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Wie eine Frau in Dresden ihre hebammengeleitete Entbindung erlebte

Keine Medikamente, kein Arzt: Das Krankenhaus Dresden-Neustadt bietet jetzt einen Hebammenkreißsaal an. Dort können Frauen eigenverantwortlich entbinden.

Von Theresa Hellwig
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Hebamme Steffi Rausch ist eine derjenigen, die Geburten im Klinikum Dresden-Neustadt begleitet. Im neuen Hebammenkreißsaal können Frauen selbstbestimmt entbinden - ohne Begleitung eines Arztes und ohne Medikamente.
Hebamme Steffi Rausch ist eine derjenigen, die Geburten im Klinikum Dresden-Neustadt begleitet. Im neuen Hebammenkreißsaal können Frauen selbstbestimmt entbinden - ohne Begleitung eines Arztes und ohne Medikamente. © Sven Ellger

Dresden. Der kleine Fritz kam im warmen Wasser zur Welt. "Es war meine erste Wassergeburt", sagt Kristin. "In der Wanne waren die Wehen viel besser zu ertragen." Fritz ist ihr fünftes Kind. Und diese Wassergeburt ist nicht nur für die 35-Jährige eine besondere. Auch für das Städtische Klinikum Dresden ist es eine, die in Erinnerung bleibt. Denn es ist auch die erste Geburt im neuen Hebammenkreißsaal.

4.706 Geburten sind in der Stadt Dresden in diesem Jahr bereits beurkundet worden. 958 davon haben am Städtischen Klinikum stattgefunden. Normalerweise werden Geburten, die klassisch im Krankenhaus stattfinden, von einem Team begleitet. Mindestens eine Hebamme und ein Arzt oder eine Ärztin sprechen sich regelmäßig ab. Spätestens am Ende der Geburt kommt der Arzt oder die Ärztin dann hinzu.

Hebamme leitet Geburt in eigener Verantwortung

Im neuen Hebammenkreißsaal ist das anders. Dort leitet eine Hebamme die Geburt in eigener Verantwortung. Es gibt eine Eins-zu-eins-Betreuung für die Gebärende. Zum Ende der Geburt kommt eine zweite Hebamme hinzu. Auf Medikamente und medizinische Eingriffe wird verzichtet.

Stattdessen arbeiten die Hebammen mit alternativen Methoden der Schmerzlinderung. So kann zum Beispiel ein sogenanntes TENS-Gerät zum Einsatz kommen, das durch Schmerzimpulse vom Wehenschmerz ablenkt. Die Hebammen arbeiten mit Wärme – oder auch, wie bei Kristin, mit der Badewanne.

Der Hebammenkreißsaal ist für Mütter gedacht, die selbstbestimmter an die Geburt herangehen wollen, erklärt Hebamme Angela. "Das Angebot richtet sich an Frauen, die sich Zeit lassen und den eigenen Körper entscheiden lassen wollen", sagt sie.

Der Mutter waren Bonding und selbstbestimmte Geburt wichtig

Das war auch Kristin ein Anliegen. Als sie zu ihrem Vorgespräch ins Städtische Klinikum gekommen ist, hat sie das deutlich gemacht. "Mir war zum Beispiel das Bonding sehr wichtig", sagt sie. Damit ist insbesondere die Zeit direkt nach der Geburt gemeint. Das Baby wird dabei auf den nackten Oberkörper der Mutter oder des Vaters gelegt. Das soll den Grundstein für eine enge Eltern-Kind-Bindung legen.

Weil Kristin bei ihrem Vorgespräch darauf so viel Wert legte, schlug ihr die Hebamme damals den Hebammenkreißsaal vor. "Ich habe darüber mit meinem Mann nachgedacht", erinnert sich Kristin. "Kopf und Bauch haben dann gesagt: Das ist das richtige für uns."

Familiäres Umfeld und Sicherheit zugleich

Vieles, das ihr bei ihrer Geburt wichtig war, sind für andere Mütter Gründe, sich gegen eine Geburt im Krankenhaus und für eine im Geburtshaus zu entscheiden.
"Ich bin Ärztin", sagt Kristin dazu. Sie wisse zu viel über Risiken bei der Geburt. Ins Geburtshaus habe sie deshalb nie gewollt. "Im Krankenhaus wusste ich, dass im Ernstfall ein Arzt da ist", sagt sie. Das sei ihr wichtig gewesen. "So war es genau richtig. Es war familiär und es gab trotzdem keine Abstriche bei der Sicherheit", sagt Kristin.

In der Nacht sei sie ins Krankenhaus gekommen, um 7.17 Uhr kam der kleine Fritz zur Welt. Fast vier Kilogramm brachte er auf die Waage. "Und das habe ich auch gemerkt", sagt Kristin. Sie lacht. "Ich hatte aber eine ruhige und geduldige Hebamme an meiner Seite", sagt sie. "Ich konnte mich so ganz auf meine Kraft verlassen."

Vorerkrankungen oder Zwillingsgeburt können Ausschlusskriterium sein

Kristin hatte dabei auch Glück. Denn nicht jede Frau kann im Hebammenkreißsaal entbinden – auch, wenn sie es möchte. "Wir fragen vor der Geburt einen Katalog ab", erklärt Hebamme Angela. Wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen, ist die hebammengeleitete Geburt nicht möglich. Zwillingsgeburten, ein Baby in Beckenendlage oder bestimmte Vorerkrankungen der Mutter können beispielsweise Ausschlusskriterien sein.

Mit der Idee eines Hebammenkreißsaals steht das Städtische Klinikum in Dresden jedenfalls nicht alleine da. Auch am Diakonissenkrankenhaus wird derzeit einer eingerichtet. Dort ist das Hebammenteam in den letzten Monaten intensiv geschult worden, zum Beispiel in Bezug auf das Nähen von Geburtsverletzungen, berichtet Öffentlichkeitsreferentin Beate Mutzek. Die Anmeldung für eine hebammengeführte Geburt ist auch am Diakonissenkrankenhaus bereits möglich. Erste Anmeldegespräche habe es schon gegeben. Das Krankenhaus St. Joseph-Stift will im kommenden Frühjahr ebenfalls hebammengeleitete Geburten anbieten.

Am Uniklinikum gibt es zwar keinen expliziten Hebammenkreißsaal. "Das Team des Kreißsaals arbeitet aber sehr eng und vertrauensvoll miteinander", so Cahit Birdir, Leitender Oberarzt für Geburtshilfe und Pränataldiagnostik. "Unkomplizierte Geburten werden schon immer von unseren Hebammen geleitet."

Im Neustädter Krankenhaus werden die hebammengeleiteten Geburten jedenfalls bereits gut angenommen, berichtet Hebamme Angela. Seit etwa vier Wochen bewerben die Hebammen das Angebot – und etwa zehn Anmeldungen gebe es bereits. "Da sind wir wirklich positiv überrascht", sagt sie.