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Was macht ein Dachs in der Kläranlage?

In der Kaditzer Anlage leben zahlreiche Tiere. Sogar ein Elch schaute vorbei. Wie Eidechsen und Uferschwalben angelockt werden.

Von Peter Hilbert
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Diese grüne Idylle mit Wiesen und einem Teich gibt es direkt an der Kaditzer Kläranlage. Stabsstellenleiter Thomas Schöniger von der Stadtentwässerung kümmert sich um die Pflege der Flächen.
Diese grüne Idylle mit Wiesen und einem Teich gibt es direkt an der Kaditzer Kläranlage. Stabsstellenleiter Thomas Schöniger von der Stadtentwässerung kümmert sich um die Pflege der Flächen. © Peter Hilbert

Dresden. Füchse, Hasen, und Dachse leben in der Kaditzer Kläranlage. „Sogar ein Elch ist schon einmal bei uns gewesen“, erinnert Thomas Schöniger an einen spektakulären Fall. Der 51-Jährige ist als Stabsstellenleiter für den Betrieb der Gebäude, die Pflege der Flächen und auch für das Energiemanagement zuständig.

Im August 2014 war ein junger Elch erstmals in Radebeul gesichtet worden, anschließend durchschwamm er die Elbe und wanderte Richtung Dresden. Dann graste er unweit des Industriegeländes auch an der Kläranlage Kaditz. Letztlich flüchtete er ins nahegelegene Verwaltungsgebäude von Siemens. Nach Angaben des Sachsenforsts kommt es immer mal wieder vor, dass junge Elche aus Polen auf Wanderschaft bis Dresden kommen. Schließlich rückte ein Experte mit Betäubungsgewehr an. Getroffen von Pfeilen, ging der Elch in die Knie. Auf einer Trage wurde das riesige Tier in den Container bugsiert, in einen ostsächsischen Wald gebracht und wieder ausgewildert.

Ein spektakuläres Bild bot sich am 25. August 2014. Nachdem dieser Elch im Klärwerk Kaditz war, flüchte er ins nahe gelegene Verwaltungsgebäude von Siemens und stand dort auf diesem Flur.
Ein spektakuläres Bild bot sich am 25. August 2014. Nachdem dieser Elch im Klärwerk Kaditz war, flüchte er ins nahe gelegene Verwaltungsgebäude von Siemens und stand dort auf diesem Flur. © Arvid Müller

Das Wasserparadies: Schlammlager wird zum Teich

Solchen spektakulären Besuch hat das Klärwerk zwar selten. Dass inmitten der grünen Anlage andere Tiere leben, ist mittlerweile jedoch normal. Schließlich bietet die Ökofläche jenseits der Autobahn in Richtung Kaditz, das sogenannte Baufeld C, beste Bedingungen, erklärt Schöniger. So setzen die Mitarbeiter der Wildvogel-Auffangstation genesene Tiere dort wieder aus, wenn sie auf die Beine gekommen sind und fliegen können. „Sie kommen auch gern wieder“, berichtet der Stabsstellenchef.

Diese Ökofläche an der Autobahn hat die Stadtentwässerung auf dem Gelände eines früheren Schlammlagers angelegt. Aus der Vogelperspektive ist auch der Teich zu sehen.
Diese Ökofläche an der Autobahn hat die Stadtentwässerung auf dem Gelände eines früheren Schlammlagers angelegt. Aus der Vogelperspektive ist auch der Teich zu sehen. © Torsten Fiedler Stadtentwässerung Dresden

Dort gibt es einen Teich, der bereits 2011 angelegt wurde. „Früher war das ein altes Schlammlager.“ Beim Bau der 2012 fertiggestellten Faultürme wurde die Fläche als Notlager für den alten Klärschlamm genutzt. Doch dafür wurde das Areal nicht mehr gebraucht. Also entstand der von Schilf und anderen Wasserpflanzen gesäumte Teich. „Er hat sich mittlerweile zu einem richtigen Naturparadies entwickelt“, sagt Schöniger. „Hier sagen sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht. Hier leben auch Rehe, Dachse, Insekten und Fische. Das ist eine Idylle.“ Da der Teich nach unten abgedichtet ist, war er selbst in dem ganz trockenen Sommern 2018 und 2019 nicht ausgetrocknet.

Ende 2019 waren 10.000 Sträucher auf der Ökofläche angepflanzt worden. Mittlerweile sind sie sichtbar gewachsen.
Ende 2019 waren 10.000 Sträucher auf der Ökofläche angepflanzt worden. Mittlerweile sind sie sichtbar gewachsen. © Peter Hilbert

Diese Ökofläche entlang der Autobahn sei völlig natürlich. Nur die Ende 2019 gepflanzten Großsträucher werden in den ersten Jahren bewässert, damit sie gut wachsen können. Deshalb werden dort auch die extensiven Wiesen gemäht. „Sonst bleibt alles naturbelassen“, sagt Schöniger.

Der Nistplatz: Wand für Uferschwalben

Einen Steinwurf entfernt davon hat die Stadtentwässerung 2011 aus natürlichen Elbsedimenten wie Sand und Kies eine Uferschwalben-Wand angelegt. Sie ist etwa 50 Meter lang und fünf Meter hoch. „Wenn die Elbe im Frühjahr Hochwasser führt, nutzen die Uferschwalben danach die neuen, frisch abgebrochenen Uferwände“, erläutert er. Dort bohren die Vögel Löcher für ihre Nester, wo sie brüten können. „Da der Elbverlauf aber nicht mehr der natürliche ist, daher kaum noch natürliche Uferböschungen zu finden sind, bieten wir diese Möglichkeit mit einer aufgeschütteten Wand aus den normalen Elbsedimenten. Im Übrigen ist das alles natürlicher Aushub von mehreren Baumaßnahmen. Allerdings wird sie noch nicht gut angenommen.“

Eine Wand aus Elbsedimenten wie Sand und Kies ist für Uferschwalben gedacht. In Löchern können sie ihre Nester anlegen und brüten.
Eine Wand aus Elbsedimenten wie Sand und Kies ist für Uferschwalben gedacht. In Löchern können sie ihre Nester anlegen und brüten. © Peter Hilbert

Experte Steffen Keller vom Umweltzentrum versucht sie jetzt zu überlisten. Er bohrt Löcher in die Wand und markiert sie mit weißer Farbe. Das soll vortäuschen, dass Uferschwalben dort bereits ihren Kot hinterlassen haben. „In den vergangenen zwei Jahren wird die Wand nun langsam von den Schwalben angenommen“, sagt Schöniger. Alle drei Jahre wird die Oberfläche ein Stück abgebaggert. So verschwindet das Gras – und die Uferschwalben haben wieder frische Flächen zum Neubohren.

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Die Brutstätte: Eidechsen legen ihre Eier

Gut angenommen werden hingegen andere Anlagen, in denen Eidechsen brüten können. Das sind Steininseln, auf denen sich die Tiere wohlfühlen. Davor ist feiner Sand bis in eine Tiefe von einem halben Meter aufgeschüttet. „Dort graben sie sich im Frühjahr ein, um ihre Eier abzulegen“, erklärt er. Die Sonne brütet sie dann aus, sodass die jungen Eidechsen schlüpfen. Gut sichtbar sind die Mulden im Sand, wo die Eier abgelegt werden.

Diese Stein- und Sandinseln wurden als Eidechsen-Brutstätten angelegt. Eidechsen heben Mulden im feinen Sand aus, um ihre Eier ablegen zu können.
Diese Stein- und Sandinseln wurden als Eidechsen-Brutstätten angelegt. Eidechsen heben Mulden im feinen Sand aus, um ihre Eier ablegen zu können. © Peter Hilbert

Die Eidechsen-Brutstätten waren zuerst 2002 neben der biologischen Klärbecken angelegt worden, 2011 unweit der im Bau befindlichen Faultürme und 2015 an der Kaditzer Flutrinne. Die Brutstätten müssen gepflegt werden. So wird regelmäßig geprüft, ob die Steinhaufen fest gestapelt sind. Dieses Jahr war der Sand erneuert worden, weil die Flächen bereits zu stark zugewachsen waren. „Die Spuren zeigen, dass sich hier viele Eidechsen angesiedelt haben“, sagt Schöniger.

Der Falkenkasten: Überwachungskamera geplant

Hoch empor ragen die Klärschlamm-Verladesilos, in denen der ausgefaulte Schlamm verladen wird. Ganz oben ist ein Falkenkasten von der Wildvogel-Auffangstation montiert worden. Geplant ist, dort noch eine Kamera zu installieren. „So können die Turmfalken aus der Ferne beobachtet werden, ohne sie zu stören“, erklärt er den Effekt.

Ganz oben auf dieser Schlamm-Verladeanlage wurde ein Falkenkasten angebracht.
Ganz oben auf dieser Schlamm-Verladeanlage wurde ein Falkenkasten angebracht. © Peter Hilbert

Die Wildblumen: Nahrung für Bienen und andere Insekten

Gesäumt sind diese Eidechsen-Brutstätten von Wiesenstreifen mit Wildblumen. Sie sind 2020 entlang der Autobahn neben den Nachklärbecken sowie an der Zufahrt zu den Anlagen der Schlammbehandlung mit den Faultürmen angelegt worden. Insgesamt wachsen die Wildblumen auf 1,5 Hektar großen Flächen. Einmal jährlich werden sie im Herbst gemäht. „Dadurch bleiben diese Wildwiesen durch deren eigene Aussaat erhalten und die Insekten haben in der warmen Jahreszeit genügend Futter.“

Im vergangenen Jahr wurden Wildblumenwiesen auf insgesamt 1,5 Hektar großen Flächen angelegt, wie hier vor den Faultürmen.
Im vergangenen Jahr wurden Wildblumenwiesen auf insgesamt 1,5 Hektar großen Flächen angelegt, wie hier vor den Faultürmen. © Peter Hilbert

Das finden auch die Bienen eines Dresdner Imkers, der 17 Bienenkästen an der Ökofläche jenseits der Autobahn aufgestellt hat. „Im Frühjahr und im Sommer finden sie ohnehin genügend Nektar“ erläutert Schöniger, der selbst Bienen züchtet. „Das Problem kommt im Spätherbst. Da bieten unsere wildblühenden Wiesen aber immer noch genügend Futter.“

Ein Imker hat auf der Ökofläche in solchen Kästen insgesamt 17 Bienenvölker untergebracht.
Ein Imker hat auf der Ökofläche in solchen Kästen insgesamt 17 Bienenvölker untergebracht. © Peter Hilbert

Der Stadtentwässerung ist es wichtig, dieses Tier- und Pflanzenparadies zu erhalten und auszubauen. „Für die Unterhaltspflege investieren wir jährlich rund 200.000 Euro“, erklärt der Stabsstellenchef.