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Wo die dicken Fische wohnen

André Naumann ist einer von mehr als 3.500 Anglern in Dresden. Gerade in Corona-Zeiten werden die Vorzüge seines Hobbys deutlich.

Von Henry Berndt
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Coronasicherer Stressausgleich: Angler André Naumann kennt die besten Plätze.
Coronasicherer Stressausgleich: Angler André Naumann kennt die besten Plätze. © Christian Juppe

Dresden. Ob heute was geht? André Naumann ist skeptisch. Am Elbufer, unweit der Flügelwegbrücke, hat er seit einer Stunde zwei Angeln im Wasser hängen. 

"Die Strömung ist stark heute, das wird schwierig", sagt der 34-Jährige. Zu allem Überfluss wird auf der anderen Seite der Brücke gerade auch noch die Fahrrinne ausgebaggert, sodass eine Menge Schmutz aufgewirbelt wird.

An anderen Tagen jedoch ist die Elbe ein attraktives Angelgewässer. Viele Karpfen leben hier, Zander, Giebel und auch mächtige Welse. 

Weil sich direkt in Dresden besonders viele Angler tummeln, sind die Chancen auf gute Fänge ein Stück weiter in Richtung Meißen oder Bad Schandau besser.

Das Klischee vom schweigenden Angler? "Längst überholt"

André Naumann arbeitet als Koch und hat gerade Urlaub. Wie fast immer, ist er zusammen mit seinem Schwager auf Angeltour.

Am liebsten gehen sie auf Karpfen und bevorzugen Seen wie in Wallroda im Landkreis Bautzen, wo sie im Sommer gern ganze Nächte am Ufer verbringen.

Das Klischee vom schweigsamen Angler, der stundenlang regungslos da sitzt und die besten Stellen wie ein Geheimnis hütet, sei jedoch längst überholt.

"In den vergangenen Jahren hat sich da viel entwickelt." Es gebe eine richtige Gemeinschaft und selbstverständlich tausche man sich auch darüber aus, wo und wann die Fische gerade am eifrigsten beißen. Dafür nutze man inzwischen Apps fürs Handy - den persönlichen Kontakt ersetzen die aber nicht.

Braten statt Prahlen: Die Jagd nach Trophäen spielt für André Naumann keine Rolle.
Braten statt Prahlen: Die Jagd nach Trophäen spielt für André Naumann keine Rolle. © privat

Das  Angeln begleitet Naumann schon seit seiner Kindheit. Sein Vater gab die Leidenschaft und die wichtigsten Kniffe an ihn weiter. 

"Lange habe ich aber nur in Bezahlgewässern geangelt", sagt er, "bis mir das nicht mehr reichte und ich nach meinem Dienst bei der Bundeswehr auch mehr Zeit hatte."

Vor drei Jahren war Naumann einer der Mitbegründer des Anglervereins Dresden-Centrum, der sich damals vom Traditionsverein Dresden-Mitte abspaltete. 

Im Guten, wohl gemerkt. Mit damals über 200 Mitgliedern war der alte Verein an der Kapazitätsgrenze - während immer mehr, vor allem junge Leute, den Angelsport für sich entdeckten.

Dazu muss man wissen, dass sich nicht einfach jeder eine Angel kaufen kann und sie mit Wurm in die Elbe hängen darf. Die dafür drohenden Strafen würden den Spaß schnell verderben. 

Wer angeln will, der braucht einen Fischereischein und eine Erlaubnis. Letztere kann man sich entweder tageweise kaufen - oder man tritt einem Anglerverein bei. Ganze 52 Vereine gibt es allein in Dresden - mit mehr als 3.500 Mitgliedern. Tendenz stark steigend. 

Einen Verein zu finden ist schwer

Gerade jetzt, in Corona-Zeiten, bemerkten viele Dresdner, dass das Angeln ein wunderbarer Ausgleich zum Stress des Alltages sei - und ein Hobby, das selbst im Lockdown noch erlaubt sei, wenn alle Sporthallen und Fitnessstudios geschlossen sind.

Allerdings sei es gar nicht so leicht, einen Verein zu finden. Viele der Dresdner Vereine sind kleinere Altherren-Clubs, die gar kein Interesse daran haben, neue Mitglieder aufzunehmen und sich dadurch mehr bürokratischen Aufwand an Land zu ziehen.

Bei Dresden-Centrum sei das anders, betont Naumann. Trotz seiner derzeit 106 Mitglieder sei der Verein immer noch offen für neue Bewerber. Für 15 Euro im Monat gibt es neben der Angelerlaubnis auch regelmäßig gemeinsame Angeltouren, Gewässerausfahrten und Vereinsabende.

Im Dresdner Stadtgebiet sei vor allem die Kiesgrube Leuben eine Reise wert - und liefere etwas für die heimische Pfanne oder den Kochtopf. Denn vor allem darum ginge es Anglern wie ihm in erster Linie, während sie die Trophäenjagd nach den größten, längsten und seltensten Exemplaren strikt ablehnten.

Farben und Formen für jeden Geschmack: Spinner locken Raubfische an.
Farben und Formen für jeden Geschmack: Spinner locken Raubfische an. © Christian Juppe

Ein Alarmsignal ertönt, doch André Naumann bleibt ruhig. "Das war nur der Bissanzeiger an der Angel", erklärt er. Da der Ton direkt wieder verhallt, hat sich vermutlich nur kurz ein Stück Unrat an der Schnur verhangen - oder ein Fisch hat mal probiert.

Bis zu zwei Angeln mit "Grundmontage", das heißt mit einem beschwerten Köder, der auf dem Boden liegt, darf ein Angler in Sachsen gleichzeitig im Wasser haben. 

Will er stattdessen auf Raubfische gehen, indem er einen Spinner auswirft und wieder in Richtung Ufer zieht, muss er vorher die beiden Friedfisch-Angeln wieder einholen. So will es das Gesetz. 

"Die meisten halten sich daran", sagt Naumann. Schließlich sei man als Angler auch dem Naturschutz verpflichtet, wenngleich das nicht alle anderen Naturschützer so sehen.

Strenge Kontrollen und viele Regeln

Gerade montiert Naumann einen neongrün leuchtenden Gummifisch an einen Haken, als ein älterer Herr mit Kappe auf ihn zukommt und seinen Ausweis zeigt. "Na, das passt ja", sagt Naumann und lacht.

Seit zwei Jahren ist er nicht mehr von der Verbandsgewässeraufsicht kontrolliert worden. Nun muss er seine Dokumente vorzeigen. Alles ist in Ordnung.

Bei einer strengeren Kontrolle hätte er zusätzlich noch seine komplette Ausrüstung präsentieren müssen. Hilfsmittel wie Kescher und Maßband gehören immer ins Gepäck, sonst gibt es Ärger.

Zufrieden zieht der Kontrolleur von dannen und André Naumann widmet sich wieder seinem Gummifisch. 15 Euro kostet der im Laden. Dafür bekommt man zwar auch einiges an gutem Fisch - aber nicht den Spaß dazu.

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