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Dresdner Cannabis Social Club-Betreiber: "Ich will sauberes Gras anbauen"

Am Freitag hat der Bundesrat beschlossen, Cannabis zu legalisieren. So stehen ein Cannabis Social Club-Gründer, ein Psychiater und ein Staatsanwalt aus Dresden zu dem neuen Gesetz.

Von Connor Endt
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Ramon Paulick ist gerade dabei, einen Cannabis Social Club in Dresden zu gründen.
Ramon Paulick ist gerade dabei, einen Cannabis Social Club in Dresden zu gründen. © René Meinig

Dresden. Der 22. März ist ein besonderer Tag für Ramon Paulick. Nach wochenlangen Diskussionen hat der Bundesrat dem Cannabis-Gesetz am Freitag zugestimmt. Besitz und Anbau der Droge werden damit ab dem 1. April legal. Erlaubt sind dann auch nicht-kommerzielle "Cannabis Social Clubs" (CSC) für Volljährige. Bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland dürfen Cannabis dort gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben.

Genau so einen CSC will Ramon Paulick gründen. "Dre(h)sden CSC" wird er heißen, eine eigene Homepage ist bereits online. "Aktuell arbeiten wir zusammen mit einem Anwalt an der Vereinssatzung", sagt der 22-Jährige. Er hofft, noch in diesem Jahr zu starten und Ende 2024 oder Anfang 2025 mit der Abgabe von Cannabis beginnen zu können.

Die geplante Teil-Legalisierung von Cannabis sorgt für gespaltene Meinungen in Dresden. Sächsische.de hat sich umgehört - das sagen ein Cannabis Social Club-Gründer, ein Psychiater und ein Staatsanwalt zu dem dem Cannabis-Gesetz.

Social Club-Gründer: "Ich finde 50 Gramm zu viel"

Ramon Paulick ist 15 Jahre alt, als er das erste Mal einen Joint angeboten bekommt. "Das war aber kein Cannabis, sondern Spice", erinnert er sich. Spice besteht aus synthetischen Cannabinoiden. Wie diese chemischen Stoffe genau im Körper wirken, ist bis heute nicht gänzlich erforscht. "Ich bin bei meinem ersten Joint im Krankenhaus gelandet, war unterkühlt und habe stark gezittert", sagt Paulick.

Auch in den Jahren danach hätten er und Bekannte immer wieder gestrecktes oder chemisch versetztes Cannabis gekauft. "Das Gras roch teilweise wie Chemiereiniger und hat beim Verbrennen die ganze Zeit geknistert."

Derartige Erlebnisse will Paulick in Zukunft verhindern. "Ich will sauberes Gras anbauen, ohne irgendwelche chemischen Inhaltsstoffe", sagt er. Die Einnahmen aus dem "Dre(h)sden CSC" will er an die Technische Universität (TU), das Uniklinikum und das Tierheim spenden. "Dann profitieren von dem CSC auch andere Initiativen, das ist doch super", findet er.

Obwohl sich Paulick über die Teil-Legalisierung von Cannabis freut, hat er einige Bedenken. "Ich finde, 50 Gramm sind als Eigenbesitz zu viel", sagt er. Gleichzeitig zweifelt er daran, dass Konsumenten mit dem gesetzlich erlaubten THC-Gehalt von zehn Prozent zufrieden sein werden. "Das werden viele nicht kaufen, weil sie eine höhere Dosierung gewohnt sind", vermutet er. "Viele werden sich das Gras weiterhin auf der Straße besorgen."

Psychiater: "Psychosen können ausgelöst werden"

Veit Roessner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie: "Haben deutschlandweit mehr als 200.000 suchterkrankte Kinder und Jugendliche."
Veit Roessner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie: "Haben deutschlandweit mehr als 200.000 suchterkrankte Kinder und Jugendliche." © Agentur

Mit diesen Zweifeln ist der CSC-Gründer nicht alleine. Auch Veit Roessner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Dresdner Uniklinikum, macht sich Sorgen. "Wir haben deutschlandweit etwas mehr als 200.000 suchterkrankte Kinder und Jugendliche, die behandelt werden müssten", sagt er. "In Deutschland gibt es dafür aber nur ungefähr 200 bis 240 Therapieplätze, die auf Suchterkrankungen spezialisiert sind." Im Moment gebe es in Ostsachsen kein spezialisiertes Suchtbehandlungs- und Beratungsangebot aus dem medizinischen Sektor, außer einer Entgiftungsstation in Arnsdorf. "Das ist aber nur ein minimaler Baustein einer notwendigen Versorgungskette", so Roessner.

Roessner befürchtet, dass Volljährige vorgeschickt werden könnten, um legal Cannabis zu kaufen, das sie dann zusammen mit Minderjährigen konsumieren. Oder dass Minderjährige einfach weiterhin auf dem Schwarzmarkt Cannabis kaufen.

Roessner warnt auch vor gesundheitlichen Schäden durch Cannabis. "Psychosen können durch Cannabis ausgelöst werden, bei jüngeren Menschen schneller und häufiger." Viele seiner Patienten würden lange brauchen, um aus so einer Psychose wieder herauszukommen. Das Risiko einer durch Cannabis ausgelösten Psychose hänge von der genetischen Voraussetzung des Konsumenten ab, manche Menschen hätten ein höheres, andere ein niedrigeres Risiko, zu erkranken.

Staatsanwalt: "Erheblicher Mehraufwand für Staatsanwaltschaft und Gerichte"

Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt: "Für mehrere Monate ein erheblicher Mehraufwand für die Staatsanwaltschaft Dresden und die Gerichte."
Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt: "Für mehrere Monate ein erheblicher Mehraufwand für die Staatsanwaltschaft Dresden und die Gerichte." © Fabian Deicke

Für Kritik sorgt auch die geplante Amnestie-Regelung. Demnach sollen bereits verhängte Geld- oder Haftstrafen wegen Delikten, die nach dem Gesetz in Zukunft nicht mehr strafbar sind, beim Inkrafttreten erlassen werden.

Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt geht davon aus, dass in Dresden mehr als 7.000 Verfahren händisch geprüft und neu bewertet werden müssen. "Durch die beabsichtigte gesetzliche Neuregelung kommt für mehrere Monate ein erheblicher Mehraufwand auf die Staatsanwaltschaft Dresden und die Gerichte zu", sagt er.

Bereits 350 Voranmeldungen für neuen CSC

Bis der "Dre(h)sden CSC" starten kann, muss noch einiges passieren. Roman Paulick muss etwa die passenden Räume anmieten, "am liebsten in der Neustadt". Und das passende Equipment kaufen, um die Pflanzen hochzuziehen.

Obwohl vieles noch unklar ist, interessieren sich viele Dresdnerinnen und Dresdner schon jetzt für Paulicks CSC: Er öffnet eine App auf seinem Smartphone, dort sind 327 Voranmeldungen verzeichnet. Weitere 20 bis 30 Menschen hätten sich privat bei ihm gemeldet, sagt er. Sein CSC könnte also mehr als 350 Mitglieder versammeln und wäre damit noch unter der gesetzlich erlaubten Mitgliederzahl. "Ich bin aufgeregt, auch wenn das Gesetz dringend überarbeitet werden muss", sagt er.