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Weihnachtsmärkte in Dresden: Striezeln nach dem Krieg

Den Dresdnern ist ihr Striezelmarkt heilig. Selbst in den harten Jahren nach dem Krieg wollten sie nicht auf ihn verzichten.

Von Ralf Hübner
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„Groß und Klein voller Glückseligkeit“: Der Striezelmarkt in Dresden zog seit jeher viele Besucher an, wie hier 1978.
„Groß und Klein voller Glückseligkeit“: Der Striezelmarkt in Dresden zog seit jeher viele Besucher an, wie hier 1978. © Foto: SZ/Werner Mohn

Dresden. Nun glitzert es wieder, der 589. Striezelmarkt ist eröffnet. Eine gut 20 Meter hohe Lichtertanne lässt keine Zweifel aufkommen: Es wird Weihnachten. Die Menschen schlendern zwischen mehr als 200 Buden herum und lassen sich bei Mandelduft und Weihnachtsliedern in Stimmung versetzen. Sehr viel weniger üppig fielen dagegen die ersten Striezelmärkte nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Dennoch war die Begeisterung der Marktbesucher damals vermutlich nicht geringer. Vor 75 Jahren wurden am 2. Dezember 1948 in der damaligen Stadthalle am Nordplatz, dem jetzigen Militärhistorischen Museum der Bundeswehr, der Striezelmarkt und eine Weihnachtsmesse eröffnet.

"Wie vor der Weihnachtsbescherung standen die vielen Schau- und Kauflustigen am gestrigen Vormittag erwartungsvoll vor der Stadthalle am Nordplatz, bis sich endlich das große Tor öffnete und nach kurzen Begrüßungsworten unseres Oberbürgermeisters, Genossen Walter Weidaues, Groß und Klein voller Glückseligkeit die Weihnachtsmesse bevölkerten", berichtete die Sächsische Zeitung. "Im Nuh war der Striezelmarkt von regem Leben erfüllt, Rostbratwürste verbreiteten einen lieblichen Duft, Kinder lutschten voller Begeisterung an Eisstangen und Mütter erstanden, gegen Marken natürlich, schöne Lebkuchen für den Weihnachtstisch."

Weihnachtsmarkt kurz nach Kriegsende

Gemeint waren Lebensmittelmarken, mit denen nach dem Krieg Lebensmittel rationiert wurden. „Hochbetrieb herrschte vor allem am Stand des "Freien Ladens", wo Süßwaren, Weißbrote und weiße Brötchen zu erstehen sind“, berichtete der Reporter weiter. "Überall locken tausend Kleinigkeiten zum Kaufe. Ob Kinderbücher, Noten, Romane, Bilder, Glaswaren, Spiele, Puppen, Schmucksachen, Textilwaren, Schnitzereien, Christbaumschmuck, Pflaumentoffel oder Haushaltsbedarfs- und Geschenkartikel."

Der "Freie Laden" der HO (Handelsorganisation) war eine Attraktion. Denn dort konnten die Waren ohne Bezugsmarken erworben werden. Es gab die traditionellen Pfefferkuchenhäuschen. Schnitzer, Drechsler und Klöpplerinnen zeigten ihre Erzeugnisse. Zudem zog eine große Modelleisenbahnanlage die Aufmerksamkeit auf sich. Die Weihnachtsmessen in der Stadthalle wurden noch bis 1967 gezeigt.

Striezel, Stollen, Christbrot

Auch schon drei Jahre vor der Wiedereröffnung, nur wenige Monate nach Ende des Krieges, wollten die Dresdner auf ihren Weihnachtsmarkt nicht verzichten. Doch die Innenstadt war zerstört. In deren Ruinen konnte schwerlich Weihnachtsstimmung aufkommen. Deshalb wurde ein Gelände in einem unzerstörten Teil der Stadt gesucht. In einem Gebäudeflügel der ehemaligen Goehle-Werke an der Riesaer Straße, dem jetzigen Zentralwerk, lockte die "Weihnachtsmesse Dresden 1945".

Auch damals hatte es am 5. Dezember der Erste Bürgermeister, Walter Weidauer, es sich nicht nehmen lassen, die Schau zu eröffnen. Der Kreuzchor sang. "Weihnachtliche Stimmung umfängt uns schon beim Betreten der Messeräume", schrieb ein Reporter der kommunistischen Sächsischen Volkszeitung. "Tannenduft und Kerzenschimmer tragen erstes weihnachtliches Ahnen in unsere Herzen." Bis zum 13. Dezember drängten sich damals mehr als 30.000 Besucher durch Türen, die wegen des Andrangs immer wieder geschlossen werden mussten. Auf einer Märchenbühne wurde vorgelesen, Kasperletheater gespielt, es gab Tanzvorführungen. Mädchen erfreuten sich an Puppen und Puppenstuben, Jungs an Kaufmannsläden, Pferdeställen sowie Autos, Omnibussen und Eisenbahnen aus Holz. 50.000 Spielzeuge waren gesammelt worden. In Nähstuben waren neben Kleidungsstücken Stofftiere und Puppen gefertigt worden. Kinder von Bombengeschädigten, Flüchtlingen und ehemaligen KZ-Häftlingen wurden vorrangig bedacht.

Der älteste beurkundete deutsche Weihnachtsmarkt geht auf ein landesherrliches Privileg von Kurfürst Friedrich II. sowie dessen Bruder Herzog Sigismund von 1434 zurück, das der Stadt Dresden gestattete, für die Dauer eines Jahres in jeder Woche einschließlich dem Heiligen Christabend einen Markt abzuhalten. Der Markt war zunächst vor allem ein Fleischmarkt, denn die Dresdner wollten sich nach der Fastenzeit vor allem mit frischem Fleisch für die Feiertage eindecken.

Bald wurden auch andere Waren angeboten wie etwa das Striezel oder Stollen genannte Christbrot, das dem Markt ab 1548 zunächst den Namen Striezelmontag einbrachte, denn er wurde nun am Montag vor dem Heiligen Abend abgehalten. Der Markt zog Händler und Handwerker an, weitere Waren kamen hinzu. Nach 1700 wurde die Marktdauer schrittweise verlängert. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurden vermehrt Spielzeuge angeboten, gedrechselte oder geschnitzte Puppen, Kegelspiele, Kreisel, Baukästen, Puppenstubenmöbel.

Stammplatz des Striezelmarktes war auch früher schon der Altmarkt. Später ging das Marktreiben auch am Neustädter Markt am Goldenen Reiter oder am Neumarkt vor der Frauenkirche über die Bühne. In den 1930er-Jahren bot zeitweise der Stallhof die Kulisse. Nach der Premiere 1945 zog die Weihnachtsmesse in die Stadthalle in der Albertstadt. Zehntausende Dresdner strömten am ersten Adventssonntag zur Eröffnung von Weihnachtsmesse und Striezelmarkt.

Ab 1954 war der Markt zurück in der Innenstadt – zunächst auf dem Theaterplatz, 1955 und 1956 wieder auf dem Altmarkt. Weitere Standorte in den Folgejahren waren die Webergasse, die Wallstraße, die Gewandhausstraße, die Weiße Gasse und die Kreuzstraße. In den 1970er-Jahren wurde er zeitweilig auf den Straßburger Platz, dem damaligen Fucikplatz, verbannt. 1977 kehrte er dann auf den Altmarkt zurück. Wegen eines Umbaus des Altmarktes schlug er 2007 sein Quartier einmalig auf dem Ferdinandplatz auf.