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Dresdner Hobbygärtner: Kampf um Kirschbaum endet mit Kündigung

Ein Paar weigert sich, eine 30 Jahre alte Kirsche in ihrer Parzelle in einem Kleingarten im Dresdner Westen zu fällen, weil sie noch gesund ist. Nun schmeißt der Gartenverein die Pächter raus.

Von Nora Domschke
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Katja Vogel und ihr Freund Paul Schumann hängen an dem alten Kirschbaum, der in ihrem Garten steht. Der soll aber gefällt werden, fordert der Verein. Nun gibt es Streit darüber.
Katja Vogel und ihr Freund Paul Schumann hängen an dem alten Kirschbaum, der in ihrem Garten steht. Der soll aber gefällt werden, fordert der Verein. Nun gibt es Streit darüber. © Sven Ellger

Dresden. Paul Schumann und seine Freundin Katja Vogel sind seit knapp einem Jahr Pächter eines Kleingartens im Dresdner Westen. Ihre kleine Parzelle liegt am Rande von Gorbitz, zu Fuß läuft das Paar nur fünf Minuten von daheim hierher. Doch die Garten-Idylle ist getrübt - und scheint demnächst sogar ein jähes Ende zu finden. Paul Schumann und Katja Vogel haben vom Vorstand des Kleingartenvereins die Kündigung bekommen. Der Grund einer heftigen Streitigkeit mit dem Verein: ein alter Kirschbaum.

"Als wir den Garten im November letztes Jahr übernommen haben, war das an die Bedingung geknüpft, die Süßkirsche zu fällen und zu entsorgen - weil sie krank sei", erzählt Paul Schumann. "Das war für uns ok." Kurz darauf machte sich Schumann daran, die Fällung vorzubereiten und verschnitt die Äste. "Dabei ist mir aufgefallen, dass der Baum kerngesund ist und gut im Saft steht." Die Freude war groß bei den beiden neuen Hobbygärtnern - ist die Kirsche doch der einzige Baum auf der recht kleinen Parzelle und spendet im Sommer viel Schatten.

Doch im Vorstand des Kleingartenvereins Obergorbitz will man vom passablen Zustand des Baumes nichts hören. Der Baum müsse trotzdem weg, er sei alt und gefährde die Verkehrssicherheit, die Nachbarn fühlten sich gestört und der Baum könne zum Domizil der Essigfliege werden. Paul Schumann schlägt diese Hinweise in den Wind und ignoriert die Anweisung zum Fällen bis in den Sommer hinein. Im Juni bekommt der 41-Jährige Post vom Vorstand: eine Abmahnung, weil bei einer Begehung der Gartenanlage durch den Stadtverband festgestellt worden sei, dass der Kirschbaum ja noch immer steht.

Sollten die Pächter die Fällung weiterhin verweigern, könne eine Kündigung nicht ausgeschlossen werden. Immerhin habe sich Schumann dazu verpflichtet, als er den Pachtvertrag unterschrieben hat. "Wir waren total überrascht von der Abmahnung. Ich habe dann noch einmal das Gespräch mit dem Vorstand gesucht. Mir tut es einfach so leid um den Baum."

Schließlich werbe der Stadtverband der Gartenfreunde auf seiner Internetseite mit dem Logo 'Grün für Dresden' - und nun unterstütze er, dass der Baum gefällt wird. Schumann schüttelt verständnislos den Kopf. "Und dies in Zeiten, wo in Dresden Bäume aufgrund der Dürreperioden reihenweise absterben."

Stadtverband und Verein bleiben bei ihrer Forderung

Frank Hoffmann, Chef des Stadtverbandes, bestätigt, dass der Kirschbaum wegmuss. Das sei bei einer Wertermittlung, die vor jedem Pächterwechsel stattfindet und bei der festgehalten wird, was Bauten und Pflanzen wert sind, so entschieden worden.

Hoffmann verweist zum einen darauf, dass die Parzelle sehr schmal und der Baum dafür zu groß sei. So beeinträchtige er nicht nur die gärtnerische Nutzung - und die ist im Bundeskleingartengesetz streng geregelt, sondern auch die Nachbargärten. Schumann bestreitet das. "Unsere Nachbarn haben überhaupt nichts gegen den Baum."

Letztlich hätten die Pächter für den Kirschbaum nichts bezahlt, denn der Kaufpreis sei reduziert worden, so Hoffmann weiter. "Bei Abschluss des Pachtvertrages wurde zwischen Vereinsvorstand und neuen Pächtern vertraglich vereinbart, dass der Kirschbaum bis zum Saisonende 2022 beseitigt wird. Der Unterpachtvertrag wurde befristet und die Entfristung an die Beseitigung des Baumes gebunden."

Hofmann bestätigt weiterhin, dass die Pächter den Stadtverband um Auskunft baten, warum der Baum gefällt werden muss. Dazu habe eine Fachberaterin erläutert, dass es gleich mehrere Probleme mit der Kirsche gibt. So fördere der Rückschnitt das Wachstum, sodass die gärtnerische Nutzung künftig noch weiter beeinträchtigt werde. Außerdem werde ein hoher Baum im oberen Kronenbereich oft vernachlässigt, wodurch sich Schädlinge und Pflanzenkrankheiten leichter ausbreiten können. Und: "Letztlich hat gerade dieser Baum auch negative Auswirkungen auf das Vereins- und nachbarschaftliche Leben", findet Hoffmann.

Verband: "Baum ist kein Sinnbild einer Rebellion"

Deshalb habe der Stadtverband den Pächtern empfohlen, das sachliche Gespräch mit dem Vorstand des Kleingartenvereins zu suchen. Zudem wurde angeboten, dass der Stamm als Totholzrefugium erhalten bleiben könnte. Als Ersatz wurde ein niedriger Obstbaum vorgeschlagen, der neu gepflanzt wird und maximal vier Meter hoch wächst. Der alte Kirschbaum ist deutlich höher.

Dazu gab der Stadtverband Paul Schumann und Katja Vogel noch folgenden Hinweis: "Beachten Sie, dass es nicht darum gehen kann, den Baum als Sinnbild einer Rebellion aufzubauen." Die Pachtgärten seien in erster Linie Nutzgärten.

Nun zieht Frank Hoffmann Fazit, denn der Kirschbaum steht noch immer. "Den Pächtern geht es offensichtlich nicht um fachliche Hinweise." Der Kleingartenverein will die Kündigung offenbar durchziehen - und bittet das Paar am kommenden Mittwoch zum Termin in die Parzelle am Braugässchen. "Bitte halten Sie 70 Euro in bar für die Bezahlung bereit", heißt es in einem Schreiben. So viel kostet die Wertermittlung. Anschließend übernehme der KGV Obergorbitz die Parzelle wieder, heißt es weiter.

Den Kampf um den alten Kirschbaum haben Paul Schumann und Katja Vogel wohl verloren - ebenso wie nun ihren Garten. "Wir bringen es einfach nicht übers Herz, den Baum zu fällen."