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"Ich ziehe durch bis zum bitteren Ende": Dresdens Unverpackt-Pionierin trotzt der Krise

Immer mehr Unverpacktläden schließen, in Dresden steht nun ein weiteres Geschäft womöglich vor dem Aus. Für Berit Heller vom "Lose" kommt Aufgeben jedoch nicht infrage. Inmitten der Krise feiert sie Ladengeburtstag.

Von Dominique Bielmeier
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Erst Ende 2019 ist der Unverpacktladen "Lose" in der Dresdner Neustadt in größere Räume auf der Böhmischen Straße gezogen. Dort feiert er am Samstag achten Geburtstag.
Erst Ende 2019 ist der Unverpacktladen "Lose" in der Dresdner Neustadt in größere Räume auf der Böhmischen Straße gezogen. Dort feiert er am Samstag achten Geburtstag. © Sven Ellger

Dresden. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen, heißt es. Gerade in schwierigen Zeiten, weil man dann nie wissen kann, wann die nächste Gelegenheit zum Feiern sich bietet. Und die Zeiten sind schwierig, nicht nur für Verbraucher, die unter gestiegenen Preisen leiden, sondern auch für Einzelhändler, denen dadurch oftmals Kunden fehlen. Eine Branche, der es dabei besonders schlecht geht - und das schon seit Beginn der Coronapandemie -, sind Unverpacktläden, von denen deutschlandweit immer mehr schließen - auch in Dresden.

Hier hat erst im Herbst des vergangenen Jahres das "2Gut" in Löbtau dichtgemacht; ein zweiter verpackungsloser Markt von zeitweise vier in der Stadt steht offenbar kurz vor der Schließung. Doch Kneifen gilt nicht, zumindest für "Frau Lose", Berit Heller. Die Dresdner Unverpackt-Pionierin hat ihr "Lose" auf der Böhmischen Straße in der Neustadt 2015 eröffnet, es war der erste Unverpackt-Laden in Sachsen - und es könnte der letzte sein.

"Mein Mann hat schnell noch eine Sitzecke aus alten Paletten gebaut, der Keller wird wie eine Art Wohnzimmer eingerichtet", plappert Heller in ihrer typischen Art los über die geplante Feier zum achten Ladengeburtstag am Sonnabend. Gefeiert wird im Keller, der zum "Lose" gehört und bald auch gemietet werden kann. In einer Ecke sollen Tischtennisplatte und Kickertisch stehen, außerdem kann man dort Dart spielen oder auf einen Boxsack einschlagen - "für Leute, die sich auch ein bisschen bewegen wollen".

"Ich ziehe durch bis zum bitteren Ende"

Verkostungen veganer Aufstriche, Reise nach Jerusalem, ein Quiz... Die Liste der geplanten Aktivitäten für diesen Tag ist lang, im Zentrum aber steht eine Disko am Abend. "Einfach mal ein paar Stunden das Gehirn frei tanzen und Spaß haben miteinander", sagt Heller. Motto: 80er und 90er. Aber eigentlich: "Jetzt erst recht."

"Ich ziehe durch bis zum bitteren Ende", sagt die Unternehmerin und meint nicht die Geburtstagsfeier am Samstag, sondern ihr ganzes Geschäft. "Das Rentenkonto ist ja schon lange futsch, nun kämpfe ich um meine Mädels und meinen Laden." Drei Angestellte in Teilzeit arbeiten im "Lose", keine von ihnen entlassen zu müssen, ist Hellers oberstes Ziel. Großer Umsatz kommt schon lange nicht mehr rum.

Für das "2gut" an der Schillingstraße in Löbtau, das erst im Frühjahr 2020 eröffnet hatte, hat dies im September 2022 das Ende bedeutet. Trotz Imbisswagen mit Mittagsgerichten, Kuchenaktionen und kleinen Konzerten hatte sich der Umsatz einfach nicht so entwickelt wie erwartet. Als Kevin Brüser, einer der beiden Gründer, aus dem Geschäft aussteigt, ist das "2gut" - im Juni 2022 - bereits insolvent. "Die ganzen negativen Auswirkungen von Corona und die enormen Preissteigerungen durch die aktuelle Ukraine-Krise machen es mir unmöglich, wirtschaftlich so weiterzumachen", hatte sein Geschäftspartner Thomas Felsch damals erklärt.

Unverpacktladen "Quäntchen" in Pieschen: "Die Lage ist mehr als dramatisch"

Der Pieschener Unverpacktladen "Quäntchen" war kurz davor aufzugeben. Mitte Dezember hatte Betreiber Sven Wruck seinen Laden auf der Oschatzer Straße geschlossen, um ernsthaft über dessen Zukunft nachzudenken. "In den letzten vier Jahren habe ich alles gegeben, was ich konnte, am Ende auch zu viel", hatte er erklärt. Rund sechs Wochen später, Ende Januar, kehrte das "Quäntchen", das erst 2019 eröffnet hatte, zurück.

Doch es steht weiterhin nicht gut um den Unverpacktladen, wie in einem Blogeintrag vom 10. März auf der Website zu lesen ist: "In den letzten anderthalb Jahren hat sich der Umsatz mehr als halbiert und wird von Woche zu Woche weniger." Nicht mehr alle Produkte könnten regelmäßig nachbestellt oder müssten jetzt ganz ausgelistet werden. "Die Lage ist mehr als dramatisch und wenn sich nichts ändert, kann es in den nächsten Wochen zu spät sein und auch das Quäntchen muss dann seine Türen für immer schließen." Nun helfe jeder Cent, um das Geschäft vor der Schließung zu retten.

"Jeder Einkauf zählt", das betont auch Berit Heller immer wieder, weil Kunden das oft nicht glauben wollen, wenn sie nur kurz ein paar Zahnpasta-Tabletten oder eine Dose mit Nudeln mitnehmen. In der Summe mache das eine Menge aus und könne den Unterschied für das "Lose" bedeuten, sagt Heller. Das sei wie beim Müll - ihrem wahren Widersacher.

Die Lose-Geburtstagsfeier am Samstag, 25. März, beginnt um 18.30 Uhr mit einem Sektempfang für Stammkunden, ab 19 Uhr gibt es Disko im Keller.