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Das Dresdner Hilton-Hotel belebt das traditionelle Grünkohlessen wieder

Der amtierende Dresdner Grünkohlkönig, Kilian Forster, musste vier Jahre lang zum Stängel halten. Nun wird endlich ein Nachfolger ernannt.

Von Nadja Laske
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Der Musiker und amtierende Grünkohlkönig Kilian Forster und Dresdens Hilton-Hoteldirektor Sebastian Goldmann haben den ersten Grünkohl geerntet.
Der Musiker und amtierende Grünkohlkönig Kilian Forster und Dresdens Hilton-Hoteldirektor Sebastian Goldmann haben den ersten Grünkohl geerntet. © Marion Doering

Dresden. Es geht hoch hinauf. Stufe für Stufe, Absatz für Absatz. Ganz oben in Kilian Forsters terrassenförmigem Garten, dort wo die Sonne am hellsten hinscheint, stehen seine Hochbeete. Die sehen in dieser Jahreszeit vertrocknet und struppig aus. Nur in einem scheint der Frühling ausgebrochen zu sein.

Aber ganz im Gegenteil: Es ist ein Wintergemüse, das sich dort so kräftig vom Grau ringsum abhebt: Der Musiker und Jazztage-Veranstalter hat Grünkohl angepflanzt. Jetzt ist er erntereif. Pünktlich zum ersten Grünkohlessen nach langer Coronapause setzt Forster die Gartenschere an und knipst die fünf dicken Stängel durch, auf denen üppige Dolden thronen. Jede einzelne wiegt rund ein Kilo, mach fünf Kilogramm frischen Grünkohl für die Schmorpfanne.

Um den Kohl wäre es beinahe geschehen gewesen. Kälte und Frost hatten ihn stattlich gedeihen lassen. Doch es folgte viel Schnee - eine Last, die die Pflanzen beinahe niederdrückte, und danach Stürme, die sie fast abknickten. Zum Glück ging alles noch einmal gut, und der königliche Beitrag zum Menü ist gesichert. Insgesamt wird das Küchenteam des Hilton-Hotels rund 100 Kilo Grünkohl verarbeiten, um allen Gästen ihre Portion auf den Teller zu bringen.

Zwölf Jahre lang war das Grünkohlessen der traditionelle Neujahrsempfang des Dresdner Hilton-Hotels. Alles, was in dieser Stadt Rang und Namen hatte, erschien im großen Saal, speiste an festlich gedeckten Tischen, tauschte sich aus, bahnte hier und da gemeinsame Projekte an - und feierte den neuen Grünkohlkönig.

Denn diese Majestät wurde im Rahmen des Grünkohlessens in jedem Jahr gekürt. Unter anderen der Musiker Jan Vogler, Dresdens Ex-Oberbürgermeisterin Helma Orosz, der ehemalige Fußballfunktionär Reiner Calmund, Sachsens früherer Ministerpräsident Georg Milbradt, Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach und Unternehmerin Viola Klein hatten bereits die Ehre. Die ist allerdings auch mit einer Pflicht verbunden: Der amtierende Grünkohlkönig muss sich mit den Belangen des Grünkohls möglichst auch praktisch befassen. Schließlich gehört es sich, dass der Regent nicht nur vom grünen Tisch aus agiert, sondern um das Werden und Wachsen, die Ernte und Verarbeitung des Gemüses weiß.

Von Gnaden der Pandemie war es Kilian Forster vergönnt oder abverlangt, vier Jahre lang im Amt zu bleiben. "Meine Königin und ich haben immer in Erwartung einer besseren Zeit jedes Jahr neu Grünkohl angebaut", erzählt er. Nun endlich sei es so weit: Die Ernte landet nicht im heimischen Kochtopf, sondern zunächst in der Kühlung der Hilton-Küche, wo sie auf das große Gelage am 7. Februar wartet.

Augefallener Neujahrsempfang

Anlässlich des wiederbelebten Schmauses mit rund 150 geladenen Gästen aus der Dresdner Gesellschaft - Politik und Wirtschaft, Kunst und Kultur - wird natürlich auch ein neuer Grünkohlkönig gekürt, dessen Name bis dahin geheim bleiben soll. Er wird sich ebenfalls mit dem Gemüse in seiner Funktionsbezeichnung befassen müssen. Einer, der das ebenfalls will, auch ohne selbst die Krone zu tragen, ist der General Manager des Hilton-Hotels Dresden.

Sebastian Goldmann leitet das Haus seit Oktober 2022 und konnte damit den traditionellen Jahresauftakt noch nie miterleben. "Mein Team hat mir vom Grünkohlessen erzählt, und ich war sofort begeistert", sagt der 46-Jährige. Das sei doch mal ein ausgefallener Neujahrsempfang, den es zu erhalten, aber auch zu prägen gelte. Und wie kann es anders sein - Goldmanns Vita spielt dahinein: Es wird beispielsweise eine Vorspeise aus Sushi mit Grünkohl geben. Denn bevor er in Dresden Hoteldirektor wurde, hat Sebastian Goldmann viele Jahre lang in Asien gelebt und dort verschiedene Hotels geleitet. Als gelernter Koch, für den der Beruf schon als Kind erklärtes Ziel war und der nach der Ausbildung die Hotelfachschule besuchte, ist es ein Bedürfnis, das Menü nach seinen Erfahrungen mitzugestalten.

Als die Position in Dresden vakant geworden war, hatte er sich auf die Stelle beworben. "Wir wollten nach einer großartigen Zeit im Ausland unbedingt wieder zurück nach Deutschland", sagt er. Hier lebten seine restlichen Familienmitglieder und somit auch die Großeltern seiner Kinder, für die er sich mehr Kontakt miteinander wünscht.

"Dresden hat uns sofort begeistert", sagt Sebastian Goldmann - die Historie, die Kultur, die Landschaft ringsum und die Nähe zur Goldenen Stadt Prag empfindet er als Geschenk. Nun kommt ein weiterer Wohlfühlgrund hinzu. Das Grünkohlessen ist ja schließlich nicht nur eine repräsentative Formfrage, sondern eine schöne Gelegenheit, mit Menschen, die die Stadt bewegen, zusammenzukommen, sich gegenseitig zu inspirieren und neue Ideen für das Leben hier zu spinnen.