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Azubis an die Macht

Am Uniklinikum Dresden leiten 19 angehende Pflegekräfte die Strahlentherapiestation. Nicht nur sie erleben dabei eine schöne Überraschung.

Von Nadja Laske
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Yahya Alhukab wird an der Uniklinik bald seinen Abschluss zum Gesundheits- und Krankenpfleger absolvieren. Davor aber macht er eine tolle Erfahrung.
Yahya Alhukab wird an der Uniklinik bald seinen Abschluss zum Gesundheits- und Krankenpfleger absolvieren. Davor aber macht er eine tolle Erfahrung. © Sven Ellger

Dresden. Das wird bestimmt chaotisch: mehr als ein Dutzend junger Leute, die plötzlich Chef sein dürfen. Yahya machte sich so seine Gedanken, als er von dem zweiwöchigen Projekt am Dresdner Universitätsklinikum erfuhr. Und er selbst sollte ein Teil davon sein! Einer jener Azubis, die im Laufe ihrer Ausbildungsjahre zur Gesundheits- und Krankenpflegefachkraft zwar schon viel gelernt haben - nicht aber, wie es ist, eine Station zu leiten.

Vor knapp zwei Wochen ging es los. "Es war das erste Mal, dass unsere ganze Klasse zusammen praktisch arbeitet", erzählt Yahya Alhukab. Eine sehr besondere Situation. Denn normalerweise schwärmen die Pflege-Azubis für ihre Praktika in ganz verschiedene Bereiche der Uniklinik aus und sehen sich über Wochen nicht oder nur zufällig.

Dank eines neuen Praxis-Projektes, das die Carus-Akademie als schulischer Ausbilder der jungen Frauen und Männer gemeinsam mit dem Uniklinikum umsetzt, ist das nun anders. "Auszubildende leiten eine Station" heißt das Konzept, das die Verantwortlichen vor einiger Zeit schon einmal im Kleinformat testeten. Die Idee haben bereits etliche Kliniken in ganz Deutschland erfolgreich aufgegriffen. Auch die Dresdner gingen davon aus, dass damit alle Beteiligten nur gewinnen können.

Wenn der Oberarzt am Telefon ist

Doch zunächst bedeutete es viel Arbeit: Eine passende Station musste gefunden und das Projekt intensiv geplant werden. Gefragt waren Mitarbeiter, die ein solches Vorhaben neugierig und engagiert mittragen und deren Patienten umfassender Pflege bedürfen. Die Strahlentherapiestation des Klinikums bot genau das.

Nicht zum ersten Mal hatte Yahya Alhukab Gelegenheit, sich in der Praxis zu beweisen. "Eigentlich ist es aber so, dass man als Azubis immer an der Seite einer Fachkraft agiert und von ihr angeleitet wird", erzählt der 22-Jährige. Nun jedoch geschah genau das Gegenteil: Die Azubis erhielten Aufgaben, die sonst nur erfahrene Kollegen haben. Die wiederum überwachten das Tun der jungen Leute aus dem Hintergrund.

Die Arbeit als Gesundheits- und Krankenpfleger ist sehr vielschichtig. Yahya Alhukab kümmert sich um Patienten, wie beispielsweise um Ronald Kahl, übernimmt aber im Rahmen eines besonderen Projektes auch Koordinatorisches.
Die Arbeit als Gesundheits- und Krankenpfleger ist sehr vielschichtig. Yahya Alhukab kümmert sich um Patienten, wie beispielsweise um Ronald Kahl, übernimmt aber im Rahmen eines besonderen Projektes auch Koordinatorisches. © Sven Ellger

Zwar durften Yahya und seine Mitschüler weder pflegerisch noch medizinisch Handlungen an den Patienten vornehmen, die ihnen gesetzlich noch untersagt sind. Aber gerade im Bereich der Logistik einer Krankenhausstation mussten sie aktiv werden: Abläufe planen, Medikamente verwalten, Organisatorisches mit Therapeuten und Medizinern klären. Da konnte so manchem schon mal das Herz in die Kasacktasche rutschen, wenn sich am anderen Ende der Telefonleitung ein Oberarzt meldet.

Ziel des Ganzen ist es, die Praxisausbildung auch auf solche planerischen Tätigkeiten auszuweiten. Das Projekt soll Azubis mehr Verantwortungsbewusstsein, tieferes Vertrauen in sich selbst und ganzheitliche Erfahrungen im Beruf bringen. Folgt auf die Ausbildung eine Anstellung, kennen sie bereits Abläufe und Aufgabenfelder, die ihnen sonst neu wären. Doch nicht nur sie profitieren.

Als Yahya Alhukab sein Abitur in Meißen absolviert hatte, entschied er sich zunächst für ein Freiwilliges Soziales Jahr am Uniklinikum und zog nach Dresden. Danach war ihm klar: Er will Krankenpfleger werden. Gut zwei Jahre später stand er vor der Wahl seines Prüfungspraktikums. Während der Ausbildung hatte er verschiedene Stationen kennengelernt. Seine praktische Prüfung wollte er zunächst in der Pulmologie absolvieren. Da dieser Bereich aufgrund von Corona besonders beansprucht ist, wechselte Yahya auf die Strahlentherapiestation.

Anfang Januar wird dort für ihn der Endspurt seiner Ausbildungszeit beginnen. Das Projekt kommt ihm da sehr gelegen. "Es verschafft uns eine besonders umfassende Prüfungsvorbereitung", sagt er. Sowohl pflegerisch als auch koordinatorisch bringe ihm dieser so andere Praxiseinsatz ganz viel.

Auf die jungen Leute ist Verlass

Vor allem in Sachen Zeitmanagement haben die jungen Menschen oft Probleme, weiß Michael Koch, der die Station leitet und mit Freude erlebt, wie begeistert sowohl seine Kollegen als auch die Azubis an das Experiment herangehen. "Nicht nur die Auszubildenden gewinnen viel", ist er überzeugt. "Auch wir haben gelernt - nämlich, dass wir uns auf unsere jungen Leute verlassen können, dass sie gute Kollegen werden und wir getrost Aufgaben an sie abgeben können."

Ähnlich sieht es Yahya, der schon Pläne für die Zeit nach seiner Ausbildung hat und gern am Uniklinikum bleiben möchte. Am liebsten in der Onkologie oder Chirurgie. Mit Blick auf die vergangenen beiden Projektwochen kann er sagen: Seine anfängliche Befürchtung hat sich nicht bestätigt. "Für mich war es eine tolle Erfahrung, dass alles gut geklappt hat, viel strukturierter, als ich es uns zugetraut hätte."