszeiten hat die Leiterin verkürzt - weil sie kaum genutzt werden.
In der Kita Lillabo bei Grit Klimke-Neumann können Eltern ihre Kinder auch samstags betreuen lassen. Die Öffnungszeiten hat die Leiterin verkürzt - weil sie kaum genutzt werden. ©  Rene Meinig

Es gibt Berufe, die lassen sich nicht in die klassische Arbeitswoche pressen. Senioren und Krankenhauspatienten wollen auch am Wochenende versorgt werden, Geschäfte auch am Samstag ihre Waren an den Kunden bringen - und Gastronomen ihre Gäste bewirten. Das tun sie vor allem in den Abendstunden und am Wochenende. Aufgrund der Arbeitszeiten haben es Branchen wie die Gastronomie und Pflege besonders schwer, Personal zu finden. 

Der Dresdner Hotel- und Gaststättenverband Dehoga fordert deshalb nun, eine Kita in Dresden zu etablieren, die von 6 bis 22 Uhr geöffnet hat und das von Montag bis Sonntag. „Niemand möchte seine Kinder gerne am Wochenende abgeben, aber in vielen Branchen gehören diese Arbeitszeiten einfach dazu“, sagt Dehoga-Chef Axel Klein. 

Finanziert werden soll die Sieben-Tage-Kita über die Mehreinnahmen aus der Bettensteuer. Erwartet hatte die Stadtverwaltung einmal Einnahmen von rund 8,3 Millionen Euro, tatsächlich kamen im vergangenen Jahr aber etwa rund zehn Millionen Euro zusammen.

Kaditzer Kita betreut abends und am Samstag

Die Forderung der Dehoga kann Grit Klimke-Neumann nicht ganz nachvollziehen. Die Dresdnerin leitet eine Kita, die seit 2010 montags bis samstags von 6 bis 21 Uhr geöffnet ist. Betrieben wird die Einrichtung von der gemeinnützigen GmbH Lebensbild, deren Geschäftsführerin Klimke-Neumann ist. "Wir wollten damals ein Betreuungsangebot für Eltern schaffen, die zu unüblichen Zeiten arbeiten gehen." Also Beschäftigte im Handel, im medizinischen Bereich - und eben auch in der Gastronomie. Maximal elf Stunden täglich und fünf Tage in der Woche können diese Familien ihre Kinder in der Kita Lillabo in der Roscherstraße 20 betreuen lassen. 

Von den 160 Kindern in der Kaditzer Kita kommen etwa 40 zu den eher ungewöhnlichen Zeiten, also sehr zeitig früh oder bis in die Abendstunden. Es könnten aber durchaus mehr sein, Kapazitäten dafür sind da, so Klimke-Neumann. Samstags werden derzeit im Schnitt etwa zwölf Jungen und Mädchen betreut. Insgesamt sind es aber mehr Kinder, die am Wochenende kommen, allerdings benötigen die Familien die Betreuung  nicht jede Woche. "Das Angebot am Samstag wird gut genutzt - das betrifft ja tagsüber vor allem viele Verkäuferinnen." Aber auch Friseure, Angestellte, die im Schichtsystem bei Globalfoundries arbeiten, Ärzte, Krankenpfleger und Polizeibeamte sind darauf angewiesen, dass ihre Kinder auch dann gut versorgt sind, wenn alle anderen Kitas in Dresden geschlossen sind. Und nicht immer gibt es einen Partner oder Großeltern, die dann einspringen können.

Weil Eltern es nicht nutzen: Öffnungszeiten reduziert

Trotz der Nachfrage sieht Grit Klimke-Neumann keinen Bedarf für eine weitere Abend- und Wochenend-Kita wie sie der Gastro-Verband jetzt fordert. Weil insbesondere die Spätbetreuung bis 21 Uhr kaum genutzt wird, hat die Kita-Leiterin die Öffnungszeit im vergangenen Jahr an den Wochentagen auf 20 Uhr und am Samstag auf 18 Uhr reduziert. "Es gab einfach keine Anmeldungen für die Zeit danach." Nur eine Tanzlehrerin ließ ihr Kind ab und zu bis 21 Uhr betreuen. "Es bleiben schon auch mal Kinder bis 20 Uhr, aber das ist eher die Ausnahme", sagt Klimke-Neumann. 

Ihre Erfahrung aus den vergangenen zehn Jahren ist, dass Eltern sich für ihre Kita entscheiden, weil sie damit die Möglichkeit haben, ihr Kind zu diesen besonderen Zeiten betreuen zu lassen. Sie wollen die Sicherheit, Beruf und Familie unter einen Hut bekommen zu können. "Wenn die Kinder dann da sind, regeln die Familien das meistens aber doch anders." Mütter gehen verkürzt arbeiten, handeln mit dem Arbeitgeber andere Einsatzzeiten aus oder wechseln gar den Job. Und es komme auch vor, dass Oma und Opa doch öfter eingebunden werden, als vorher geplant. 

Schon beim ersten Info-Gespräch fragt Grit Klimke-Neumann bei den Eltern nach, wann sie eine Betreuung des Nachwuchses benötigen. "Wer sein Kind in unsere Kita schicken möchte, braucht einen Nachweis über die Arbeitszeiten." Bei Selbstständigen müsste sie den Eltern natürlich vertrauen, dass die Angaben stimmen. Trotzdem kommt es häufig vor, dass die Familien die Abend- und Wochenendbetreuung letztlich doch nicht nutzen. Betrifft das zu viele Kinder oder müsste Klimke-Neumann neue Kinder ablehnen, würde sie den Bedarf der Eltern prüfen und, wenn nötig, den Vertrag kündigen. "Aber das haben wir noch nie gemacht. Wir wollen die Kinder ja gern behalten."

"Gastronomen sollten Babysitter engagieren"

Um den tatsächlichen Bedarf für eine Spät- und Wochenend-Kita in Dresden zu ermitteln, will sich Klimke-Neumann mit anderen Kitas vernetzen, dort nach den Erfahrungen fragen und einen Arbeitskreis ins Leben rufen.  Auch, um Erzieher gezielter einsetzen zu können. Probleme, Personal für diese speziellen Arbeitszeiten zu finden, habe sie nicht. "Alle Mitarbeiter wissen schon ein Jahr vorher, wann sie im Einsatz sind." Auch sei die Arbeit mit den Kindern abends und am Samstag sehr entspannt: Es wird selbst gekocht, die Kinder haben viel Platz, man arbeitet mal mit anderen Kollegen. Zurzeit arbeiten am Samstag drei Erzieher in der Kita.

Für den Personalmangel in der Gastronomie hat Grit Klimke-Neumann übrigens einen Vorschlag: "Das Problem liegt eher daran, dass Eltern ungern weite Wege zur Kita in Kauf nehmen, wenn sie spät abends ihre Kinder abholen müssen. Mein Tipp: Gastronomen sollten Babysitter engagieren, sodass die Kinder der Servicekräfte und Köche vor Ort in einem eigenen Raum betreut werden können." Das sei sinnvoller, als große Kitas mit viel Personal bereitzustellen, die dann kaum genutzt werden. 

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