Dresden
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Der Putin ist nackt!

Ex-BILD-Macher Kai Diekmann stellt im Dresdner Haus des Buches sein neues Buch vor und erzählt von den Reichen, Mächtigen, Gestürzten und Entblößten.

Von Nadja Laske
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Der ehemalige BILD-Chefredakteur Kai Diekmann war am Dienstag im Haus des Buches zu Gast und las aus seinem neuen Buch "Ich war BILD".
Der ehemalige BILD-Chefredakteur Kai Diekmann war am Dienstag im Haus des Buches zu Gast und las aus seinem neuen Buch "Ich war BILD". © Sven Ellger

Dresden. Vergleiche, so groß wie die Buchstaben der Boulevardzeitung: "Bild" mache es wie die Bibel, sagt der ehemalige "Bild"-Chefredakteur, Kai Diekmann - beide brächen komplexe Sachverhalte so herunter, dass einfach verständliche Geschichten bleiben. Beispielsweise Riesterrente und Rüruprente in sieben Sätzen. Damit begegnet er gern Kritikern seines Journalismus.

Manchmal geht die Verkürzung auch so weit, dass Grauzonen verschwinden und die Welt, durch die Bild-Brille betrachtet, nur noch schwarz oder weiß erscheint. Das sagt der Macher von Deutschlands größter Boulevardzeitung aber nicht, als er am Dienstagabend in der Thalia Buchhandlung Haus des Buches die gebundenen Erinnerungen an sich selbst und seine Erlebnisse mit den Reichen und Mächtigen vorstellt.

Zuvor begrüßt eine Mitarbeiterin der Buchhandlung den Gast als "wunderbaren Kai Diekmann". Das spricht ihm aus der Seele. Einigen Besuchern der Lesung ebenfalls, andere werden sich am Ende der Veranstaltung als Kritiker erweisen, die siebensätzige Rentenmodelle nicht zu schätzen wissen.

Doch zuvor hat Kai Diekmann knapp zwei Stunden Zeit, launig aus seinem Buch "Ich war 'Bild'" zu erzählen und zu lesen. Dabei steigt er ein mit jenem Anruf von Christian Wulff, der auf seiner Mailbox landete und für den einstigen Bundespräsidenten zur Bruchlandung wurde. Wulff hatte im Dezember 2011 damit einen Artikel über sich verhindern wollen. Der drehte sich um ein Haus, einen Kredit, persönliche Verbandelungen und Lügen.

Hat "Bild" Wulff gestürzt? "Nein", sagt Kai Diekmann, "Wulff hat sich selbst gestürzt." Was stimmen dürfte: Mit seiner Eitelkeit, seiner verlorenen Bodenhaftung und seinem fragwürdigen Selbstbild hat er der Berichterstattung damals den Boden bereitet. Wulff habe nicht die Wahrheit gesagt, sich nicht entschuldigt und es nicht anders verdient, sagt Diekmann noch heute.

Haben "Bild" und Diekmann Wulff gestürzt?

Mit Altbundeskanzler Helmut Kohl indes verband den Journalisten eine langjährige gute Freundschaft. Sein Wohnwollen spricht aus jeder Zeile, die er im Anschluss an die Wulff-Affäre vorliest: Kohl, der erfolgreiche Streiter für die deutsche Einheit, Kohl verletzlich, desorientiert in seinem viel zu großen Haus, in dem er kaum die Lichtschalter findet, Kohl, der späte Duz-Freund, der doch immer "Herr Bundeskanzler" blieb. Auch er hatte eine Affäre - die Spendenaffäre, die für Kai Diekmann aber als Akt größter Loyalität gilt.

Und dann Kohls Nachfolgerin: "Miss Germany". Auch ihr widmet der Autor ein Kapitel. Als Angela Merkel im August 2015 mit nur einem kurzen Satz ein Land und seine Bevölkerung in die Pflicht nimmt, für Geflüchtete und Bedrohte da zu sein, folgt "Bild" unter Chefredakteur Diekmann diesem Weg. Mit dem "Wir schaffen das!" handelten er und seine Zeitung sich auch den Vorwurf der zu großen Nähe zur Kanzlerin ein. Manche behaupten, es sei auch diese Haltung gewsen, die Diekmann schließlich aus seinem Sessel befördert habe - das Thema taucht auch an diesem Abend im Haus des Buches auf.

Kai Diekmann sieht das anders. Aus jenem Sessel sei er selbst und freiwillig aufgestanden, weil nach 16 Jahren die Langeweile neue Betätigungsfelder anmahnte. Auch der harte Auflagenschwund, erklärt Diekmann an diesem Leseabend, sei kein Grund für die Trennung des Verlages von ihm gewesen. Er allein habe Schluss gemacht. Schwarz und Weiß, komplexe Sache, kurz erzählt. Aber nicht jeder an diesem Dresdner Abend glaubt "Bild" oder dem früheren Chef ganz. Schwarz und weiß, komplexe Sache - vielleicht liegt die Wahrheit auch hier irgendwo dazwischen?

Der Autor schließt seine Lesung in Dresden mit Erinnerungen an Begegnungen mit Wladimir Putin, den der Semperopernball mit einem Orden ehrte und den Diekmann splitterfasernackt beim Baden sah. Er wollte verstehen, um erklären zu können, heißt es. In den späteren Jahren ging der "Bild"-Chef dann jedoch auf Abstand zu dem heutigen Kriegsführer. Eine Haltung, die nicht alle in Dresden teilen. Es sind die Tage in denen bekannt wird, dass der frühere Openball-Impressario Hans-Joachim Frey im Mai bewegt eine Ehrung entgegen genommen hat - von Wladimir Putin.