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Dresdner Feuerwehrmesse "Florian": Wie eine Brille die Psyche von Einsatzkräften schützt

30.000 Menschen besuchten die Feuerwehrmesse "Florian" in Dresden. Mit dabei war Martin Jahr, er hat die erste "Blutfilterbrille" erfunden. Damit sollen traumatische Erlebnisse für Einsatzkräfte gemildert werden.

Von Connor Endt
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Feuerwehrmann Martin Jahr präsentierte auf der Feuerwehrmesse "Florian" die von ihm erfundene "Blutfilterbrille".
Feuerwehrmann Martin Jahr präsentierte auf der Feuerwehrmesse "Florian" die von ihm erfundene "Blutfilterbrille". © Christian Juppe

Dresden. Dutzende Feuerwehrfahrzeuge reihen sich an der Pieschener Allee aneinander. Hunderte Einsatzkräfte strömen über die Straße zur Messe Dresden. Auf ihren Uniformen sind ihre Feuerwachen aufgedruckt: Beuna, Etzdorf oder Kleinschirma ist dort zu lesen. Auch Orte in Österreich oder der Schweiz sind vereinzelt vertreten.

Sie alle wollen zur Dresdner Feuerwehrmesse "Florian", die am vergangenen Donnerstag eröffnet wurde. Auf der "Florian" zeigen Hersteller neue Fahrzeuge, Arbeitskleidung oder auch Löschdrohnen. Der Andrang war in diesem Jahr so hoch wie noch nie: Laut Veranstalter Ortec kamen alleine zur Eröffnung am Donnerstag mehr als 6.000 Interessierte. Insgesamt besuchten etwa 30.000 Menschen die Fachmesse.

"Wir sind überwältigt von diesem Andrang", sagt Messesprecherin Ines Kurze. "Seit zehn Jahren findet die Florian hier in Dresden statt und hat sich mittlerweile fest etabliert."

Blutfilterbrille schützt die Psyche bei traumatischen Einsätzen

Auch am Samstag ist das Interesse groß. Am Stand von Martin Jahr bleiben besonders viele Menschen stehen. Es könnte an dem abgetrennten Bein liegen, das Jahr an seinem Stand aufgebaut hat.

Das Bein braucht der Brandenburger, um seine Erfindung zu präsentieren. Er hat eine sogenannte Blutfilterbrille entwickelt. Die sieht ein bisschen wie eine Fahrradbrille aus und hat spezielle, blau getönte Kunststoffgläser. "Die Gläser sind so beschichtet, dass rote Farben als Schwarztöne wahrgenommen werden", erklärt Jahr. Die Brille sei für Einsatzkräfte oder Ersthelfer gedacht und solle die Wirkung von verstörenden Bildern bei Einsätzen mildern. Blut sieht beim Blick durch die Brille dann nicht mehr rot, sondern nur noch schwarz aus. Alle anderen Farben kann man weiterhin erkennen.

Einige Männer, die selber als Einsatzkräfte bei der Freiwilligen Feuerwehr arbeiten, setzen die Brillen auf und schauen auf das Beinmodell. "Stimmt, das sieht nicht mehr wie Blut aus, sondern eher wie verkohltes Holz", sagt einer. "Das ist ja doll", antwortet sein Kollege und lässt den Blick durch die Messehalle schweifen. "Guck mal, die roten Shirts von den Kollegen sehen lila aus."

"Ich habe gesagt, dass ich das hinkriege. Dann kamen die schlaflosen Nächte."

Martin Jahr unterstützt die Freiwillige Feuerwehr in seinem Heimatort Michendorf. Ein Erlebnis vor vier Jahren bekommt er bis heute nicht aus dem Kopf, obwohl dabei nicht einmal Blut floss. "Ich wurde zu einem Einsatz im Wald gerufen und musste einen Menschen losschneiden, der sich dort erhangen hat", sagt er. "Zu meinen Kollegen habe ich gesagt, dass ich das hinkriege. Dann kamen die schlaflosen Nächte, meine Gedanken haben sich immer wieder um diesen Mann gedreht."

Irgendwann bemerkt auch seine sechsjährige Tochter, das etwas nicht stimmt. "Papa, was ist mit dir, hat sie mich gefragt", so Jahr. Fortan beginnt Jahr zu grübeln. Wie lassen sich solche traumatischen Erlebnisse für Einsatzkräfte abmildern? Dann kommt er auf die Idee mit der Blutfilterbrille. "Ich habe mich in das Thema eingelesen, mich mit Farbspektren und Kunststoffen beschäftigt", sagt der 36-Jährige.

Etwa 300 Blutfilterbrillen sind bereits im Einsatz

Nach zwei Jahren intensiver Forschung und vielen Prototypen ist die Blutfilterbrille fertig. Martin Jahr nennt die Brille "Rubi", nach seiner Tochter, die den ganzen Forschungsprozess erst ins Rollen gebracht hat. "Es ist das weltweit erste Modell", sagt Jahr, man hört den Stolz in seiner Stimme. Seine Idee hat er sich patentieren lassen. Aktuell sind etwa 300 Brillen in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Einsatz. Vor allem Feuerwehrkräfte und Rettungssanitäter tragen die Brillen.

Die Brillen sind aber nicht nur für Einsatzkräfte nützlich. "Auch Ersthelfern kann die Brille die Arbeit erleichtern, besonders, wenn sie noch keine Erfahrungen mit solchen Situationen haben", sagt Jahr. "Kollegen haben mir auch erzählt, dass sie Kindern die Brillen aufsetzen, wenn sie zum Beispiel die Eltern aus einem Autowrack bergen und die Kinder auf der Rückbank sitzen."

Aktuell führen die Technische Universität (TU) Dresden und die Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer eine Studie zur "Rubi" durch. Dafür wird mit 52 Probanden ein Unfall simuliert. Die Studie soll die Wirksamkeit und Funktionalität der Blutfilterbrille wissenschaftlich bestätigen.

Blutfilterbrille für Kinder kommt nächstes Jahr

Die Nachfrage nach den Blutfilterbrillen ist auch an diesem Samstag sehr hoch. Viele Feuerwehrleute und Rettungssanitäter unterhalten sich mit Martin Jahr und nehmen seine Visitenkarte mit.

Aktuell arbeitet der Michendorfer bereits an einer neuen Brille. "Karl" ist nach seinem Sohn, Rubis kleinerem Bruder, benannt. Es ist eine Blutfilterbrille speziell für Kinder. "Die Brille ist kleiner, hat ein Gummiband und bleibt so besser auf dem Kopf sitzen", so Jahr. Im nächsten Jahr wird die Brille bereits verfügbar sein.

Jahr ist außerdem im Austausch mit verschiedenen Helmherstellern. "Wir beraten, ob man die getönten Gläser standardmäßig einbaut", sagt Jahr. "Dann könnten noch viel mehr Einsatzkräfte vor traumatischen Erlebnissen geschützt werden."

Transparenzhinweis: Der Messeveranstalter Ortec ist Teil der DDV-Mediengruppe, zu der auch die SZ gehört.