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DVB-Ticket nicht entwertet: Abgestempelt als Schwarzfahrerin in Dresden

Eine junge Frau aus Bolivien hat ihre Monatskarte nicht entwertet, weil sie den deutschen Hinweis auf dem Ticket nicht verstand. Warum eine englische Version keine Option ist und wie kulant Kontrolleure sein dürfen.

Von Nora Domschke
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Flavia muss 60 Euro Strafe zahlen, weil sie ihre Monatskarte zwar gekauft, aber nicht entwertet hat. Die junge Frau kommt aus Bolivien und arbeitet ein Jahr in einer Dresdner Kita.
Flavia muss 60 Euro Strafe zahlen, weil sie ihre Monatskarte zwar gekauft, aber nicht entwertet hat. Die junge Frau kommt aus Bolivien und arbeitet ein Jahr in einer Dresdner Kita. © Marion Doering

Dresden. Der Schreck war groß, als der Fahrkartenkontrolleur mit dem Kopf schüttelte. "Die Monatskarte ist nicht gültig." Dabei hatte Flavia das Ticket am Automaten doch bezahlt. Was die gebürtige Bolivianerin nicht wusste: Das Papierticket muss bei der ersten Fahrt in Bus oder Bahn an einem der orangefarbenen Geräte abgestempelt werden. Doch anstatt ihr das zu erklären, habe der Kontrolleur die Zahlungsaufforderung in Höhe von 60 Euro ausgedruckt.

Das war am 17. Oktober 2022. Genau eine Woche zuvor hatte Flavia die Monatskarte an einem Automaten gekauft. Die junge Frau verbringt im Rahmen des Programms "Weltwärts" des Bundesfreiwilligendienstes ein Jahr in Dresden und arbeitet hier in einer Kita. Um von ihrer Unterkunft in die Einrichtung zu kommen, nutzt sie jeden Morgen die Straßenbahn der Linie 6. In der Nähe des Schillerplatzes muss die 29-Jährige aussteigen und von dort zur Kita laufen.

Am 17. Oktober getraut sie sich nicht, die Bahn zu verlassen, weil der Kontrolleur auf sie einspricht. "Er sagte immer wieder das Wort 'entwerten' zu mir. Ich habe es aber nicht verstanden", erzählt Flavia.

"Ich habe ihn gebeten, ob er es mir auf Englisch erklären könnte"

Zwar hat sie in ihrer Heimat Bolivien eine deutsche Schule besucht und dort die Sprache gelernt, aber alle Begriffe kennt sie noch nicht. "Ich habe ihn gebeten, ob er es mir auf Englisch erklären könnte - das hat er aber nicht getan." Als Flavia an diesem Morgen in der Kita ankommt, bemerkt die Leiterin sofort, dass etwas passiert ist. "Flavia war durcheinander und sehr aufgeregt. Dann hat sie mir von der Kontrolle berichtet", erinnert sich Kita-Chefin Cornelia Hammer.

Die Bolivianerin dachte, dass die Monatskarte ab dem Datum, das auf dem Ticket vermerkt ist, vier Wochen lang gültig ist.
Die Bolivianerin dachte, dass die Monatskarte ab dem Datum, das auf dem Ticket vermerkt ist, vier Wochen lang gültig ist. © privat

Dass der Kontrolleur ihrer ausländischen Mitarbeiterin nicht verständlich machen konnte, dass sie die Monatskarte abstempeln muss, ärgert die Kita-Leiterin. "Er hätte es ihr ja auch einfach zeigen können", findet Cornelia Hammer.

Flavia wiederum beteuert, dass sie sich bei dem Kontrolleur entschuldigt und ihm erklärt habe, dass sie dachte, die Monatskarte gilt ab dem Kaufdatum, das am oberen Rand des Tickets vermerkt ist. Das Wort "Entwertung", das darunter steht, sei ihr unbekannt gewesen. Doch es hilft nichts - der Kontrolleur ließ sich nicht erweichen, sondern beharrte auf der Strafe und drückte ihr die Zahlungsaufforderung in die Hand.

DVB fordert 60 Euro Strafe ein

Cornelia Hammer will das nicht auf sich beruhen lassen, ebenso wenig wie Franz Michel, über dessen Dresdner Verein Amigos Cultura die junge Bolivianerin nach Dresden gekommen ist. "Ich habe gleich beim Kundenzentrum der Dresdner Verkehrsbetriebe angerufen und alles erklärt", schildert die Kita-Leiterin. Anschließend formuliert sie den Vorfall schriftlich und schickt eine E-Mail an die DVB. Sie hat die Hoffnung, dass das Verkehrsunternehmen kulant ist und auf das Bußgeld verzichtet.

Erst Anfang Januar kam eine Antwort - mit der Aufforderung, die 60 Euro zu überweisen. Die Sache sei geprüft und so beschieden worden. "Wir haben dann überlegt, ob wir als Verein einen Widerspruch schreiben", sagt Franz Michel. Letztlich habe man das Geld einfach überwiesen, damit es keinen Ärger gibt. "Wir wollen, dass Flavia hier eine unbeschwerte Zeit hat und sich nicht um so etwas kümmern muss."

Die Berliner Verkehrsbetriebe weisen ihre Fahrgäste auch in englischer Sprache darauf hin, dass sie das Ticket entwerten müssen.
Die Berliner Verkehrsbetriebe weisen ihre Fahrgäste auch in englischer Sprache darauf hin, dass sie das Ticket entwerten müssen. © Marion Doering

Dennoch fragt er sich, warum der Hinweis, dass das Ticket entwertet werden muss, nicht wenigstens in Englisch auf der Fahrkarte vermerkt ist. "Ich war jetzt in Berlin und habe mal geschaut, wie das die Verkehrsbetriebe dort lösen. Tatsächlich steht der Hinweis in Englisch auf dem Ticket." Wäre das nicht auch in Dresden denkbar, in einer Stadt mit Millionen Touristen aus dem Ausland?

Aufdruck von Tickets zu ändern, ist nicht so einfach

DVB-Sprecher Falk Lösch fragte für Sächsische.de in seinem Unternehmen nach. "Innerhalb des Verkehrsverbundes Texte auf den Tickets zu ändern, ist nicht so einfach möglich." Zum einen betreffe das die Technik, zum anderen die Schriftgröße, auf die man sich mit Sehschwachenverbänden geeinigt habe.

Ohnehin sei den DVB nicht bekannt, dass viele Fahrgäste in Dresden Verständnisprobleme beim Kauf und der Entwertung ihres Tickets hätten. "Am Automaten wird es auf jeden Fall mehrsprachig erklärt und man wird darauf hingewiesen."

Allerdings, räumt Falk Lösch ein, hätte der Kontrolleur im Falle von Flavia durchaus anders reagieren können. Die Ticketkontrollen lassen die DVB von einem externen Unternehmen durchführen, erklärt der Sprecher. Mit ihm sei abgesprochen, dass die Kontrolleure vor allem bei ausländischen Fahrgästen Handlungsspielraum haben und nicht in jedem Fall ein Bußgeld verhängen müssen. "Ein Hinweis hätte es wohl auch getan."

Obwohl das Strafgeld von Flavia inzwischen bezahlt ist, will er die Sache noch einmal prüfen. Dennoch betont Lösch, wie wichtig die Arbeit der Kontrolleure für die DVB ist. "Sie sichern uns unsere Einnahmen." Die Kontrolleure selbst werden übrigens nicht auf Provision und damit abhängig von der Zahl der verteilten Knöllchen bezahlt, sondern sie bekommen ein Festgehalt.