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Dresden: Bambule ums Bordell

Meistgelesen: Prostituierte, Freier und Zuhälter sollen künftig ihre Nachbarn sein: Anwohner in Alttorna sind empört, Familien hoffen auf den Jugendschutz.

Von Nora Domschke & Nadja Laske
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Nur wenige Meter von dem Gebäude mit weißer Fassade wohnen viele Familien mit Kindern entlang der Tornaer Straße. Auch Ingeborg Schöpf gehört dazu. Nun soll das ehemalige Bürogebäude ein Bordell werden.
Nur wenige Meter von dem Gebäude mit weißer Fassade wohnen viele Familien mit Kindern entlang der Tornaer Straße. Auch Ingeborg Schöpf gehört dazu. Nun soll das ehemalige Bürogebäude ein Bordell werden. © Sven Ellger

Dresden. Nichtsahnend dreht Ingeborg Schöpf den Briefkastenschlüssel im Schloss und kramt die Post heraus. Da hält sie das Amtsblatt in der Hand und wundert sich ein bisschen. Kurz blättert sie in der Zeitung, die monatlich alle städtischen Entwicklungen und Pläne, Ausschreibungen und Beschlüsse des Stadtrates veröffentlicht.

Auf Seite 26 stockt ihr der Atem. Jetzt versteht die Sängerin der Staatsoperette Dresden, warum sie das Blatt in ihrem Briefkasten findet. Ein Nachbar hat es hineingesteckt - mit einer handschriftlichen Bemerkung: "Bitte nutzen Sie Ihr Bürgerecht gegen diese Entscheidung!"

Die fett gedruckte Überschrift verrät, worum es geht: Erteilung einer Ergänzungsgenehmigung für das Vorhaben "Nutzungsänderung eines Bürogebäudes in ein Stundenhotel mit Bordellbetrieb". Die Stadtverwaltung offeriert im folgenden Beitrag, dass das Bauaufsichtsamt Dresden einer - für die Öffentlichkeit unerheblichen - baulichen Umplanung zugestimmt hat.

"Wir haben hier fast alle Kinder"

Die Abweichung vom Ursprünglichen interessiert weder Ingeborg Schöpf noch ihre Nachbarn, die seither in Aufruhr sind. Die Sache an sich sorgt für Empörung: "Wir hören damit zum ersten Mal, dass hundert Meter von unserem Haus entfernt ein Bordell eröffnen soll", sagt die Anwohnerin.

Betrieben werden sollten zunächst "26 Zimmer sowie Ausschank mit 16 Gastplätzen", steht im Amtsblatt Nummer 11/2021, erschienen am 18. März. Darin erfahren die Bewohner in Alttorna, dass auf dem Flurstück 9/18 außerdem elf Stellplätze für parkende Autos entstehen. Dass nun nicht nur 16 Restaurantplätze den Bordellbetrieb ergänzen sollen, sondern 32, und dafür eine Treppe baurechtlich neu genehmigt werden muss, erscheint Ingeborg Schöpf völlig nebensächlich.

Als sie zusammen mit ihrem Mann vor gut 15 Jahren auf die Tornaer Straße ins eigene Heim zog, war ihr klar, dass ihr Haus in einem Mischgebiet steht. Die Post betreibt dort ein Paket-Verteilzentrum und ein Baumaschinenunternehmen seinen Verleihservice. Über die Jahre zogen immer mehr Familien ins Viertel, die Umwidmung Alttornas zum Wohngeiet war immer mal wieder im Gespräch, genau wie das Entstehen einer neuen Siedlung und eines Kindergartens.

"Wir haben hier fast alle Kinder", sagt Ingeborg Schöpf fassungslos. Mit ihrer Empörung ist sie nicht allein. Auf der Straße versammeln sich fast jeden Tag Anwohner, die genau wie die Sopranistin aus dem Amtsblatt erfahren haben, dass Prostituierte, ihre Zuhälter und Freier neue Nachbarn werden sollen.

"Das geht überhaupt nicht", sagt ein Familienvater, der nur wenige Meter oberhalb des besagten Grundstückes wohnt und sich auf den Weg gemacht hat, um die Stimmung im Viertel zu erkunden. "Es gibt in unserer Umgebung niemanden, der das gut findet", versichert er. Man sitze dann im Sommer beim Grillen auf der Terrasse, die Kinder spielen im Garten - einige Hausbesitzer mit geradem Blick auf das Bordellgelände. Dieses Szenario verstört die Anwohner genau so, wie die Vorstellung, dass der Schulweg am Etablissement vorbeiführt.

Seit Wochen wird auf dem Grundstück, auf dem schon lange das unscheinbare Bürogebäude steht, das nun eine neue Funktion bekommen soll, gebaut. "Als hier immer wieder sehr teure Autos vorfuhren, dachte ich, es entstehe vielleicht ein Autohaus für Luxuswagen", erzählt Ingeborg Schöpf. Das hätte sie gefreut.

Auf Anfrage der SZ informiert das Presseamt der Stadt, dass für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes eine Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz erforderlich sei. Aber: "Ein diesbezüglicher Antrag für das Objekt Alttorna liegt bisher nicht vor."

Torna ist kein Sperrbezirk

Wo in Dresden sich "Prostitutionsstätten", wie es im Amtdeutsch heißt, ansiedeln dürfen, regelt die Sperrbezirksverordnung. Danach ist Prostitution im innerstädtischen Bereich verboten. Zum Sperrbezirk gehören außerdem die Ortschafen Altfranken, Cossebaude, Gompitz, Langebrück, Mobschatz, Oberwartha, Schönborn, Schönfeld-Weißig und Weixdorf. Außerdem darf der Prostitution nicht auf der Straße und in Autos und mit einem Mindestabstand von 200 Metern zu Kirchgemeindezentren, Kirchen, Krankenanstalten, Kinder-, Freizeiteinrichtungen, Schulen und Seniorenheimen nachgegangen werden. Derzeit gebe es 18 aus gewerberechtlicher Sicht genehmigte Prostitutionsstätten, so die Stadt.

Torna ist kein Sperrbezirk. Im Umkreis von 200 Metern gibt es keine entsprechende schützenswerte Einrichtung. Dennoch haben die Alttornaer noch Hoffnung, das Vorhaben zu verhindern. Laut Stadt können "Gefahren für Belange des öffentlichen Interesses" gegen eine Erlaubnis des horizontalen Gewerbes sprechen. Besonders der Schutz von Anwohnern und Anliegern vor Lärmimmissionen, verhaltensbedingten oder sonstigen Belästigungen spielen dafür eine Rolle, so das Presseamt. Auch der Schutz der Jugend ist von Bedeutung.

Gegen die aktuelle baurechtliche Genehmigung, wie im Amtsblatt verkündet, können die Bewohner noch binnen eines Monats widersprechen. "Das werden wir ganz sicher tun", sagt Ingeborg Schöpf. Damit steht sie nicht allein.

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