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75-jähriger Pegida-Ordner verurteilt

Mehr-Generationen-Prozess vor einem Strafrichter. Drei Männer sollen auf einer Demo in Dresden einen Pakistani geschlagen haben. Es kommt aber anders.

Von Alexander Schneider
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Bei einer Pegida-Demo im Juli 2019 wurde ein Ausländer beleidigt und bei einem anschließenden Gerangel von einem Ordner geschlagen. Nun standen drei Angeklagte vor dem Amtsgericht Dresden.
Bei einer Pegida-Demo im Juli 2019 wurde ein Ausländer beleidigt und bei einem anschließenden Gerangel von einem Ordner geschlagen. Nun standen drei Angeklagte vor dem Amtsgericht Dresden. © Archivbild: privat

Dresden. Drei Angeklagte mussten sich am Montag vor dem Amtsgericht Dresden wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Die Männer im Alter von 24, 51 und 75 Jahren sollen am 29. Juli 2019 gemeinsam auf einen 30-jährigen Pakistaner eingeschlagen beziehungsweise die Gewalt der Mitangeklagten gebilligt haben.

Der Übergriff auf den Ausländer fand an jenem Montag gegen 20 Uhr am Pirnaischen Platz statt. Laut Anklage stand der Geschädigte an einer Ampel und sei von Demo-Teilnehmern mit Rufen wie „Ausländer raus“, „Hau ab“ und „Ihr seid Müll“ belegt worden – woraufhin auch der Pakistaner beleidigend geworden sei. Nun seien die Angeklagten zu ihm gegangen – die beiden älteren Angeklagten, Vater und Sohn, als Pegida-Ordner.

Zunächst habe der 24-Jährige versucht, dem 30-Jährigen einen Kopfstoß zu versetzen. Dann habe der 75-jährige Ordner dem Mann mit der Faust gegen den Kopf geschlagen.

Zweifel am Tathergang

Dass es so nicht gewesen sein kann, war bald klar, nach den Angaben der Verteidiger und dem übrigen Akteninhalt. Sie bezweifelten die Ermittlungen zum Tathergang. So sei etwa die Aussage des Geschädigten nicht nachvollziehbar. So habe die Staatsanwaltschaft auch gegen den Pakistaner ermittelt, doch das Verfahren eingestellt. Auch Zeugen hatten offenbar andere Wahrnehmungen gemacht.

Der Geschädigte hatte angeblich wochenlang geblutet – obwohl noch vor Ort nur geringe Verletzungen in der Mundhöhle festgestellt worden waren. Im Zeugenstand berichtete der Pakistaner, er sei von Demonstranten als Müll beleidigt und schließlich von dem 75-Jährigen geschlagen worden.

Wenn man vieles, was der Zeuge gesagt hat, aber auch aufgrund der Sprachprobleme nicht wirklich nachvollziehbar war, weglässt, bleibt: Der 51-jährige Ordner habe nur auf  den Geschädigten eingeredet, der 24-jährige Angeklagte sei zwar der vom Auftreten her Aggressivste gewesen, aber von dem 51-Jährigen und möglicherweise von andern Teilnehmern zurückgehalten worden. Er sei dem Pakistaner nicht näher als zwei Meter gekommen. Zugeschlagen jedoch habe der 75-Jährige - plötzlich und unerwartet.

Überraschende Wende

Besonders glaubwürdig hatte das zunächst offenbar nicht auf die Prozessbeteiligten gewirkt. Der Richter war fast soweit, die Sache einzustellen oder gar alle drei Angeklagten freizusprechen. 

Doch dann brachte ein Video etwas Klarheit, das ein Teil der Auseinandersetzung zeigt. Ein Polizist, der als erster vor Ort war,  hatte seine Zeugenaussage auch mit dem Video erläutert. Die Aufnahmen waren am Tattag auf Twitter geteilt worden und sind dort heute noch zu finden. Darauf zu sehen ist eine ruckartige Bewegung des 75-Jährigen, bei der es sich durchaus um den angeklagten Schlag handeln kann.

Die Bilder belegten zumindest im Kern die Schilderungen des Geschädigten. Daher lehnte die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens ab. Der 75-jährige Angeklagte wiederholte, er habe den Mann nicht geschlagen, aber verhindern wollen, dass er seinem Sohn einen Kopfstoß verpasst. Kopfstoßversuche allerdings zeigt das Video nicht. 

Zweimal Freispruch

Während alle drei Verteidiger für ihre Mandanten einen Freispruch forderten, betonte der Staatsanwalt, dass es in diesem Prozess zwar nicht mehr um eine gefährliche Körperverletzung geht, allerdings der 75-Jährige alleine eine vorsätzliche Körperverletzung begangen habe. Von Demonstrations-Teilnehmern sei grundsätzlich eine Zurückhaltung vor körperlichen Übergriffen zu verlangen, in ganz besonderem Maße gelte dies jedoch für Ordner. Daher plädierte der Ankläger auf eine Geldstrafe von 1.250 Euro.

Der Richter teilte zwar die Auffassung des Staatsanwalts, was die Verantwortung von Ordnern auf Demonstrationen angeht: "Von Ordnern auf Demonstrationen muss eine besondere Zurückhaltung verlangt werden." Er verurteilte den Rentner, er war als einziger nicht vorbestraft, jedoch "nur" wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 500 Euro.

Es sei nicht widerlegbar, dass der 75-jährige Angeklagte einen Angriff auf seinen Sohn habe verhindern wollen. Daher habe er nicht vorsätzlich gehandelt. Juristen sprechen in solchen Fällen von einem "Erlaubnisirrtum".

Die beiden anderen Angeklagten wurden freigesprochen.

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