Infineon, TSMC & Co. - wie Dresden mit den riesigen Abwassermengen umgehen will
Dresden. Die Landeshauptstadt Dresden wird mit der Ansiedlung von TSMC und dem geplanten Ausbau der anderen Chipwerke in den kommenden Jahren deutlich mehr Wasser benötigen. Wasser, das nach der Nutzung irgendwo hin muss. Am Donnerstag haben Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) und der Eigenbetriebsleiter der Stadtentwässerung, Ralf Strothteicher, das neue Abwasserbeseitigungskonzept bis 2038 vorgestellt.
"Jetzt geht es darum, das Abwassersystem für weitere Jahrzehnte zukunftssicher zu gestalten", sagte Eigenbetriebsleiter Strothteicher. Deshalb werde mit "Dresden 600" ein Strategieprojekt entwickelt, um die Anlagen fit für die Zukunft zu machen. Der Name des Projekts ist von der Perspektive der Großstadt abgeleitet. Die Bevölkerung Dresdens soll bis auf 600.000 Einwohner wachsen. Das sind die Details des Projekts.
Die Ausgangslage: 240 Prozent mehr Abwasser durch Industrie
Vor allem wegen großer Industrie-Ansiedlungen im Dresdner Norden zwischen Hellerau, Wilschdorf und Klotzsche sind die Abwassermengen in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Dieser Trend wird sich künftig rasant fortsetzen, so die Stadt. Denn vor allem die Halbleiterindustrie wächst. 8,7 Millionen Kubikmeter leiten allein die Werke von Globalfoundries, Infineon, Bosch und X-Fab ins Kanalnetz ein. Das entspricht 93 Prozent der Dresdner Industrie-Abwässer. Diese Abwassermenge aus der Chipindustrie entspricht der von 250.000 Einwohnern.
Seit diesem Jahr baut Infineon mit seinen bisher rund 3.200 Beschäftigten noch seinen Standort an der Königsbrücker Straße aus. An der Südostecke entsteht bis 2026 ein Neubau für rund 1.000 zusätzliche Jobs. Jetzt will auch der taiwanesische Chiphersteller TSMC ein Werk im Rähnitzer Gewerbegebiet bauen, in dem 2.000 Jobs entstehen.
Das hat Konsequenzen. So soll die Abwassermenge aus der Industrie in den nächsten Jahren auf mehr als das Dreifache um bis zu 240 Prozent steigen. Zudem soll die Schmutzfracht im Abwasser um 80 Prozent zunehmen, beim Stickstoff sogar um 250 Prozent.
Die neue Richtlinie: niedrigere Grenzwerte für Phosphor und Stickstoff
Ende 2022 wurde ein Entwurf der neuen europäischen Abwasserrichtlinie veröffentlicht. "Daraus ergeben sich verschärfte Anforderungen an die Abwasserbehandlung", sagt Ralf Strothteicher.
So sollen die Grenzwerte für Phosphor und Stickstoff weiter gesenkt werden. "Voraussichtlich müssen wir auch eine vierte Reinigungsstufe zur Behandlung von Mikroschadstoffen bauen", verweist er auf eine weitere Konsequenz. Damit könnten Medikamente, Haushalts- und Industriechemikalien aus dem Abwasser entfernt werden. Sowohl die Kläranlage als auch das Kanalnetz sollen so ausgebaut werden, damit das System nicht überlastet wird und das Abwasser sowie der zusätzliche Klärschlamm ordentlich behandelt werden können.
Der 1. Plan: Industriesammler für Halbleiterindustrie
Mit der neuen Infineon-Chipfabrik wäre das vorhandene Kanalnetz überlastet, so die Stadt. Deshalb baut die Stadtentwässerung bis 2026 einen rund zehn Kilometer langen Hauptkanal vor allem für die Abwässer der Mikroelektronik-Betriebe, den Industriesammler Nord. Mit dem rund 70 Millionen Euro teuren Großprojekt sollen das rechtselbische Kanalnetz entlastet und die Möglichkeiten für die weitere industrielle Entwicklung geschaffen werden.
Künftig wird das Abwasser direkt von den Gewerbegebieten zur Kläranlage geleitet. Damit entsteht neben dem Altstädter und dem Neustädter ein dritter großer Abfangkanal in Dresden (siehe Grafik).
Der 2. Plan: neue Becken und dritter Faulturm
Damit das zusätzliche Abwasser im Klärwerk Kaditz ordentlich behandelt werden kann, investiert die Stadtentwässerung zwischen 2024 und 2030 in weitere Anlagen. Das Herzstück des Klärwerks, die biologische Reinigung, soll ausgebaut werden. Die Belebungs- und Verteilerbecken fassen insgesamt 144.000 Kubikmeter. Geplant sind zwei weitere Belebungsbecken, die 32.000 Kubikmeter fassen, erklärt Strothteicher.
Die vorhandenen sechs Nachklärbecken sollen durch zwei weitere ergänzt werden. Geplant ist außerdem, in der Schlammbehandlung einen dritten, 35 Meter hohen Faulturm zu errichten, der rund 10.500 Kubikmeter Schlamm fasst.
Der 3. Plan: neue Einlaufgruppe und vierte Reinigungsstufe
In einem weiteren Schritt sollen zwischen 2029 und 2036 Anlagen und Gebäude neu gebaut oder ersetzt werden. Am Zulauf zur Kaditzer Kläranlage kommt immer mehr Abwasser an. "Das ist das hydraulische Nadelöhr unserer Kläranlage", sagt der Eigenbetriebsleiter. Deshalb soll eine neue, leistungsfähigere Einlaufgruppe mit Sandfang, Rechen und Pumpwerk auf der früheren Vonovia-Fläche vor dem Klärwerk gebaut werden. Die hatte die Stadt im Jahre 2019 zum Zwecke der Erweiterung der Kläranlage erworben. Da dortige Grundstücke noch vermietet sind, kann der Bau nicht früher beginnen, erklärt Strothteicher.
Geplant ist zudem, auf der Fläche neben den Nachklärbecken die Anlagen der vierten Reinigungsstufe zu bauen.
Der 4. Plan: mehr Stauraum zum Gewässerschutz
Regnet es stark, wird derzeit Mischwasser in fünf Regenüberlaufbecken zurückgehalten. So läuft es nicht in die Elbe oder andere Gewässer über und belastet sie. Die beiden größten Regenüberlaufbecken im Klärwerk und neben der Waldschlößchenbrücke in Johannstadt fassen rund 36.000 Kubikmeter. Außerdem wird mit elf Steuerbauwerken das Speichervolumen des Kanalnetzes genutzt. In den Regenüberlaufbecken und im Kanal können derzeit rund 95.000 Kubikmeter Abwasser angestaut werden.
"Geplant ist, zwischen 2032 und 2038 unter anderem neun Regenüberlaufbecken in Dresden zu errichten", kündigt der Eigenbetriebsleiter an. Sie sollen ein Speichervolumen von 35.000 bis 40.000 Kubikmeter haben.
Die Gebühren: stabile Beiträge trotz Millionen-Investition
Klima- und Umweltschutz würden bei der Abwasserbeseitigung eine große Rolle spielen. "Das ist mir besonders wichtig. Und trotz all dieser Maßnahmen werden wir die Beiträge im Vergleich zu anderen Preissteigerungen sehr stabil halten können", erklärte Eva Jähnigen am Donnerstag. Zur Erweiterung und Erhaltung der Abwasseranlagen sollen bis 2038 rund 630 Millionen Euro investiert werden. Dennoch soll es in der Kalkulationsperiode bis 2025 keine Erhöhungen der Abwassergebühr geben und danach nur sehr moderate Anpassungen.
Das neue Entwässerungskonzept sei in den vergangenen Monaten im zuständigen Ausschuss für Umwelt und Klima beraten worden, so Eva Jähnigen. "Am Montag stimmte der Ausschuss zu, sodass das Konzept im November dieses Jahres im Dresdner Stadtrat verabschiedet werden kann. Ich freue mich, dass wir mit der Vorlage überzeugen konnten." (SZ)