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Schauspielstar Christian Friedel glänzt beim Theatermagier Robert Wilson

Erstmals inszeniert der brillante Regisseur in Dresden. Er zerhackstückt Oscar Wildes „Dorian Gray“ zu Tragödien der Liebe und empfiehlt, sich fallenzulassen.

Von Bernd Klempnow
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Szene aus „Dorian“ mit Christian Friedel in der Hauptrolle.
Szene aus „Dorian“ mit Christian Friedel in der Hauptrolle. © Lucie Jansch

Es sind Bilder, die man auch nach Jahren nicht vergisst. Etwa jenes von Schauspieler Christian Friedel, der sich im weißen Smoking mit Brillantenhandschuh wie ein Superstar in einem Spiegel vervielfacht. Oder jenes der Maske, die Friedel trägt: Blaue Kontaktlinsen lassen seine Augen in einem gänzlich weiß geschminkten Gesicht zuweilen suggestiv leuchten. Beide Momente sind Teil der Inszenierung „Dorian“, die am Sonnabend im Staatsschauspiel Dresden Premiere hat.

Es ist eine besondere Premiere, selbst wenn die Produktion bereits im Juni 2022 in Düsseldorf herausgekommen ist. Erstmals zeigt eine Bühne in Ostdeutschland eine Arbeit des Theatermagiers Robert Wilson. Der wird seit Jahrzehnten für seine Bühnen-Gesamtkunstwerke gefeiert, die er zumeist in Personalunion als Regisseur, Choreograf, Ausstatter und Lichtdesigner schaffte. Ob für Oper, Sprechtheater oder Musical, er gab dem Theater und der Performance-Kunst grundlegend neue Impulse. Und erzielte mit „The Black Rider“, einer doppelbödigen Musicalversion von Webers „Freischütz“, einen Welterfolg.

Robert Wilson hat an der New Yorker Met wie in Salzburg gearbeitet, kuratiert Ausstellungen und schreibt Hörspiele.
Robert Wilson hat an der New Yorker Met wie in Salzburg gearbeitet, kuratiert Ausstellungen und schreibt Hörspiele. © Lucie Jansch

Für Dresden und den hiesigen Publikumsliebling Friedel hat Wilson das anderthalbstündige Solo „Dorian“ erfunden. Drei Geschichten vereint das Solo: die des Oscar-Wilde-Romans „Das Bildnis des Dorian Gray“, die der englischen Malerikone Francis Bacon und die des Autors Oscar Wilde selbst. Er habe zunächst wenig mit Wildes „Dorian Gray“ anfangen können, sagt der 81-jährige Wilson. „Es ist ja ein Meisterwerk, was zu respektieren ist. Aber Sklave des Textes wollte ich auch nicht sein. Also habe ich ihn zerstört und so neuen Zugang gefunden.“

Es geht mehr oder weniger um die Lieben der drei Männer zu Männern, ihren Tragödien, ihren Zweifeln, um das Charisma von Narzissten. Der US-Amerikaner Darryl Pinckney hat nach Anregung von Wilson dies in einen assoziativen, in sich verschlungenen Text verarbeitet. Es ist nicht unbedingt entscheidend, dass man die Geschichten und Beziehungen der fiktiven und realen Figuren kennt. Denn Friedel, so die einhellig jubelnde Kritik in Düsseldorf, „vereint alle Elemente des Textes in einer eigenständigen Synthese aus Intensität, Entertainer-Esprit und beglückender, leichtfüßiger Präzision. Er schwebt über der Bühne, er gleitet an der Rampe entlang, kichert“, schrieb beispielsweise die „Süddeutsche Zeitung“. Er sei Robert Wilsons kongenialer Performance-Partner.

Der Altmeister ist ganz bei sich. Er hat in den 1970ern eine unverwechselbare Ästhetik entwickelt mit dem Wandel zwischen Hektik und Langsamkeit, mit einer markanten Gestik aus abgewinkelten Armen und starr gespreizten Händen. Das Puppenartige prägt seine Figuren, weshalb manche Kritiker ihm vorwerfen, seine Traumwelten seien ausschließlich Form und nicht Inhalt.

Der Künstler selbst bleibt gelassen: Psychologische Tiefe möge man nicht suchen. „Man sollte eine Beziehung dazu aufbauen, aber man sollte nicht versuchen, dabei etwas herauszufinden – den Grund, warum es getan wurde. Das habe das deutsche Publikum schon immer verwundert.“ Einfach fallenlassen also, mehr fühlen als denken, in eine Bühnenwelt voller Schönheiten und dem Grauen unter der Oberfläche.

"Dorian" ab 7. Januar im Staatsschauspiel Dresden. Karten im Webshop oder telefonischer Kartenverkauf 0351 49 13-555