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Codewort "Gewürzgurke": Glimpfliches Urteil im Dresdner Würgesex-Fall

Wer sein Liebesleben mit außergewöhnlichen Praktiken aufpeppt, sollte sie sehr gut vorbereiten. Das ist die Lehre eines recht ungewöhnlichen Vergewaltigungsprozesses in Dresden.

Von Alexander Schneider
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Bei bestimmten Sexualpraktiken ist es empfehlenswert, zuvor genau abzusprechen, was passieren soll. In einem Fall, der nun vor dem Landgericht Dresden als Vergewaltigung verhandelt wurde, war das gründlich schiefgegangen.
Bei bestimmten Sexualpraktiken ist es empfehlenswert, zuvor genau abzusprechen, was passieren soll. In einem Fall, der nun vor dem Landgericht Dresden als Vergewaltigung verhandelt wurde, war das gründlich schiefgegangen. © Symbolfoto: dpa/Christophe Gateau

Dresden. Nein, mit Sexpraktiken aus dem "BDSM"-Bereich hat das Landgericht Dresden nicht oft zu tun – das schickte der Vorsitzende Richter Joachim Kubista dem Urteil seiner Kammer voraus. Seit März verhandelte das Gericht gegen einen 25-jährigen Karosseriebauer aus Dresden – wegen Vergewaltigung in besonders schwerem Fall.

"BDSM" steht für sexuelle Leibesertüchtigungen aus dem Sado-Maso-Bereich, für Dominanz, Unterwerfung, Fesselspiele und ähnliches. "Ungewöhnlich", so der Vorsitzende, sei die Hauptverhandlung nicht allein wegen des Tatvorwurfes, sondern auch bezüglich des Ergebnisses für den Angeklagten.

Der 25-Jährige soll laut Anklage eine 20-jährige Frau, die er erst wenige Wochen zuvor über die Dating-Plattform Tinder kennengelernt hatte, mehrfach vergewaltigt und beim Liebesspiel mit einem Schal so schwer gewürgt haben, dass sie eine massive Atemnot erlitt. Der junge Mann gab die Handlungen, die ihm vorgeworfen wurden, zu, bestritt jedoch, gegen den Willen der Partnerin gehandelt zu haben.

"Aus dem Ruder gelaufen"

Es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt, das Würgen sei besprochen worden und das zur Sicherheit ausgemachte Codewort – "Gewürzgurke" – habe die Frau nicht genannt. Dennoch habe er aufgehört, ihren Hals mit der Schlinge seines Schals zu strangulieren, als er sie weinen gesehen habe. Schon am ersten Sitzungstag sagte Kubista, man habe es hier mit einvernehmlichem Geschlechtsverkehr zweier junger Menschen zu tun, der "aus dem Ruder gelaufen" sei. Ein Hinweis, dass der Angeklagten die Mindeststrafe von fünf Jahren eher nicht mehr fürchten muss.

So kam es dann auch. Der bislang nicht vorbestrafte Dresdner wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 4.950 Euro und wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Weiter muss der Angeklagte der Geschädigten 3.500 Euro Schmerzensgeld zahlen und alle Kosten tragen, die ihr entstanden sind und noch entstehen könnten.

Einwilligung in Körperverletzung

Das massive Strangulieren während des einvernehmlichen Verkehrs wertete das Gericht als fahrlässige Körperverletzung, da die Frau in diese Körperverletzung eingewilligt hatte. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit wäre in diesem Fall erst bei akuter Lebensgefahr der 20-Jährigen überschritten worden. So weit sei es aber nicht gegangen, sagte Kubista.

Die Kammer habe der Frau eine erneute Vernehmung im Prozess nicht ersparen können. Die Aussage der Zeugin sei "beeindruckend" gewesen, ohne Belastungseifer. Doch auch sie sei sich nicht sicher gewesen, ob der Angeklagte das Safeword "Gewürzgurke", das sie mit der zugezogenen Schlinge am Hals gesagt habe, auch verstehen konnte, so Kubista. Er rechnete der Frau hoch an, dass sie sich dazu durchgerungen habe, eine Anzeige zu erstatten.

Die Vergewaltigung habe dann am nächsten Morgen stattgefunden, als der Angeklagte mit der Frau, die trotz des verunglückten Würge-Sexes bei ihm im Bett übernachtet habe, gegen ihren erkennbaren Willen Geschlechtsverkehr durchgeführt habe.

Der Vorsitzende sagte, gerade wenn sich Sexualpartner nahezu unbekannt seien, sei zu empfehlen, vor dem Sex sehr genau zu besprechen, was man machen will – "und hier nichts dem Zufall zu überlassen". Man könnte auch schriftlich fixieren, was man einvernehmlich zu tun bereit sei.