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Dresdner Psychotherapeutin erklärt Depressionen kindgerecht: "Freddy und die schwarzen Wolken"

Lange Wartezeiten, wenig Praxen: Die Dresdnerin Kathleen Prußok arbeitet als Psychotherapeutin. Mit einem Kinderbuch über Depressionen möchte sie Kindern helfen, deren Angehörige an der Erkrankung leiden.

Von Theresa Hellwig
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Die Dresdnerin Kathleen Prußok hat das Buch über Depressionen schon vor längerer Zeit geschrieben - aber erst jetzt herausgebracht.
Die Dresdnerin Kathleen Prußok hat das Buch über Depressionen schon vor längerer Zeit geschrieben - aber erst jetzt herausgebracht. © René Meinig

Dresden. Die Tannenzapfen und Äste knacken, als Kathleen Prußok über den Waldboden der Dresdner Heide läuft. Hier ist sie eine Zeit lang immer wieder unterwegs gewesen, wenn sie Raum für ihre Gedanken brauchte. Wenn Freddy in ihrem Kopf noch mehr Gestalt annehmen musste – oder wenn die Geschichte seines Freunds Steven noch eine neue Wendung brauchte. Die Dresdnerin Kathleen Prußok ist Psychotherapeutin – und ihre "kleinen Jungs", wie sie die beiden liebevoll nennt, also Freddy und Steven, sind die Hauptfiguren aus ihrem neuen Kinderbuch über Depressionen. "Freddy und die schwarzen Wolken" heißt das Buch, und es ist ganz frisch auf den Markt gekommen.

"Ich kenne die langen Wartelisten für einen Psychotherapieplatz", sagt die 38-Jährige mit den roten Haaren, die mit ihrem Hund in der Dresdner Neustadt lebt. Sie selbst hat ihre Praxis in Ortrand, weil es in Dresden keinen freien Praxissitz gab. Einige ihrer Patientinnen und Patienten kommen trotzdem aus Radeberg oder Dresden. "Obwohl ich mich im ländlichen Raum befinde, ist die Praxis voll", sagt sie. Viele ihre Kolleginnen und Kollegen haben ihre Wartelisten sogar geschlossen, weil sie keine Kapazität für neue Patientinnen und Patienten mehr haben, erzählt sie. In diese Situation hinein hat sie ihr Buch veröffentlicht.

"Freddy und die schwarzen Wolken" handelt von Freddy und seinem Freund Steven. Die Mutter von Steven leidet unter Depressionen, Freddy will ihm helfen.
"Freddy und die schwarzen Wolken" handelt von Freddy und seinem Freund Steven. Die Mutter von Steven leidet unter Depressionen, Freddy will ihm helfen. © René Meinig

Geschrieben hat sie es genaugenommen schon vor längerer Zeit. "Ich habe das Buch in der Pause nach meiner Psychotherapeutenausbildung geschrieben und jetzt nur noch einmal überarbeitet", sagt sie. Einen Sommer lang habe sie für das Schreiben gebraucht – und das Buch von vorn bis hinten weg geschrieben. "Eigentlich entwickelt man erst ein Konzept für ein Buch", sagt sie. "Das wusste ich damals nicht." Sie lacht.

Bei "Freddy und die schwarzen Wolken" handelt es sich um ein Sachbuch. Die Informationen über Depressionen sind in eine Geschichte eingestrickt. Dem elf Jahre alten Freddy fällt auf, dass sich sein Kumpel Steven irgendwie komisch verhält. In sich gekehrt, anders als üblich. Als Freddy auf Stevens Mutter trifft, bemerkt er, dass auch sie ganz anders ist, als er sie in Erinnerung hat. Ungeduscht und fettige Haare, still, bedrückt. Zum Glück ist Freddys Papa Psychotherapeut – und der kann das erklären.

Die Dresdnerin möchte eine Reihe daraus machen

Denn Stevens Mutter leidet unter Depressionen. Im Buch berichtet der Vater, was das für eine Krankheit ist und versucht, der Mama zu helfen. Trotzdem geht es ihr schlechter. Sie unternimmt einen Suizidversuch und muss für eine Weile in eine Psychiatrie einziehen. Dort geht es ihr langsam besser. Aber Kathleen Prußok erklärt in dem Buch auch, das Depressionen eine langwierige Geschichte sind – und viele Menschen am Ende eben nicht einfach wieder gesund sind.

Auch zwei Nebenstränge gibt es in dem Buch. So findet Freddy nämlich einen Hund im Wald. Er versteckt ihn. Doch plötzlich ist der Hund wieder weg! Und: Freddy ist zum ersten Mal verliebt.

"Wissen ist bei psychischen Erkrankungen die halbe Miete", sagt Kathleen Prußok. Bewusst habe sie ihr Buch ein bisschen flapsig geschrieben, etwas humorvoll. Mit ihrem Buch möchte sie Betroffenen und Angehörigen ein niederschwelliges Angebot schaffen.

Buch soll erstes Hilfsangebot für Wartezeit auf Therapie sein

"Es hilft, zu verstehen: Was ist los mit mir? Mit meiner Mama oder einem anderen Angehörigen?", sagt sie. Sie wolle auch Verständnis für die Betroffenen schaffen. "Das bringt auch Entlastung", erklärt sie. "Es hilft ja den Betroffenen, wenn Angehörige verstehen, dass sie sich jetzt gerade nicht einfach zusammenreißen können." Denn Kathleen Prußok erlebe oft, dass sich Patientinnen und Patienten unverstanden fühlen. Auch Berührungsängste mit der Erkrankung soll das Buch abbauen.

"Ich möchte außerdem zeigen: Das kann wieder besser werden", sagt Kathleen Prußok. Sie möchte mit dem Buch im Zweifel auch in der Wartezeit auf einen Therapieplatz ein erstes Hilfsangebot schaffen. "Das kann natürlich nur ein Anfang sein", sagt sie. "Die meisten Erkrankten brauchen das persönliche Gespräch."

Bewusst hat sie die zwei Nebenstränge eröffnet – und die Geschichten dabei offen gelassen. Denn es soll noch mehr Geschichten von Freddy geben. In der Buchreihe soll er in jedem Buch mit einer anderen psychischen Erkrankung in Kontakt kommen.

Depressionen waren unter anderem deshalb das erste Thema, weil es so viele Betroffene gibt. 5,3 Millionen Menschen in Deutschland erkranken laut der "Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention" jährlich daran. Laut der Stiftung zählen Depressionen auch bei Jugendlichen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Etwa drei bis zehn Prozent aller Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren erkranken. "Immer noch sind viele Kinder und Jugendliche durch die Folgen der Pandemie belastet", sagt Kathleen Prußok.

Worum es in ihrem zweiten Buch gehen wird, ist noch nicht ganz klar, sagt sie. Ebenfalls weit verbreitet seien beispielsweise Essstörungen oder Zwangserkrankungen. Diese Krankheitsbilder wolle sie auf jeden Fall gerne aufgreifen.

Eines sei für sie jedenfalls klar: Wenn sie das zweite Buch angehen will, muss sie ihre Arbeit in der Praxis für eine Weile pausieren. Ideen, was Freddy noch alles so erleben könne, habe sie aber schon einige im Kopf.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über das Thema Suizid. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800 1110111 und 0800 1110222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.