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Dresdner Supermarkt wirft Fleisch aus der Theke - und legt vegane Produkte aus

Im Rewe Dresden-Mitte gibt es jetzt Produkte der "Veganen Fleischerei" an der Bedientheke. Darauf machte der Markt via Instagram aufmerksam - und landete damit einen Hit.

Von Theresa Hellwig
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Stefan Lamke führt zwei Rewe-Märkte in Dresden: in der Friedrichstraße und in der Schweriner Straße. In beiden Märkten bietet er in der Bedientheke nun Produkte der "Veganen Fleischerei" aus Dresden an.
Stefan Lamke führt zwei Rewe-Märkte in Dresden: in der Friedrichstraße und in der Schweriner Straße. In beiden Märkten bietet er in der Bedientheke nun Produkte der "Veganen Fleischerei" aus Dresden an. © Matthias Rietschel

Dresden. Das Video ist ein bisschen provokant - und lustig. Erst schiebt eine Verkäuferin beherzt andere Produkte in der Fleischtheke weg, dann wirft ein Mitarbeiter ein Spielzeugschwein über seine Schulter in die Luft. Die Botschaft: weg mit dem Tier. "Wir machen Platz", heißt es in dem Video, "für diesen neuen veganen Lieferanten". Dann die Auflösung: Neben Käse und Wurst werden in dem Markt in der Bedientheke künftig Produkte der "Veganen Fleischerei" aus Dresden angeboten.

Mehr als 13.000 Likes hat das Video auf Instagram bekommen, etwa 257.000 Mal ist es angesehen worden. "Wir sind ein Supermarkt", sagt Stefan Lamke - und klingt dabei verblüfft. Fast so, als würde er meinen: "nur" ein Supermarkt. Doch es ist ganz eindeutig: Das Video hat gezogen.

Stefan Lamke ist Inhaber der beiden Rewe-Märkte in der Friedrichstraße und auf der Schweriner Straße in Dresden-Mitte. Und das neue Angebot gibt es in beiden seiner Märkte.

An diesem Morgen in der Friedrichstraße liegt dort zum Beispiel die Wurst mit dem Namen "Keine Lyoner" aus der "Veganen Fleischerei", dort liegt "Keine Weißwurst", "Keine Leberwurst", "Keine Salami" und "Kein Schnitzel". Aber nicht nur die Produkte der "Veganen Fleischerei" liegen dort, sondern auch vom Rewe-Markt mariniertes fleischfreies Hähnchen-Gyros und im Markt gewürzte und gerollte Frikadellen. Außerdem gibt es für Kinder eine Wurst ohne tierische Inhaltsstoffe mit Koala-Gesicht. Und es gibt pflanzlichen Camembert auf Blumenkohlbasis oder Cashewkäse mit Kräutermarinade. Insgesamt 19 Produkte sind es an diesem Tag. Zum Vergleich: Im Fleischbereich sind es weit über 100.

"Die vegane Fleischtheke gibt es bei uns schon länger", erklärt Stefan Lamke. "Ende 2022 gab es dazu ein nationales Testprojekt bei Rewe." Etwa 60 Märkte in Deutschland hätten damals solche Produkte in die Bedientheke mit aufgenommen. Ungefähr acht davon im Osten Deutschlands. Für die fleisch- und milchfreien Produkte flogen Fleisch- und Wurstsorten aus dem Sortiment. In Lamkes Fall zum Beispiel: Wurst in Aspik und Blutwurst. Anfeindungen habe er dafür nicht erhalten: Niemand habe das Verschwinden bemerkt.

Vegane Kühltruhe größer als in anderen Rewe-Märkten

Als das vegane Test-Projekt nach einem Jahr auslief, wollte Lamke sich aber von der Idee nicht verabschieden - und führte es weiter. "Ich wollte mehr Auswahl, mehr Regionalität", sagt er. Deshalb habe er die Idee gehabt, bei der "Veganen Fleischerei" aus der Neustadt anzufragen. Seit März dieses Jahres nun liegen die Produkte bei ihm aus, mit wechselndem Angebot.

Und nicht nur in der Bedientheke wartet der Markt mit einem großen pflanzlichen Angebot auf. Auch im Kühlregal bietet Stefan Lamke mehr vegane und vegetarische Wurst- und Fleischersatzprodukte an als andere Rewe-Märkte. "Die Standardtruhe ist 2,50 Meter groß. Wir haben 3,70 Meter", ordnet er ein. Etwa 2.700 vegane Produkte gebe es jeweils in seinen beiden Märkten; der Durchschnitt der Rewe-Märkte liege bei 1.700.

"Gut, dass der Fleischkonsum abnimmt"

Warum er das macht? Zieht vegan so sehr? "Der Umsatz ist vergleichsweise gering", antwortet Stefan Lamke. Er habe zwar damals nach der Eröffnung des Marktes gemerkt, dass die Fleischtheke in dem Stadtteil nicht so gut laufe. "Hier leben viele Studis und junge Familien", sagt Stefan Lamke. Es laufe in seinem Markt also verhältnismäßig nicht schlecht mit fleischfreien Produkten.

Dennoch: "Man darf nicht vergessen, dass vegane Ernährung immer noch eine Nische ist." Etwa drei Prozent der Deutschen leben aktuell pflanzlich, ergab 2023 eine Forsa-Umfrage. Nur ein Bruchteil der Kunden, die die Frischetheke nutzen, kaufen etwas aus der veganen Produktreihe, berichtet Stefan Lamke. "Ist ja auch irgendwie logisch", sagt der 31-Jährige. "In dem Bereich erwarten die Leute ja erst einmal nichts Veganes."

Um das einmal anschaulich zu machen: Im Rewe-Markt habe es eine Spitzenwoche gegeben für die Produkte ohne tierische Inhaltsstoffe. Damals hatte der Markt mit dem Dresdner Influencer-Paar "Plantbased Couple" geworben - und so viele Neugierige in den Markt gelockt. "Das war die Woche mit dem größten Vegan-Umsatz, die wir je hatten", sagt Stefan Lamke. Dennoch: In dieser einen Woche hatte der Markt zusammengenommen gerade einmal so viel eingenommen, wie an einem guten Samstag mit Fleisch-Produkten. "Wirtschaftlich gesehen, ist das hier Quatsch", sagt der Dresdner - und deutet Richtung veganer Auslage.

Ein Blick in die vegane Auslage im Rewe-Markt in der Friedrichstraße.
Ein Blick in die vegane Auslage im Rewe-Markt in der Friedrichstraße. © Matthias Rietschel

Warum also dann? "Ich bin kein Veganer, aber ich esse die vegane Lyoner unglaublich gerne", sagt Stefan Lamke. Auch das Schnitzel des Dresdner Unternehmens sei unglaublich lecker - und ganz anders, als ein konventionelles veganes Schnitzel, das es abgepackt zu kaufen gibt. Er wolle niemandem etwas vorschreiben, aber Lamke habe "Verständnis für die Leute, die vegan essen" und finde das auch gut. "Vor allem Tierethik ist für mich ein wichtiges Thema", so der Marktbetreiber.

Die Zeiten, in denen "man sich täglich Fleisch reinballert", so formuliert er es, "sind vorbei". Er esse zwar manchmal Fleisch, wolle dann aber, dass das Tier wenigstens für einen besonderen Genussmoment sein Leben verloren habe. "Das Tier soll nicht gestorben sein, nur damit ich von einem semiguten Essen satt werde", sagt er. Es sei gut, dass der Fleischkonsum sinke. Deshalb sei es ihm auch wichtig, die Produkte anzubieten.

Nicht nur in der Bedientheke setzt er deshalb auf die Produkte ohne tierische Inhalte. Joghurt, Backmischung, Pudding: Überall im Markt gibt es, wie auch in anderen Supermärkten, vegane Produkte. "Ich finde es gut, wenn das zur Normalität wird", sagt Stefan Lamke. Es sei wichtig, dass die aus seiner Sicht unnötige Debatte um das Thema aufhöre. "Die Leute verlieren nach und nach ihre Angst davor", ist er überzeugt. Das sei auch einer der Punkte, weshalb er sich über den Zuwachs in seiner Auslage durch die "Vegane Fleischerei" so freue: "Die Firma holt das Thema aus der Nische heraus."

Und die Sache mit Instagram? Stefan Lamke lacht. Er zeigt auf das Display seines Smartphones: eine Nachricht der Agentur, die für ihn die Videos zusammenschneidet und online postet. "Es hört nicht auf", habe ihm die Agentur an diesem Morgen mit einem weinenden Smiley geschickt. Denn noch immer sammelt das Video zur Bedientheke fleißig "Likes".

Einmal die Woche telefoniere er mit der Agentur, um zu besprechen, was ansteht. "Wir versuchen, ein Video die Woche zu produzieren", erklärt er. Ob die Videos - und vor allem dieses eine - finanziell einen Unterschied machen, könne er nicht sagen. Aber eines wisse er: "Das macht unglaublich viel Spaß. Mir - und auch den Angestellten."

Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels hatte sich ein Fehler eingeschlichen. Dort hieß es, das Instagram-Video sei 257 Mal angesehen worden. Richtig ist: Das Video ist 257.000 Mal angesehen worden.