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Bauarbeiten, Zugausfälle, Ersatzverkehr: Gestrandet am Hauptbahnhof Dresden

Durch Bauarbeiten fahren am Dresdner Hauptbahnhof derzeit nur einige wenige Züge. Doch Fahrgäste stranden trotzdem zuhauf hier und irren umher. Hilfe gibt es bei den "Rotwesten" der Bahn. Ein Besuch.

Von Juliane Just
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Viele Fahrgäste bleiben am Wochenende unschlüssig vor den Anzeigetafeln des Dresdner Hauptbahnhofs stehen. Wo genau müssen wir jetzt hin?
Viele Fahrgäste bleiben am Wochenende unschlüssig vor den Anzeigetafeln des Dresdner Hauptbahnhofs stehen. Wo genau müssen wir jetzt hin? © Marion Doering

Dresden. Das Gewimmel am Hauptbahnhof ist immer das Gleiche. Fast gleicht es einem Ameisenhaufen - alle wollen irgendwohin, weichen ständig einander aus und finden doch ihren Weg. So auch an diesem Samstagvormittag. Auf der großen Anzeigetafel stehen eine Handvoll Züge, der Lauftext erklärt in langen Zeilen unentwegt die zahlreichen Änderungen. Zugausfälle, Ersatzverkehr, Fahrplanänderung - die Worte, die so manchen Reisenden an den Rand der Verzweiflung bringen können.

Grund dafür sind Bauarbeiten an Dresdens größtem Fahrgast-Umschlagplatz. Weil das elektronische Stellwerk mehr Strom braucht, wird der Hauptbahnhof für einige Tage größtenteils vom Netz genommen. Seit Freitag und noch bis Sonntag sei der Bahnverkehr stark beeinträchtigt, so die Deutsche Bahn. Die Änderungen für den Nahverkehr sind umfangreich und gleichen auf den ersten Blick einer mathematischen Abhandlung.

Die schwülheiße Luft wabert an diesem Samstagvormittag durch die Bahnhofshalle, der angekündigte Temperatursturz lässt weiter auf sich warten. Eine Frau, die einen großen Koffer vor sich stehen hat, blickt mit fragendem Blick auf die Anzeigetafel. "Tja, dann können wir nur mit der S-Bahn zum Bahnhof Neustadt fahren und von dort weiter", sagt sie zu ihrem Begleiter. Der versinkt in den Tiefen der DB-App, der digitalen Variante der Anzeigetafel. Er schaut auf, nickt. Also los.

Bauarbeiten am Dresdner Hauptbahnhof: Viele Fahrgäste haben viele Fragen

Gleich daneben am Informationsschalter arbeiten zwei Mitarbeiterinnen auf Hochdruck, um die lange Warteschlage abzuarbeiten. Viele Fahrgäste haben viele Fragen. So auch Isabell Rüster, die sich mit ihrem Sohn John Jaden und einem riesigen Koffer angestellt hat. Sie seien ein paar Tage in Pirna bei der Oma gewesen, sagt sie. Nun wollen sie nach Elsterwerda.

Der Stopp am Hauptbahnhof in Dresden war geplant, um noch Snacks zu holen. Doch jetzt ist die junge Frau irgendwie hier gestrandet. "In Pirna wurde mir gesagt, es würde ein Zug nach Elsterwerda fahren. An der Anzeigetafel steht jedoch etwas anderes", sagt sie. Nun wolle sie lieber nachfragen. Minuten später hat sie eine Antwort, eilt mit ihrem Sohn zum Gleis.

In diesem Chaos gibt es einen, der den Durchblick hat: Patrick Labahn. Der 29-Jährige trägt eine rote Weste mit der Aufschrift "DB" und ist heute offiziell der Ansprechpartner für den Wahnsinn am Hauptbahnhof. Eigentlich arbeitet er im DB-Sicherheitsdienst, wurde aber heute als Reiseleitung eingesetzt. "Wir sind da, um den Fahrgästen bei Fragen zu helfen und sie zum Ersatzverkehr zu leiten", sagt er.

Einer, der Durchblick hat im Chaos am Hauptbahnhof Dresden: DB-Mitarbeiter Patrick Labahn steht den Fahrgästen bei Fragen zur Verfügung.
Einer, der Durchblick hat im Chaos am Hauptbahnhof Dresden: DB-Mitarbeiter Patrick Labahn steht den Fahrgästen bei Fragen zur Verfügung. © Marion Doering

Zusätzliche DB-Mitarbeiter helfen Dresdner Fahrgästen

An diesem Samstag ist er mit seinem Kollegen als "Rotweste" einer der Gefragtesten in den Bahnhofshallen. Er agiert wie eine Art Lexikon, beantwortet geduldig die immer gleichen Fragen. Nein, der Zug fährt heute da hinten von Gleis 3. Nein, da müssten Sie vorn zum Ersatzverkehr an der Strehlener Straße. Ja, ich zeige Ihnen, wie man die Viererkarte am Automaten auswählt.

"Heute hängt es vor allem bei den Verbindungen nach Hof, Zwickau, Freiberg und allgemein nach Tschechien", erklärt er. Unzählige Busse fahren an der Strehlener Straße, der Innenstadt-abgewandten Längsseite des Hauptbahnhofs, in alle möglichen Richtungen. Wer zum Beispiel nach Prag will, muss in den Ersatzverkehr nach Ústí nad Labem steigen, von dort aus geht es mit dem Zug weiter. Damit jeder Fahrgast in den richtigen Bus steigt, helfen die DB-Mitarbeiter auch dort im Gewirr.

"Dresden-Plauen, bitte hier einsteigen", ruft Patrick Labahn über den Gehsteig. Der Bus verschluckt die Wartenden, kurze Verschnaufpause für den 29-Jährigen. Er greift zum Energy-Drink, der gerade so in seine Brusttasche passt. "Irgendwo muss man ja seine Energie herholen", sagt er und lächelt. Eine vollgepackte Männergruppe kommt auf ihn zu, fragt nach dem nächsten Bus nach Ústí nad Labem. "In einer Stunde kommt ein Bus." "Gut, dann gehen wir in den Sexshop", sagt einer von ihnen und sie drehen sich lachend um.

Bei Sprachbarrieren wird das Smartphone zum Übersetzer

Eine junge Frau bleibt als Einzige an der Ersatz-Haltestelle zurück. Heute Morgen ist sie von Freiberg nach Dresden gefahren, nun tritt sie den Rückweg an. "Man sieht in der App eigentlich gut, wo man hin muss", sagt die 19-Jährige. Die älteren Fahrgäste, die nicht mit einem Smartphone ausgestattet sind, brauchen öfter Hilfe von den "Rotwesten".

Wenn der DB-Helfer mit Deutsch und Englisch nicht mehr weiterkommt, wird das Smartphone zum Dolmetscher. "Bei den Apps muss man aber aufpassen, das kann bei einigen Sprachen schnell anrüchig werden", sagt er und schmunzelt. Wichtig ist ihm, dass alle im Umgang freundlich bleiben. Noch bis 14 Uhr geht seine Schicht. Bis dahin wird der 29-Jährige noch unzählige Fragen beantworten und unzähligen Fahrgästen den richtigen Weg weisen. Ab Montag ist das Chaos dann wieder vorbei - hoffentlich.