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Falscher Heilpraktiker: Berufungsprozess nach sechs Jahren

2017 war ein 49-Jähriger zu 20 Monaten Haft verurteilt worden. In dieser Woche sollte in Dresden der Berufungsprozess beginnen. Sollte.

Von Alexander Schneider
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Marko E. vor seiner Pension "Glückspilz" im Altenberger Ortsteil Schellerhau. Der 49-Jährige soll sich dort unerlaubt als Heilpraktiker betätigt haben und wurde 2017 in Dresden verurteilt. Im Berufungsprozess erhofft er einen Freispruch.
Marko E. vor seiner Pension "Glückspilz" im Altenberger Ortsteil Schellerhau. Der 49-Jährige soll sich dort unerlaubt als Heilpraktiker betätigt haben und wurde 2017 in Dresden verurteilt. Im Berufungsprozess erhofft er einen Freispruch. © Archiv/Egbert Kamprath

Dresden. Die Jahre sind auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen: Die Figur ist etwas runder, das Haar etwas dünner, so geht es Männern um die 50. Doch wenn Marko E. den Mund aufmacht, ist er ganz der Alte.

Noch immer plagt sich die Justiz mit dem vielfach vorbestraften Angeklagten herum, der vor Jahren als "falscher Heilpraktiker" Schlagzeilen machte. Bereits am 9. November 2017 hatte der 49-Jährige eine Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten erhalten – ohne Bewährung. Das Amtsgericht Dresden war überzeugt, dass E. unter anderem ohne Qualifikation und Zulassung als Heilpraktiker Patienten behandelt hat.

Er habe sich auch als ehemaliger Strafrichter ausgegeben, der seinen Job nicht mehr ertragen habe, weil er so viele ins Gefängnis stecken musste. Von zwei Geschädigten soll der falsche Richter Geld kassiert haben, um für sie Forderungen einzutreiben. Darüber hinaus habe er in Prozessen gelogen und echte Heilpraktikerinnen bezichtigt, auch sie hätten keine Zulassung.

Seit 2017 wartet der Mann auf seinen Berufungsprozess, denn weder er noch die Staatsanwaltschaft hatten das Urteil akzeptiert. Der Versuch, das Uralt-Verfahren am Landgericht Dresden geräuschlos zu beerdigen, ging nun gründlich in die Hose. Gestern, fast sechs Jahre nach dem erstinstanzlichen Urteil fand nach erfolglosen Anläufen endlich die Hauptverhandlung statt.

Richter: "Ein sehr, sehr altes Verfahren"

Auch der Vorsitzende Richter Peter Lames sprach nun von einem "sehr, sehr alten Verfahren" und davon, dass der Angeklagte nichts für den Zeitverzug könne. Anfang 2018 sei das Verfahren eingegangen, dann habe es eine lange Phase unterbesetzter Berufungskammern gegeben. Warum jedoch ausgerechnet der Fall eines Angeklagten, dem eine unbedingte Haft droht, nicht verhandelt wurde, ließ Lames offen.

Ab 2012 sei gegen E., der damals Marko P. hieß, ermittelt worden. Er hatte sogar drei Monate in Untersuchungshaft gesessen. Der Mann ist gelernter Fernsehmechaniker aus Lübbenau, war Inhaber einer Herberge "Glückspilz" in Altenberg-Schellerhau, wo er ab 2009 auch als Heilpraktiker tätig gewesen sein soll.

Nach der U-Haft 2012 zog er nach Zwickau, hatte ein Büro als Sachverständiger für Brandursachenermittlungen und ähnliche Leistungen. Der vielfach vorbestrafte und hafterfahrene Betrüger soll sogar von Gerichten als Gutachter beauftragt worden sein. Inzwischen lebt er in Cottbus. In seinem Prozess bezeichnete er sich gestern als "Sachverständiger". Er und seine Verteidiger hatten 2017 einen Freispruch gefordert.

Neue Beweisaufnahme erforderlich

Richter Lames wollte ihm eine goldene Brücke bauen. Nach sechs Jahren drohe ihm sicher keine Haftstrafe mehr. Einen Körperverletzungsvorwurf könne man einstellen, weil ein Nachweis wohl nicht mehr möglich sei. Kurzum: Die Kammer könne sich eine deutlich geringere Bewährungsstrafe vorstellen und werde auch die Verfahrensverzögerung berücksichtigen.

Die Staatsanwaltschaft stimmte zu – der Angeklagte nach einer Beratungspause mit seinem Verteidiger überraschend nicht. Er leide nicht erst seit sechs Jahren, sondern bereits seit elf Jahren unter dem Druck einer Verurteilung, sagte Marko E., wäre maximal bereit, im Falle einer Einstellung des gesamten Verfahrens eine Geldauflage von 10.000 Euro zu zahlen. Da die Kammer das jedoch ausschloss, muss die ganze Sache nun erneut in einer Beweisaufnahme aufgerollt werden. Die Kammer setzte die Hauptverhandlung aus. Ein neuer Termin ergeht von Amts wegen. Aber nicht mehr in diesem Jahr.

Was der Angeklagte nicht sagte, war, dass er an den Verfahrensverzögerungen nicht ganz unbeteiligt ist, jedenfalls in der Zeit bis zur erstinstanzlichen Verhandlung. Der 49-Jährige hatte Polizisten, Staatsanwälte, Richter und andere, die mit seinen Verfahren zu tun hatten, mit Strafanzeigen, Dienstaufsichtsbeschwerden und anderem überzogen.