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Aufgeheizte Stimmung und Pöbeleien bei Asyl-Infoveranstaltung in Dresden

Die Stimmung bei der Asylrunde in der Dresdner Dreikönigskirche am Freitagabend drohte zeitweise zu kippen. Wie die Auftakt-Veranstaltung zu den neuen Flüchtlingsunterkünften verlief.

Von Julia Vollmer & Andreas Weller
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Hunderte Menschen sind am Freitagabend in die Dresdner Dreikönigskirche gekommen, um über die neuen Asylunterkünfte in der Stadt zu sprechen.
Hunderte Menschen sind am Freitagabend in die Dresdner Dreikönigskirche gekommen, um über die neuen Asylunterkünfte in der Stadt zu sprechen. © Sven Ellger

Dresden. Für dieses Jahr rechnet die Dresdner Stadtverwaltung mit bis zu 2.200 Zuweisungen von geflüchteten Menschen. Da die städtischen Wohnplätze nicht ausreichen, setzt die Stadt auf die Unterbringung in Containern an mehreren Standorten.

Am Freitagabend hatte die Stadtverwaltung deshalb zu einer Informationsveranstaltung in die Dreikönigskirche eingeladen. Auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) war vor Ort, nachdem es Kritik daran gegeben hatte, dass er nicht auf der Rednerliste stand.

Hilbert: "Wer keinen Respekt aufbringen kann, dem wünsche ich einen schönen Abend"

Oliver Reinhard, Moderator und SZ-Redakteur, bat zu Beginn darum, die Veranstaltung nicht eskalieren zu lassen, wie am Donnerstag in Zittau. Er hatte trotzdem immer wieder Mühe, Gäste zu beruhigen. Es wurde gepöbelt, hämisch gelacht, dazwischengerufen und den Rednern auf der Bühne ins Wort gefallen.

Der Oberbürgermeister stand schließlich irgendwann auf und sagte: "Wer keinen Respekt aufbringen und zuhören kann, dem wünsche ich einen schönen Abend!" Danach wies er auf die Kirchentür.

Während des Redebeitrages von Birgit Bublinski-Westhof vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu den Asyl-Voraussetzungen in Deutschland gab es bereits 20 Minuten nach Veranstaltungsbeginn die ersten Zwischenrufe. "Ich möchte Sie bitten, mich auszureden zu lassen", musste sie ihre Rede unterbrechen.

Mehrfach an diesem Abend wurde infrage gestellt, ob Dresden und Deutschland überhaupt Flüchtlinge aufnehmen sollten. Hilbert und Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) erwiderten daraufhin immer wieder, es gebe ein Grundrecht auf Asyl und es stehe außer Frage, dass Dresden die Geflüchteten aufnehmen und integrieren werde. Dresden sei darüber hinaus, wie auch alle anderen Kommunen, gesetzlich verpflichtet, Asylsuchende aufzunehmen.

Container oder Sporthallen

Hilbert betonte, die Unterbringung der Menschen sei eine Herausforderung, mit der Dresden nicht allein dastehe. "Wir werden uns um die Betreuung, Integration, Jobs und Beschulung der Kinder kümmern", sagte er. Die Container-Standorte seien nötig, da der Stadt nicht genügend Wohnungen zur Verfügung stünden. "Wir wollen Zeltstädte und Turnhalle als Unterbringungsobjekte vermeiden."

Sozialbürgermeisterin Kaufmann erklärte, Dresden habe derzeit rund 4.500 Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten. Diese befänden sich in 900 städtischen Wohnungen und 13 Heimen. Ab Juni werde es wahrscheinlich ein Platzdefizit von rund 500 und im Dezember rund 1.500 Plätzen geben. Kaufmann betonte, dass man sich um die Geflüchteten mit Migrationssozialarbeitern kümmern werde. Die Hauptherkunftsländer der Asylbewerber, die in Dresden ankommen, seien Afghanistan, Georgien, Indien, Irak, der Libanon, Libyen, Syrien, Tunesien, Türkei und Venezuela. Ukrainer zählen hier nicht mit hinein, da sie das Asylverfahren derzeit nicht durchlaufen müssen.

Mutter kritisiert Container-Standort vor Schule

Mit Containern als Interimswohnungen waren an diesem Abend die wenigsten Teilnehmer zufrieden. Die einen, weil sie gar keine Geflüchteten in der Nachbarschaft wollen, wie ein Vertreter der Bürgerinitiative gegen die angedachte Asyl-Unterkunft im Gasthof Marsdorf deutlich machte. Andere, darunter Dresdens Integrationsbeauftragte Kristina Winkler erklärten, Container seien allenfalls für die kurzfristige Unterbringung geeignet. Probleme sehe sie darin, Kinder langfristig in Heimen und in mobilen Raumeinheiten unterzubringen, so Winkler. Überhaupt sei die Enge in den Containern auf lange Sicht problematisch. Es werde schwer, die Menschen, die dort untergebracht werden, mit Sozialarbeit zu erreichen.

Eine Mutter, die ihre Kinder an der 129. Grundschule und der 128. Oberschule hat, fragte nach, ob man nicht den Standort am Rudolf-Bergander-Ring überdenken könne. Sie verwies auf den hohen Anteil von Migranten-Kindern an beiden Einrichtungen, forderte mehr Klassen für diese Kinder, die sich auf alle Schulen verteilen, und betonte zuletzt, dass sie sich um die Sicherheit ihrer Töchter sorge. Mädchen würden zu "Frischfleisch", Jungen zu "Opfern", sagte sie.

Ein Dresdner, dessen Mutter in einem Zschertnitzer Altenheim untergbracht sei, kritisierte, dass weder mit der Heimleitung noch mit Anwohnern gesprochen worden sei. Auf seine Frage nach dem Grund erhielt der Mann allerdings keine Antwort.

Vergleichsweise wenige Redner aus dem Publikum äußerten hingegen Verständnis für die Pläne der Stadt, machten konstruktive Gegenvorschläge oder sahen Chancen für Dresden, etwa zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels. Christian Schäfer-Hock, Geschäftsführer des Ausländerrates, betonte, es sei wichtig, offen auf die Menschen zuzugehen und ihnen zu helfen.

Im Jahr 2022 kamen insgesamt 1.556 Asylsuchende nach Dresden, davon allein 1.085 Personen im vierten Quartal. In dieser Zahl nicht enthalten sind die Geflüchteten aus der Ukraine, die vergangenen Jahr nach Dresden kamen, in Summe leben derzeit rund 8.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in der Stadt.

Wo sollen die Geflüchteten untergebracht werden?

Das Rathaus schlägt Container-Standorte auf einer Brache nahe dem Sachsenplatz an der Florian-Geyer-Straße und an der Windmühlenstraße in Niedersedlitz vor. Außerdem am Rudolf-Bergander-Ring, an der Geystraße, an der Pirnaer Landstraße, an der Löwenhainer Straße, am Altgorbitzer Ring, der Industriestraße und an der Forststraße in Weißig. Diese Container-Standorte sollen bis Herbst entstehen, zuvor muss der Stadtrat zustimmen.

Die Landeshauptstadt Dresden in den Wohncontainern jeweils 48 bis maximal 152 Geflüchtete unterbringen. Insgesamt sollen damit bis zu 824 Menschen Platz finden.

Die Kosten für die Miete, den Aufbau und die Bewirtschaftung der Container sowie für die soziale Betreuung der geflüchteten Menschen vor Ort sollen laut Stadt für die aktuell geplante Dauer von 24 Monaten voraussichtlich rund 47 Millionen Euro betragen.

Um die Dresdner mitzunehmen und zu informieren, werden in den nächsten Wochen die Pläne für die Standorte auch in den Stadtbezirksbeiräten vorgestellt.